Merkel kündigt Diesel-Lösung für Montag an
Weil in immer mehr Städten Fahrverbote drohen, denkt die Bundesregierung doch über Hardware-Nachrüstungen für ältere Diesel nach. Einziges Problem: Die Hersteller haben wenig Lust, dafür zu bezahlen.
BERLIN Ein wenig erinnert alles an das Jahr 2011. Es war erst wenige Monate her, dass Angela Merkel zum Wohle der Energiewirtschaft die Laufzeitverlängerung deutscher Atomkraftwerke beschlossen hatte. Doch als es kurz vor zwei wichtigen Landtagswahlen zum Unglück am japanischen Atomkraftwerk Fukushima kam, vollzog die Kanzlerin eine hastige Kehrtwende ihrer bisherigen Politik und verkündete den Ausstieg aus der Kernenergie.
Merkels heutiges Fukushima heißt Frankfurt. Weil die Luft in der Main-Metropole seit langem zu schlecht ist, hatte ein Gericht zuletzt Fahrverbote für ältere Diesel-Fahrzeuge verlangt. Damit trifft es nach Hamburg, Aachen und Stuttgart die nächste Großstadt. Und wieder sind Landtagswahlen, erst in Bayern, dann in Hessen.
Am Montag will die Kanzlerin die Entscheidung über den Kurs der Bundesregierung in der Diesel-Frage bekanntgeben. Hardware-Nachrüstungen an älteren Fahrzeugen, die von der Auto-Industrie vehement bekämpft und (bis auf wenige Ausnahmen) von der Bundesregierung abgelehnt wurden, stehen nun plötzlich wieder zur Debatte. Genauso wie neue Prämien für den Kauf moderner Diesel-Fahrzeuge. Ob und welche Kosten der Steuerzahler tragen muss, ist unklar, ausschließen wollte CDU-Generalsekretärin
Annegret Kramp-Karrenbauer am Montag zunächst nichts.
Dennoch regt sich bereits Widerstand gegen die Erneuerung des Fahrzeugbestands auf Staatskosten. „Nachdem die Autokonzerne zuletzt Milliardengewinne eingefahren haben, will die
CDU nun Steuerzahler für die Folgen des Betrugs zur Kasse bitten“, sagt Benjamin Stephan, Verkehrsexperte bei Greenpeace Deutschland: „Das ist etwa so einleuchtend, wie ein Einbruchsopfer zu bitten, dem Dieb seine Beute abzukaufen.“
Auch der Steuerzahlerbund und die Grünen warnen die große Koalition davor, die Steuerzahler bei der Lösung des Diesel-Abgasproblems finanziell heranzuziehen.
„Steuergeld zur Hardware-Nachrüstung von Diesel-Fahrzeugen lehne ich ab – das ist Aufgabe der Automobil-Industrie“, sagte der Präsident des Steuerzahlerbundes, Reiner Holznagel. Und Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer sagte: „Die Euro 6 großen deutschen Autohersteller haben 2017 rund 40 Milliarden Euro an Gewinn eingefahren. Eine Nachrüstung mit Hardware würde zwischen zwei und vier Milliarden Euro kosten. Das können die Konzerne ohne Probleme stemmen.“
In der Industrie ist die Bereitschaft zu Hardware-Nachrüstungen iDneMutilslicohnlaend Euro 5 Euro 4
jedoch gering. Zu umständlich, zu teuer, so die Argumentation. „Das wirksamste und schnellste Instrument zur Verbesserung der Luftqualität in Städten ist die Bestandserneuerung“, hatte der Verband der Automobilindustrie zuletzt stets betont.
Es könnte daher sein, dass eine Nachrüstungspflicht zunächst nur für Fahrzeuge von Handwerkern und Zulieferern vereinbart wird, wie es in Berliner Koalitionskreisen hieß. Aber auch hier würde sich wieder die Frage stellen: Wer zahlt? Branchenbeobachter zweifeln daran, dass die Politik den Widerstand der Automobilindustrie wird brechen können. Ferdinand Dudenhöffer, Leiter des CAR-Instituts an der Uni Duisburg-Essen, geht zwar davon aus, dass es zu Hardware-Nachrüstungen kommt, dass diese aber letztlich aus Steuergeldern bezahlt würden. Die Automobil-Industrie, mutmaßt er, würde maximal die Kosten für die Zertifizierung der Technik übernehmen.
Nach dem gestrigen Treffen von Vertretern der Auto-Industrie, Merkel und Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ist daher in Teilnehmerkreisen zwar von „konstruktiven Gesprächen“die Rede. Ergebnislos auseinander ging man trotzdem. Dass eine Lösung gefunden werden muss, daran gibt es allerdings wenig Zweifel – denn der Druck nimmt zu. Am Montag verhängte das Verwaltungsgericht Stuttgart ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000 Euro gegen die Landesregierung in Baden-Württemberg, weil diese sich weigert, Fahrverbote in den Luftreinhalteplan aufzunehmen. Richter am bayerischen Verwaltungsgerichtshof denken bereits über drastischere Schritte nach. Sie erwägen Beugehaft gegen Beamte oder Minister.