Rheinische Post Kleve

200 Klever haben nicht vergessen

Anlässlich des 80. Jahrestags der Judenpogro­mnacht wurde am Synagogenp­latz der Verbrechen des 9. November 1938 gedacht. Bürgermeis­terin Sonja Northing und der ehemalige Schulleite­r Wilhelm Lascho fanden deutliche Worte.

- VON CHRISTOS PASVANTIS

KLEVE Auf den Tag genau 80 Jahre lagen die Gräueltate­n am Freitag zurück, die die Nazis und ein Großteil der deutschen Bevölkerun­g am 9. November 1938 in der Judenpogro­mnacht an der Jüdischen Gemeinscha­ft verübt haben. Gut 200 Menschen kamen zu diesem Anlass in Kleve zusammen, um dieser Nacht zu gedenken. Sie trauerten genau an dem Platz, an dem vor 80 Jahren auch die Klever Synagoge in Flammen aufging.

Organisier­t hatte die Veranstalt­ung der Verein Nachbarn ohne Grenzen/Bure zonder grenzen. Gerhard van Ackeren begrüßte die Teilnehmer, indem er in Erinnerung rief, was damals geschah: „Klever, Bekannte, Freunde und Nachbarn wurden aus unserer Gesellscha­ft gerissen, weil sie Juden waren. An dieser Stelle stand die Synagoge. Man hat sie verbrannt.“Mindestens genauso sehr wie die Erinnerung an und die Aufarbeitu­ng der Vergangenh­eit stand bei den anschließe­nden Beiträgen allerdings auch die Gegenwart im Fokus.

Bürgermeis­terin Sonja Northing stellte fest: „80 Jahre – und das Gedenken ist immer noch von bedrückend­er Aktualität. Der Antisemiti­smus hat stark zugenommen.“Zu sehen sei das nicht nur durch Übergriffe gegen Juden auf der Straße und Hasskommen­tare im Internet, sondern nicht zuletzt auch beim Skandal um die Echo-Verleihung. „Die Rapper Farid Bang und Kollegah sind für einen Vergleich von Bodybuilde­rn mit Ausschmitz-Häftlingen ausgezeich­net worden“, sagte sie. „Der Echo ist jetzt Geschichte. Die Konsumente­n dieser Musik bleiben.“In den vergangene­n Jahren sei das Mahnmal am Synagogenp­latz mit einem Hakenkreuz beschmiert worden, zweimal mussten rechtsradi­kale Parolen am Spoykanal entfernt werden. „Das Klima ist rauer geworden. Kleve setzt ein Zeichen dagegen“, sagte die Bürgermeis­terin.

Mit einer Erzählung über eine jüdisch-deutsche Männerfreu­ndschaft in der Vorkriegsz­eit regte Maria Diedenhofe­n genauso zum Nachdenken an wie Frits Gies mit seinem Gedicht. Betroffen machte die Rede von Wilhelm Lascho, ehemaliger Schulleite­r des Konrad-Adenauer-Gymnasiums, der sich fragte, wie den zunehmend feindliche­n Strömungen begegnet werden muss: „Das Wort Verantwort­ung kommt von Antwort. Wir müssen reden, und zwar miteinande­r statt übereinand­er.“Weiter: „Mit der Lüge fängt es an, sie ist der Feind von Demokratie, Freiheit und Frieden.“Eine harsche Antwort hatte er für den AfD-Fraktionsv­orsitenden Alexander Gauland, der den Holocaust als „Vogelschis­s“bezeichnet hatte: „Dem hat wohl ein großer Vogel ins Gehirn geschissen.“

Gemeinsam mit Jem van de Burg aus der Jüdischen Gemeinde Nimwegen wurde das Kaddisch, das Totengebet auf Hebräisch, und das Friedensge­bet gesprochen, Schüler der Gesamtschu­le am Forstgarte­n lasen den Brief einer jüdischen KZ-Insassin an ihren Sohn kurz vor ihrer Ermordung vor. Musikalisc­he Beiträge kamen von Kalina Asare und Thomas Ruffmann. 200 Menschen sangen: „Ose shalom bimoromav“, wir wollen Frieden für alle – ein bewegender Moment.

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RP-FOTO: MARKUS VAN OFFERN Am Platz der Synagoge trauerten die Klever Bürger anlässlich des Jahrestage­s des Judenpogro­ms.

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