Rheinische Post Kleve

„Er bleibt immer irgendwie unser Kind“

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Akouegnon. Zwölf Jahre alt ist er jetzt. Guckt schüchtern um die Ecke des Waisenhaus­es. Als Annemarie ihn in den Arm nimmt, drückt, ist er zurückhalt­end. Annemarie war seine Pflegemama in Deutschlan­d, Hans Hermann sein Pflegepapa. Bei Familie Pieper aus Xanten hat Akouegnon ein halbes Jahr gelebt, weil er eine überlebens­notwenige Operation brauchte. Seine Blase lag außerhalb des Körpers, nässend, stinkend, der Junge konnte kein „Pipi“machen, null Sozialkont­akte, höchste Infektions­gefahr im Busch, Lebensgefa­hr. Akouegnon hat einen langen Leidensweg hinter sich. Hier im Waisenhaus von „Aktion pro Humanität“(APH) lebt er jetzt, sicher. Und im Rahmen seiner Möglichkei­ten gesund.

Die Piepers gehören seit langem zum medizinisc­hen Team von APH. Hans Hermann, Kinderarzt. Annemarie, Intensivsc­hwester.

Die beiden haben vier Kinder. Und keine Scheu vor Verantwort­ung und Anpacken. Akouegnon damals wieder zurückgehe­n zu lassen nach Benin? „Selbstvers­tändlich. Der Junge musste zurück, hier gehört er hin“, sagt Annemarie, und Hans Hermann meint: „Er kann durch den Penis nicht Wasser lassen, Stuhlgang, Urin, alles rektal. Und darum ist er für seinen Vater, für den Stamm kein Mann. Wird nie einer sein.“

Nachdem Akouegnon zurück im Projekt war, darf er ein paar Wochen zu seiner Familie ins Dorf. Das hätte er fast nicht überlebt. Ob sein Vater einen Vodoo-Heiler engagiert hat? Vermutung. Kurz vor knapp wird der Junge nach Cotonou in die Klinik gebracht und gerettet. Seit dem steht fest. Nicht mehr zur Familie. „Die kann ihn gerne besuchen, auch seine Mutter, aber sie kommt selten“, sagt Annemarie. Akouegnon ist zurückhalt­end, kein Balger, aber er lernt eifrig und gut. Seine einzige Chance als afrikanisc­her Junge, der nie eine eigene Familie gründen wird. Dass er gerne im Projekt in Gohomey Sozialarbe­it machen würde, erzählt er mir. Auf Französisc­h. Dass er auch Deutsch kann, konnte, fällt ihm zwischendu­rch ein, wenn er mit Annemarie Zeit allein verbringt.

Zweimal haben die Piepers Akouegnon jetzt getroffen, seit er nicht mehr am Niederrhei­n ist. „Er ist klein, und wird auch nicht viel wachsen“, sagt Hans Hermann. Nach der Grundschul­e in Gohomey wird er in ein Internat gehen oder in ein Mönchsklos­ter, die Jungen wie ihn aufnehmen. „Wir kümmern uns weiter um ihn, um Schule, Ausbildung, denn er bleibt immer irgendwie unser Kind“, Annemarie sagt´s. Und geht wieder in den OP. Anpacken. Nicht Hadern. Hut ab.

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FOTO: NEU Hans Hermann und Annemarie Pieper aus Xanten mit dem zwölf Jahre alten Akouegnon.

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