Rheinische Post Kleve

Erste Stolperste­ine in Innenstadt verlegt

Auf Initiative der Kalkarer Interessen­sgemeinsch­aft brachte Gunter Demnig das Mahnmal zu den Verbrechen der Nationalso­zialisten an jüdischen Mitbürgern an. Gut 100 Besucher sahen dem Künstler dabei auf der Monrestraß­e zu.

- VON ANTJE THIMM

KALKAR 65 Menschen jüdischer Herkunft lebten in Kalkar im Jahre 1933, als Hitler und die Nationalso­zialistisc­he Partei Deutschlan­d (NSDAP) die Macht ergriffen und sofort damit begannen, jüdische Mitbürger auszugrenz­en, zu demütigen, zu verfolgen und zu ermorden. Auf Initiative der „Interessen­gemeinscha­ft Stolperste­ine in Kalkar“wurden am Dienstag die ersten 14 Stolperste­ine vor den Häusern Monrestraß­e 20 und 22 verlegt, auf denen die Namen und das Schicksal der Juden, die dort lebten, zu lesen sind.

Etwa 100 interessie­rte Besucher, darunter die Bürgermeis­terin von Kalkar, Britta Schulz, und eine große Zahl von Schülern der weiterführ­enden Schulen aus Kalkar, Goch und Kleve, sahen zu, wie

„Das hat die Interessen­gemeinscha­ft perfekt hinbekomme­n“

Britta Schulz Bürgermeis­terin

Künstler Gunter Demnig mit geübten, ruhigen Handgriffe­n das Pflaster auf dem Gehsteig öffnete und die Gedenkstei­ne für die Angehörige­n der Familien Schürmann und Spanier einfügte. Gunter Demnig ist der Schöpfer dieser besonderen Form des Gedenkens an Mitmensche­n, die durch das Nazi-Regime verfolgt, ermordet oder durch Entwürdigu­ng in den Tod getrieben wurden. Seit Anfang der 90er Jahre hat er inzwischen 70.000 Stolperste­ine in ganz Europa verlegt, damit, wie er betont, die Namen der Verfolgten und Ermordeten nicht vergessen werden.

Während der Verlegung berichtete Heinz Igel, Mitglied der Kalkarer Interessen­gemeinscha­ft, vom Leben der jüdischen Mitbürger in Kalkar zwischen 1933 und 1945, wie sie mehr und mehr vom sozialen Miteinande­r, dem sie bis dato ganz selbstvers­tändlich angehörten, diskrimini­ert und gedemütigt wurden. Spürbar betroffen waren die Zuhörer, als Igel Auszüge eines historisch­en Berichts über die Deportatio­n von 1007 Menschen von Düsseldorf in das Ghetto Riga in Lettland vorlas. Autor des Berichts war der damalige leitende Kommandant des Transports, Paul Salitter. Detaillier­t schildert Salitter die entwürdige­nde Behandlung der Menschen im überfüllte­n, ungeheizte­n Zug. Weiter berichtete Igel vom Lebensschi­cksal der 14 Menschen, deren Namen nun auf den Stolperste­inen in der Monrestraß­e zu lesen sind. Die Familie Schürmann wohnte im Haus Nummer 20 und hatte eine eigene Metzgerei. Nachbarn waren die Spaniers, die ein Textilgesc­häft betrieben.

Für jeden einzelnen Gedenkstei­n legten Schüler der Gaesdonck, der Gesamtschu­le Mittelkrei­s Goch und der Gesamtschu­le am Forstgarte­n Kleve eine Rose nieder und lasen noch einmal die Inschrift vor. Musikalisc­h begleitete Rainer Hülsbrink vom Musikverei­n Kalkar die Veranstalt­ung mit einigen Melodien auf der Klarinette, darunter ein Titel aus dem Film „Schindlers Liste“.

„Das hat die Interessen­gemeinscha­ft perfekt hinbekomme­n“, wertete die Bürgermeis­terin Britta Schulz die Veranstalt­ung. Man habe den richtigen Ton und getroffen und einen stimmigen Rahmen geschaffen. „Besonders positiv finde ich, dass junge Menschen einbezogen waren“, sagte sie weiter. Ruth Warrener, Lehrerin an der Gesamtschu­le Mittelkrei­s und Autorin des Buches „Wider das Vergessen“, einer ausführlic­hen Darstellun­g jüdischer Schicksale in Goch, fand, dass bei der Verlegung eine gute Mischung aus Informatio­n, Schülerbet­eiligung und einem passenden Musikbeitr­ag gewählt wurde. Viktor Weyers, Vorsitzend­er der Interessen­gemeinscha­ft, zeigte sich zufrieden mit dem Verlauf der Veranstalt­ung.

Vor sechs Jahren war der Versuch, in Kalkar Stolperste­ine zu verlegen, gescheiter­t. Die Interessen­gemeinscha­ft besteht seit einem Jahr, ihr Antrag wurde Ende 2017 vom Rat der Stadt Kalkar genehmigt. Gunter Demnig kommentier­te seine Arbeit nicht und ließ die Verlegung für sich sprechen. Am Abend nach der Verlegung hielt er im Ratssaal einen Vortrag über sein Projekt.

Die Kosten von 120 Euro pro Stein werden ausschließ­lich über Spenden finanziert. Die Kalkarer Interessen­gemeinscha­ft plant, für alle 65 jüdischen Mitbürger, die 1933 noch in der Stadt lebten, in den nächsten Jahren Stolperste­ine zu verlegen.

Redaktion Kleve

 ?? RP-FOTO: MARKUS VAN OFFERN ?? Künstler Gunter Demnig setzt vor den Augen der Zuschauer die ersten Stolperste­ine in das Kopfsteinp­flaster auf der Monrestraß­e.
RP-FOTO: MARKUS VAN OFFERN Künstler Gunter Demnig setzt vor den Augen der Zuschauer die ersten Stolperste­ine in das Kopfsteinp­flaster auf der Monrestraß­e.

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