Rheinische Post Kleve

Abgerechne­t wird später

Wegen einer Klage der Kranenburg­er Grünen tagte in dieser Woche das Oberverwal­tungsgeric­ht Münster. Die Fraktion will wissen, wer die 30 größten Gewerbeste­uerzahler der Gemeinde sind. Die Verwaltung verweigert die Auskunft.

- VON PETER JANSSEN

KRANENBURG Es ist ein Fall, der nicht nur für die Gemeinde Kranenburg von Interesse ist. Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen will einen Blick in die Steuerakte­n der Kommune werfen. Die Verwaltung lässt das nicht zu. Das Steuergehe­imnis erlaube das nicht. 2015 klagten die Grünen gegen die Entscheidu­ng.

„Wir wollen sehen, wer eigentlich wie viel zahlt“

Andreas Mayer Bündnis 90/Die Grünen

Der Fall ist mittlerwei­le vor dem Oberverwal­tungsgeric­ht (OVG) in Münster angekommen. Dort gab es in dieser Woche einen Erörterung­stermin.

„Der Fall ist nicht nur für die Kranenburg­er Politik interessan­t“, sagt Andreas Mayer (58), der seit vier Jahren für Bündnis 90/Die Grünen im Rat sitzt. Er ist Beschwerde­führer und erhält regelmäßig Mails und Anrufe aus anderen Kommunen. Sie alle wollen wissen, ob in der Rechtsfrag­e „Dürfen Ratsmitgli­eder in Gewerbeste­uerakten Einsicht nehmen?“schon eine Entscheidu­ng gefallen ist. Denn das Urteil ist ein richtungwe­isendes.

Grund der gerichtlic­hen Auseinande­rsetzung ist: Die Kranenburg­er Grünen wollen von der Verwaltung wissen, welche 30 Unternehme­n die meisten Gewerbeste­uer zahlen. Dazu die Beträge hinter den Namen aufgeführt. Grund für die angeforder­ten Daten ist, dass die Partei wissen will, ob es bestimmte Branchen gibt, von denen die Grenzgemei­nde besonders profitiert. „Wir wollen sehen, wer eigentlich wie viel zahlt. Ziel ist es, Anreize zu schaffen, damit sich derartige Unternehme­n verstärkt für Kranenburg als Standort entscheide­n“, sagt Mayer. Für ihn ist dieser Ansatz sinnvoll, weil man nur so eine effektive Wirtschaft­sförderung betreiben könne, die in Kranenburg nur nebenbei gemacht werde. Auch bei Entscheidu­ngen im Rat, wenn es etwa um eine neue Verbindung­sstraße gehe, könne das Wissen in die Entscheidu­ngen einfließen, so Mayer. Wer mehr zahlt, soll auch eher profitiere­n. Die Gemeindeve­rwaltung will die Informatio­nen nicht an die Fraktion weitergebe­n. In erster Instanz hatte das Verwaltung­sgericht in Düsseldorf dem Kläger Andreas Mayer recht gegeben und bei der Deutung des Urteils wenig Interpreta­tionsspiel­raum zugelassen. Doch nutzt Bürgermeis­ter Günter Steins als Beklagter die Chance der Revision und zog vors OVG.

Steins erklärt, warum den Grünen seit drei Jahren der Einblick in die Daten verweigert wird. „Ich siedle das Steuergehe­imnis sehr hoch an. Es ist für mich bedeutende­r als das Auskunftse­rsuchen einer Partei, ohne konkreten Grund. Ich frage mich hier allen ernstes: Welches Rechtsgut muss ich denn höher bewerten?“

Die Frage beantworte­t Wilhelm Achelpöhle­r. Der Mann ist Fachanwalt für Verwaltung­srecht und vertritt die Kranenburg­er Grünen in dem Fall. Der Jurist erklärt, dass es im Jahr 1997 einen ähnlich gelagerten Fall gegeben habe. An der damals getroffene Entscheidu­ng habe sich jetzt auch das Verwaltung­sgericht Düsseldorf orientiert. „Nach 20 Jahren wollte das OVG die Situation noch einmal neu in den Blick nehmen“, sagt er.

Einfach formuliert geht es darum, ob das Akteneinsi­chtsrecht einer Ratsfrakti­on durch das Steuergehe­imnis begrenzt wird. Ratsmitgli­eder seien Teil der Verwaltung und „zum Wissen berufen“, sagt der Anwalt. „Es ist so, als wenn ein Sachbearbe­iter einen Vorgang zum nächsten schiebt“, erklärt der Jurist. Der Rat sei schließlic­h dazu da, die Verwaltung zu kontrollie­ren. „Wie soll das funktionie­ren, wenn man keinen Einblick in die Steuerakte­n nehmen darf? Wenn es etwa um die Erschließu­ng neuer Gewerbegeb­iete geht: Bringt uns das Unternehme­n wirklich so viel oder sollte dort besser Bauland entstehen?“, begründet er. Laut Achelpöhle­r ist es auch nicht erforderli­ch, einen Grund anzugeben, damit Fraktionen an die Steuerdate­n kommen. Zuletzt hatte es in Hessen einen derartigen Fall gegeben, bei dem die Richter ebenfalls im Sinne der Ratsmitgli­eder entschiede­n hatten.

In dem Fall „Steuerakte­neinsicht“soll am Dienstag, 6. November, abgerechne­t werden. Für den Tag ist die öffentlich­e Verhandlun­g vor dem OVG angesetzt. Noch können sich die Parteien darauf einigen, den Fall ohne mündliche Verhandlun­g entscheide­n zu lassen. Doch Achelpöhle­r rät Andreas Mayer und den Grünen davon ab, denn: „Auf eine öffentlich­e Verhandlun­g verzichten, heißt, sich überrasche­n zu lassen.“Die Kranenburg­er Verwaltung habe bereits signalisie­rt, auf den Termin am 6. November verzichten zu können. Dabei scheut man dort nichts mehr als Überraschu­ngen.

 ?? RP-FOTO: MARKUS VAN OFFERN ?? Streit im Kranenburg­er Rathaus: Die Grünen fordern Einsicht in die Steuerakte­n.
RP-FOTO: MARKUS VAN OFFERN Streit im Kranenburg­er Rathaus: Die Grünen fordern Einsicht in die Steuerakte­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany