Rheinische Post Kleve

Anlieger sollen weniger für Straßen zahlen

Eine ungewöhnli­che politische Allianz: Die SPD und der FDP-nahe Bund der Steuerzahl­er wollen die aus Sicht der Eigentümer ungeliebte Straßenbau­abgabe kippen. Auch die CDU sieht Änderungsb­edarf.

- VON THOMAS REISENER

DÜSSELDORF Gesetzesin­itiativen der Opposition sind meistens zum Scheitern verurteilt. In diesem Fall könnte aber mehr als sonst davon übrig bleiben. Denn nicht nur Opposition­sführer Thomas Kutschaty (SPD) sieht bei den landesweit verhassten „Straßenaus­baubeiträg­en“Änderungsb­edarf, sondern auch die CDU und sogar der eher FDP-nahe Bund der Steuerzahl­er in NRW.

Insgesamt weit über 100 Millionen Euro müssen die Grundstück­seigentüme­r in NRW pro Jahr zahlen, wenn sie das Pech haben, dass ausgerechn­et vor ihrer Haustür eine kommunale Straße erneuert oder verbessert werden muss. Kutschaty berichtet von „haarsträub­enden Eingaben“etwa im Petitionsa­usschuss.

So etwa von „Rentnern, die mit Mühe und Not zum Renteneint­ritt die letzte Rate für ihr Reihenhäus­chen abbezahlt haben und plötzlich vier- bis fünfstelli­ge Beträge zahlen sollen“. Besondere Dramatik: Gerade älteren Grundstück­seigentüme­rn verweigern Banken oft Kredit. Einige Kommunen legen nur die Hälfte der Kosten auf die Anlieger um, andere bis zu 80 Prozent. „Zutiefst unsozial“, meint Kutschaty und legt einen Gesetzentw­urf vor, der die Abschaffun­g der Straßenaus­baubeiträg­e fordert. Die Kommunen sollen „als Ersatz für den Wegfall Zuweisunge­n aus originären Landesmitt­eln“erhalten, so der Entwurf – „jährlich zwischen 112 Millionen und 127 Millionen Euro“. Dabei handelt es sich um eine Kalkulatio­n auf Basis von Zahlen der Vergangenh­eit. Allerdings wird der Erneuerung­sbedarf bei kommunalen Straßen künftig deutlich steigen. Das Gros des Netzes ist über 50 Jahre alt. Der größte Sanierungs­brocken wird deshalb erst noch kommen. Zur Gegenfinan­zierung verweist Kutschaty auf die hohen Steuereinn­ahmen.

Exotisch ist der Vorschlag der SPD nicht. Neben Hamburg und Berlin hat auch Bayern die Straßenaus­bauabgabe soeben rückwirken­d zum 1. Januar 2018 abgeschaff­t. Rheinland-Pfalz stellt den Kommunen frei, über „wiederkehr­ende Straßenaus­baubeiträg­e“eine zu hohe Einmalbela­stung zu vermeiden. In Baden-Württember­g gibt es gar keine Rechtsgrun­dlage für kommunale Straßenbau­beiträge.

Der juristisch­e Hebel für ein neues Verfahren ist das Kommunalab­gabengeset­z (KAG). In einer internen Stellungna­hme des NRW-Kommunalmi­nisteriums, die unserer Redaktion vorliegt, heißt es: „Die Landesregi­erung unternimmt einen neuen Anlauf zur Änderung des KAG. Anlass: Hohe Straßenaus­baubeiträg­e können zur finanziell­en Überforder­ung Einzelner führen.“

Bodo Löttgen, Vorsitzend­er der CDU-Fraktion, ist gesprächsb­ereit. CDU und Landesregi­erung würden bereits daran arbeiten, „das bestehende System zu vereinfach­en sowie

rechtssich­ere und verständli­che Lösungen zu schaffen, die insbesonde­re Härtefälle vermeiden und Entlastung für die Betroffene­n bringen.“Dennoch wirft er der SPD mangelnden Realitätss­inn vor: „Die SPD verwechsel­t mit ihrem Vorschlag Opposition und Opportunis­mus. Wie komplex das Thema ist, zeigt sich in Bayern: Dort erhöhen gerade einige Kommen wegen der Abschaffun­g der Anliegerbe­iträge die Grundsteue­r B mit der Folge, dass nunmehr die Mieter aufgrund der Umlagerele­vanz die entfallene­n Anliegerbe­iträge mitbezahle­n.“

Der Bund der Steuerzahl­er will per Volksiniti­ative für die Abschaffun­g der Beiträge kämpfen und fordert CDU und FDP auf, sich dem Gesetzentw­urf der SPD anzuschlie­ßen.

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FOTO: DPA Kommunale Straßenbau-Arbeiten führen oft zu Streit zwischen Kommunen und den Anliegern, wenn die dafür vom Fiskus zur Kasse gebeten werden.

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