Der Kirk Douglas aus Halle
Gerhard Weber machte sein Unternehmen immer größer – bis sich der Modehändler übernahm.
DÜSSELDORF Gerhard Weber erklärte alles zur Chefsache, vom kleinsten Knopf bis zum Kleiderständer. Um in die Champions League der Modeunternehmen zu kommen, legte er ein Tempo vor, bei dem kaum einer mithalten konnte. Schlank, dynamisch, das Haar akkurat gescheitelt, schritt der „Kirk Douglas aus Halle“mit den stahlblauen Augen voran – und wusste nur all zu oft alles besser.
Lange gab ihm der Erfolg recht. Und so liest sich die Geschichte des heute 77-Jährigen wie ein amerikanischer Traum. Sie erzählt aber nicht den Weg vom Tellerwäscher zum Millionär, sondern vom Aufstieg eines Textilverkäufers in der westfälischen Provinz.
Weber legte mit 23 Jahren den Grundstein für sein Mode-Imperium Gerry Weber. Seine ersten Damen-Hosen verkaufte er noch aus der Garage, seit den Achtzigerjahren stellte das Unternehmen komplette Kollektionen her und nannte sich ab 1986 Gerry Weber. In dem Jahr nahm der Boss auch eine damals noch nahezu unbekannte 17-jährige Tennis-Spielerin als Werbegesicht unter Vertrag: Steffi Graf.
Beinahe alles schien zu gelingen: Mehrere Modemarken wurden in Halle aufgebaut, in Düsseldorf eröffnete das Unternehmen eigene Mode-Ausstellungshallen, die auch andere Produzenten nutzen. 1989 kam der Börsengang und Weber träumte von einem Milliardenumsatz. Das Unternehmen zählte zu den großen deutschen Vorzeige-Marken.
Ein international beachteter und damals völlig unerwarteter Coup gelang 1993 mit den Gerry Weber Open – einem Rasenturnier, für das sich das Unternehmen ein eigenes Tennisstadion leistete. Bis heute trifft sich die Tennis-Welt-Elite einmal am Rande des Teutoburger Waldes.
Und nun der bittere Abgang: Zum ersten Mal in der 45-jährigen Firmengeschichte hat keiner aus der Familie mehr das Sagen im Unternehmen. Vielmehr versucht ein Sanierungsexperte zu retten, was noch zu retten ist: Webers Lebenswerk zerbricht, und daran trägt er selbst eine Mitschuld.
Wollte der smarte Unternehmer zu schnell, zu viel? Er gab Vollgas bei der Expansion ins Ausland. Massenhaft pflanzte er ein Ein-Marken-Läden in die Innenstädte – und schoss dabei weit über das Ziel hinaus. Statt neue Ideen zu entwickeln, trachtete Weber vor allem nach Größe. Er wollte es allen zeigen, dem Handel, dem Verbraucher, vielleicht auch ein Stück weit sich selbst. Unterdessen alterte die Marke gemeinsam mit dem Mode-Mann, die Läden wirkten ausgestorben: Die Stammkundinnen, die 50- bis 60-Jährigen, kaufen inzwischen so wie die junge Generation lieber Flottes im Internet oder bei Zara und H&M.
Viel zu lange wollte der Gründer vom Chefposten nicht weichen. Der Patriarch alter Schule hielt seinen Sohn Ralf nicht für den geeigneten Nachfolger. Erst vor vier Jahren, nach einem Vierteljahrhundert an der Spitze, ist der Senior von der Konzernleitung abgetreten und in den Aufsichtsrat gewechselt. Mit 50 bekam der Junior seine Chance. Doch er agierte mit wenig Fortüne, seine Radikalkuren konnten den Abwärtstrend nicht stoppen. Der Generationswechsel ist gescheitert. Nun haben Vater und Sohn im Unternehmen, das sich trotz der Börsennotierung noch immer zu einem Drittel im Eigentum der Familie befindet, das Zepter aus der Hand gegeben.