Mit viel Mut und ein wenig Hilfe
Sich selbstständig zu machen birgt große Risiken und ebenso große Chancen. Drei Unternehmer aus Wachtendonk haben den Schritt gewagt und bei der Veranstaltung „Gründerland“der Wirtschaftsförderung davon berichtet.
KREIS KLEVE Dass Marcel und Pascal Rathmakers eines Tages den Familienbetrieb übernehmen würden, war klar. Dass es so plötzlich gehen würde, hatte niemand gedacht. Ihr Vater, der die Dachdeckerei über Jahrzehnte geführt hatte, erlitt im November 2013 einen schweren Schlaganfall. Die beiden Brüder mussten also von heute auf morgen einspringen und den Familienbetrieb führen.
Von ihren Erfahrungen aus der Selbstständigkeit haben die Rathmakers am Montagabend berichtet. Die Veranstaltungsreihe „Gründerland Kreis Kleve“der Wirtschaftsförderung
„Nichts ist spannender als das wahre Leben, das beweist das große Interesse heute Abend“
Hans-Josef Kuypers Kreis-Wirtschaftsförderer
hat sich in Wachtendonk mit dem Thema Existenzgründung beschäftigt. Etwa 50 Gäste waren gekommen, um die Geschichten der Wachtendonker zu hören, die bereits den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt haben.
Für die Rathmakers war die plötzliche Selbstständigkeit eine große Herausforderung. Ihr Vater konnte Marcel und Pascal Rathmakers nicht mehr helfen, da er seit dem Schlaganfall nicht mehr sprechen kann. Also waren die beiden Brüder auf sich gestellt. „Alles Kaufmännische lag bei unserem Vater“, erzählt Pascal Rathmakers. „Im ersten Monat sind Mitarbeiter der Softwarefirma, mit der wir unsere Lohnabrechnung machen, nach Wachtendonk gekommen, um uns einen Crashkurs zu geben. So konnten wenigstens unsere Jungs ihr Geld bekommen.“
Es dauerte etwa drei Jahre – bis 2016 – dass die beiden Brüder den Betrieb vollständig übernommen hatten. Sie haben daraus gelernt, wie wichtig es ist, sich gegenseitig ersetzen zu können, falls einer ausfällt. „Wir kennen gegenseitig unsere Aufgaben“, sagt Marcel Rathmakers. „Und ein Notfallplan in der Schublade ist wichtig.“
Anders als die Rathmakers hatte Christian Detzel zwei Jahre Zeit, um sich darauf vorzubereiten, die Apotheke an der Friedenseiche zu führen. Zu diesem Zeitpunkt lebte er mit seiner Frau in Frankfurt, beide arbeiteten als Pharmazeuten in der Industrie. „Meine Frau hat immer gesagt: Wenn sie sich mal selbstständig macht, dann mit der Apotheke in Wachtendonk.“
Über Bekannte erfuhren sie, dass die damaligen Besitzer einen Verkauf erwägten. Sofort rief Detzel an. „Wir waren mit den Vorbesitzern auf einer Wellenlänge“, sagt er. „Das hat uns ungemein geholfen, sie haben bei den Wachtendonkern für uns die Werbetrommel gerührt.“Nach etwa zwei Jahren Planungen hat Christian Detzel die Apotheke schließlich übernommen. „Im Nachhinein kann ich sagen, dass ich mir zu einem früheren Zeitpunkt professionelle Hilfe hätte holen sollen“, sagt Detzel heute. „Das kann ich anderen Existenzgründern raten: Man muss nicht alles selbst erledigen.“
Der dritte Selbstständige im Bunde, Oliver Ingenleuf, hat kein Unternehmen übernommen, sondern von Grund auf neu gegründet. „Ich habe meine Ausbildung gemacht, beim Abschleppdienst und Renault gearbeitet“, sagt Ingenleuf. „Ich dachte: Schrauben kann ich, das ist keine Herausforderung mehr.“Also fing er an, mit Autoteilen zu handeln. Heute ist Autoteile Ingenleuf ein weltweiter Onlineshop, ist in fünf Sprachen gelistet, beinahe die Hälfte der Teile wird ins Ausland verschickt. Alle Kontinente sind dabei, außer der Antarktis. Zudem beschäftigt sich das Unternehmen mit dem Recycling von Fahrzeugen. „Es ist fast zu groß geworden“, sagt Ingenleuf humorvoll. „Man hätte sich auch spezialisieren können.“
Ein Hindernis in dieser Zeit war für Ingenleuf der bürokratische Aufwand für den Bau seiner Lagerhalle. Mit 42 Ordnern voller Anträge und Schriftwechsel habe er auf den Weg gebracht, um seine Recyclinganlage zu realisieren. Ein Jahr lang habe der Umzug gedauert. Nun kann er sich vorstellen einen Teil des Unternehmens auszulagern. Und vielleicht eines Tages auch in die Antarktis zu liefern.