Verdi kritisiert die Provinzial-Eigentümer
Die Gewerkschaft beklagt mangelnde Information im Vorfeld der Fusionsankündigung. Gleichzeitig sind elementare Fragen für den geplanten Zusammenschluss der öffentlichen Versicherer noch gar nicht geklärt.
DÜSSELDORF Noch ehe sich ein einziges Gremium unter den Eigentümern der Provinzial-Gesellschaften intensiv mit der Fusion der beiden Versicherer in Düsseldorf und Münster/Kiel auseinandergesetzt hat, schlägt die Gewerkschaft Verdi schon Alarm. „Wir stellen fest, dass die Arbeitnehmervertreter und Verdi trotz fortschreitender Verhandlungen und Gespräche der Anteilseigner zum wiederholten Male nicht beteiligt werden“, kritisierte Frank Fassin, Fachbereichsleiter Finanzdienstleistungen von Verdi NRW.
Was Fassin nicht erwähnte: Er sitzt als Vertreter der Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat der Provinzial Nordwest, in dem das Thema längst eines gewesen ist. Insofern klingt die Entrüstung ein wenig gespielt – auch wenn die letzte Aufsichtsratssitzung schon einige Monate zurückliegt und die entscheidenden Weichen für die Fusionsplanung in der Zwischenzeit gestellt worden sind. Die Gewerkschafter fühlen sich jedenfalls durch die Eigentümer nicht ausreichend informiert. Fassins Kollege Frank Schischefski warnte vorsorglich: „Wir müssen zum jetzigen Zeitpunkt davon ausgehen, dass wir die Unterstützung der Belegschaften zur Wahrung und Durchsetzung der Beschäftigteninteressen im Falle einer Fusion benötigen – bevor Tatsachen geschaffen werden.“
Von Tatsachen ist indes an einigen Stellen noch nicht die Rede. Zwar haben sich die Provinzial-Eigentümer auf den Holding-Standort Münster und auf Düsseldorf als Sitz der profitablen Sachversicherungssparte geeinigt, doch es sind noch gewichtige Fragen offen. Beispielsweise die der Bewertung beider Unternehmen. Vor Jahren war mal von einem 60:40-Verhältnis zugunsten der Provinzial Nordwest die Rede, deren Eigentümer den größeren Teil mit der Größe und den Beitragseinnahmen ihrer Provinzial für sich beanspruchten. Dem setzen die Rheinländer mit schöner Regelmäßigkeit entgegen, dass sie profitabler seien und über zukunftsträchtige Assets wie den Direktversicherer S-Direkt verfügten. „Womöglich läuft es auf 50:50 hinaus, vielleicht gibt’s am Ende eine politische Lösung von 51:49 zugunsten der Münsteraner“, sagen Insider. Bei der Provinzial Rheinland liegt der Unternehmenswert nach Angaben aus dem Umfeld des Versicherers bei 2,2 Milliarden Euro. Für die Provinzial Nordwest soll die Allianz vor Jahren etwa zwei Milliarden Euro geboten haben.
Zudem muss man sich auf einen Wirtschaftsprüfer für die Due-Diligence-Prüfung einigen, und es muss ein Staatsvertrag geändert werden. Das betrifft die Gewährträger der Provinzial Rheinland, zu denen Sparkassen sowohl in Nordrhein-Westfalen als auch in Rheinland-Pfalz gehören. Aber auch bei den Eigentümern der Provinzial Nordwest mit Sparkasenverbänden in Münster, in Schleswig-Holstein und Ostdeutschland werden Gespräche fällig. Zudem ist natürlich noch die Frage, wo wie viele Stellen der Fusion zum Opfer fallen könnten, offen. Nach Informationen unserer Redaktion fallen bei der jetzigen Provinzial Rheinland, die etwa 2000 Mitarbeiter beschäftigt (ohne Vertrieb über die Provinzial-Agenturen), in den nächsten fünf Jahren ungefähr 500 Stellen dadurch weg, dass Beschäftigte in den Ruhestand gehen. Ein Teil des bei einer Fusion drohenden Jobabbaus könnte sich also durch Ruhestandsregelungen auffangen lassen. Ähnliches gilt bei der heutigen Provinzial Nordwest, wo knapp 800 der 4000 Jobs ohne Kündigung gestrichen werden könnten. Gleichzeitig brauchen die Versicherer aber für die Umrüstung im digitalen Zeitalter neue Arbeitskräfte. Problemfrei werden die Verhandlungen über die Modalitäten des Stellenabbaus also nicht.