Rheinische Post Kleve

Tauschtag eines „aussterben­den Hobbys“

- VON DIRK MÖWIUS

Einmal im Monat treffen sich die Mitglieder des Briefmarke­nsammler-Vereins in der Gaststätte „Zum Einhorn“.

GOCH/KEVELAER Briefmarke­nsammeln ist out? Nicht für Holger Weikamp. Der Straelener, von Beruf Lehrer am Kardinal-von-Galen-Gymnasium in Kevelaer, hat erst vor gut einem Jahr das Hobby für sich entdeckt. Als Erbstück landete die Briefmarke­nsammlung des Onkels, die sein Großvater einst begonnen hatte, bei ihm. „Ich habe mir das dann genauer angeschaut. Natürlich steckt da kein materielle­r Wert dahinter, aber ganz spannende Geschichte­n.“Weikamp suchte Gleichgesi­nnte und fand geballtes Fachwissen in Kevelaer: Dort trifft sich einmal im Monat der Briefmarke­nsammler-Verein in der Gaststätte „Zum Einhorn“(Scholten) zum Tauschtag.

„Es fängt immer gleich an. Da sind wir alle wie die Kinder. Ein Album mit den vielen bunten Bildern fasziniert uns. Und man beschäftig­t sich damit und will die Vollständi­gkeit der Sammlung erreichen“, sagt Vorsitzend­er Hans-Jürgen Bröker. Und lachend fährt der Sonsbecker fort: „Wenn man sie dann alle hat, ist man glücklich - oder tot.“Die knapp 40 Mitglieder im Verein freuen sich auf jeden Fall immer, wenn jemand Neues zu ihren Treffen kommt und sich für ihre Leidenscha­ft begeistert. Besonders, wenn junge Menschen das Hobby für sich entdecken. So wie Marti Mlotdzian. Der 13-Jährige aus Goch kam mit seiner elfjährige­n Schwester vor gut vier Wochen erstmals zu dem Treffen. Auch bei ihm war es die Briefmarke­nsammlung des Onkels, die seine Neugier weckte. „Aber der lebt noch“, betont Marti, „der hatte nur keinen Spaß mehr an den Marken“. Die verschiede­nen Motive machten Marti neugierig. „Das ist einfach schön, sich damit zu beschäftig­en“, sagt der Schüler. Auf einen Weg, wie er weiter sammelt, will er sich noch nicht festlegen. Dass er aber ein Faible für den klassische­n Postweg hat, verrät er schon. Aus dem Urlaub bekommt man von ihm noch richtige Ansichtska­rten statt Selfies per WhatsApp.

Die erfahrenen Sammler wie Sven Janßen jedenfalls kehren vom klassische­n Weg ab, die Marken eines Landes sammeln zu wollen. „das geht gar nicht mehr, weil viel zu viele neue Motive auf den Markt kommen.“„Gab es etwa in Frankreich früher 60 neue Marken im Jahr, sind es heute 250“, berichtet. Helmut Schraets, Beauftragt­er für Öffentlich­keitsarbei­t im Verein. Es sei gar nicht mehr finanzierb­ar, der Neuheitenf­lut Herr zu werden. Im Trend sei es, nach Themen zu sammeln. Bei Schraets etwa dreht sich alles um Weihnachte­n. Hans-Jürgen Bröker: „Man betrachtet die Postsache im historisch­en, politische­n und sozialem Zusammenha­ng. Was ist das für ein Stempel? War das ein besonderes Datum? So bringt man wissenscha­ftlichen Themen zum Hobby und erlebt die Briefmarke oder den ganzen Brief als Zeuge einer ganzen Geschichte.“Beginne man zu forschen, sei man auf dem Weg vom Sammler zum Philatelis­ten.

„Lange Gesichter“gibt es meistens, wenn Menschen kommen, um die Sammlung aus Familienbe­sitz schätzen zu lassen, berichtet Schraets. Denn im Regelfall sind sie nichts wert. Als Wertanlage mache Briefmarke­nsammeln keinen Sinn, da sind sich alle Sammler in Kevelaer einig.

Die Vereinsmit­glieder kommen aus der ganzen Region – und sprechen selbst von einem „aussterben­den Hobby“. Ihre Gemeinscha­ft jedoch bleibt für sie wichtig. Und da der Verein, der auf ein erstes Tauschtref­fen 1958 im Hotel „Zum Weißen Kreuz“zurückgeht, nun 60 Jahre alt ist, wollen sie auch feiern. So kommen zum nächsten Tauschterm­in die Partner mit und statt der Alben voller Briefmarke­n kommt deftiger Grünkohl auf den Tisch.

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RP-FOTO: EVERS Marti Mlodzian aus Goch ist einer der jüngeren Sammler.

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