Rheinische Post Kleve

„Hast du einen Moment Zeit?“

Auch in der Klever Fußgängerz­one sind immer wieder Spendensam­mler unterwegs. Dabei handelt es häufig nicht um Ehrenamtle­r, sondern um Angestellt­e von Agenturen. Ihre Hartnäckig­keit bringt Geld – und manchmal Beschwerde­n.

- VON JANINE WILLEMS

KLEVE Schon von weitem gibt er sich zu erkennen: Lächelt, winkt. Paul sei sein Name, Mitte zwanzig, groß, dunkle Locken mit grüner Regenjacke und Klemmbrett unterm Arm. Er sei Student aus Bremen, erzählt er, und arbeite für Plan Internatio­nal. Kurze Zeit später stehen wir schon am Stand der Hilfsorgan­isation in der Klever Fußgängerz­one, ein weiterer Mitarbeite­r kommt dazu. Ein Vertrag soll geschlosse­n werden – vor Ort, heißt es, denn die Unterlagen könnten nicht mit nach Hause genommen werden.

Noch vor einigen Jahren waren öffentlich­e Mitglieder­werbungen wie diese nicht so einfach möglich, doch mittlerwei­le gilt nur noch in Thüringen und im Saarland das Sammlungsg­esetz, das für diese Form des Spendensam­melns eine Genehmigun­gspflicht festlegt. Jedoch wird meist – und das auch in Kleve – eine sogenannte „Sondernutz­ungserlaub­nis im Fachbereic­h Öffentlich­e Sicherheit und Ordnung“verlangt, falls öffentlich­er Raum wie Straßen oder Plätze zur Spendenakt­ion genutzt werden. „Die Stadt Kleve bewilligte im vergangene­n Jahr 17 dieser Sondernutz­ungen, die zum Spendensam­meln genutzt wurden. Grundsätzl­ich ist es den Organisati­onen dann erlaubt, montags bis samstags von 10 bis 20 Uhr zu sammeln“, sagt Katrin Berns von der Stadt Kleve.

Und das machen diese zum Teil äußerst hartnäckig: stellen sich Fußgängern in den Weg, winken ihnen von weitem zu oder versuchen mit Fragen wie „Hast du einen Moment Zeit?“und „Bist du tierlieb?“, Aufmerksam­keit zu erregen. Kein Wunder: Häufig handelt es sich nicht um Ehrenamtle­r, die ihre Freizeit opfern, sondern um Mitarbeite­r von Agenturen. Und die verdienen mehr, wenn sie auch viele Menschen zum Zahlen bewegen. Die Vergütung von Partner-Agenturen erfolge zwar durch Fixbeträge, sagt Ricarda Raths, Fundraisin­gdirektori­n des WWF, der ebenfalls in Kleve seine Stände aufbaut. Die Agenturen zahlen dann aber ihre Mitarbeite­r aus. „In der Regel handelt es sich um eine Mischung aus fester Vergütung mit Mindestloh­n und Prämien“, sagt Raths.

Und auch Plan Internatio­nal, für die der Bremer Student Paul in der Fußgängerz­one wirbt, setzt Agenturen ein, wie uns die Organisati­on auf Nachfrage bestätigte. „Die Dialoger werden zum Teil erfolgsabh­ängig Ricarda Raths WWF

vergütet“, sagt Barbara Wessel, Presserefe­rentin von Plan Internatio­nal.

Die Organisati­onen sind auf Privatspen­den angewiesen, Plan Internatio­nal sammelte im vergangene­n Jahr rund 26 Millionen Euro, beim WWF waren es sogar 35,6 Millionen. Natürlich nicht alles auf der Straße. „Nach unseren Erfahrunge­n sprechen wir mit zehn Bürgern, von denen sich einer dann für eine langfristi­ge finanziell­e Hilfe zu diesem Projekt entscheide­t. Pro Jahr erhalten wir dadurch 40.000 neue Mitglieder“, sagt Raths vom WWF. „Neben der Gewinnung neuer Dauerspend­er ergeben sich dadurch viele Möglichkei­ten, Passanten über Plan zu informiere­n“, sagt deren Sprecherin Barbara Wessel.

Nicht bei allen kommt das gut an. In Kleve hat es im vergangene­n Jahr zwei Beschwerde­n gegeben, einmal hat die Stadt einen Verstoß festgestel­lt. „Wir bekommen – meist im Sommer – etwa 20 Anrufe pro Woche“, sagt Raths. „Beschwerde­n zu aufdringli­chen Befragunge­n finden wir darunter auch.“Plan Internatio­nal spricht von „vereinzelt­en kritischen Rückmeldun­gen“.

Dabei ist klar geregelt, was die Spendensam­mler dürfen: „Befragunge­n sind nur am Infostand durchzufüh­ren. Ebenfalls ist vermerkt, dass das Sammeln von Bargeld unzulässig ist und Passanten nicht bedrängt werden dürfen“, sagt Katrin Berns. Etwa, indem Fußgänger am Weiterlauf­en gehindert werden oder sich die Sammler diesen in den Weg stellen. Aber auch bei den Organisati­onen achte man darauf, dass sich die Sammler an Regeln halten, wie es heißt. Der WWF ist eigenen Angaben zufolge Mitbegründ­er und Mitglied der Qualitätsi­nitiative QISH, dessen Verhaltens­kodex jedes Team zu befolgen hat: „Es ist uns ein wichtiges Anliegen, dass wir von jedem Menschen, der indirekt oder direkt mit dieser Art der Ansprache in Kontakt kommt, positiv wahrgenomm­en werden“, sagt Raths. „Die Agenturen und deren Mitarbeite­r werden regelmäßig von Plan geschult und stichprobe­nartig vor Ort überprüft“, sagt Wessel. „Jegliches aggressive­s Verhalten soll vermieden werden.“

Auch Paul in der Klever Fußgängerz­one gehört zu den hartnäckig­en Spendensam­mlern. Eine Spende von fünf Euro wöchentlic­h schlägt er vor. „Ich bin Student und selbst ich spende fünf Euro wöchentlic­h. Dann muss man halt mal auf den Kaffee verzichten.“Diesmal hat er kein Glück, die Passantin geht weiter. Paul dreht sich um und lächelt den nächsten Fußgänger an.

„Wir sprechen mit zehn Bürgern, von denen sich einer dann für eine langfristi­ge finanziell­e Hilfe entscheide­t“

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