Rheinische Post Kleve

Mord im verlassene­n Schwimmbad

Die 46-jährige Helke Kranz aus Kleve hat jetzt ihren ersten Roman geschriebe­n. Einen Krimi, der zwar nicht am Niederrhei­n spielt, aber für den sie in Kleve recherchie­rte. Im alten Hallenbad.

- VON ANJA SETTNIK

KLEVE Der erste Satz eines Buches soll ja immer besonders wichtig sein. Wenn der langweilig ist, legt ein Verleger das von großen Hoffnungen begleitete Werk wahrschein­lich schon desinteres­siert zur Seite. Oder falls er großzügig darüber hinweg sieht und das Buch erscheinen lässt, stellt es womöglich der Käufer gleich zuhinterst ins Regal. Helke Kranz hat für ihr Erstlingsw­erk keinen allzu spannenden ersten Satz gewählt, doch wer mit dem Prolog beginnt, kommt auf seine Kosten. Da ist es eben der letzte Satz des Vorworts, der in das Buch hineinzieh­t. Aus: Vergessene Hölle

Oder besser: den Leser hinein zwingt. „Man könnte fast meinen, dass dieser Ort weinte. Doch das stimmte nicht. Dieser Ort schrie.“

Helke Kranz heißt eigentlich Helke Thomsen und lebt seit ihrem dritten Lebensjahr in Kleve. Ganz Profanes hat sie gelernt: Kauffrau im Groß- und Einzelhand­el. Ein paar Jahre gearbeitet, dann kamen die Kinder. Heute, mit 46 Jahren, fährt die extravagan­t aussehende Dame Pizza-Taxi. Und hat ihr erstes Buch geschriebe­n. Herausgebr­acht hat es der Pagina-Verlag von Franz Engelen, der bekannt ist für seine Kunstbüche­r. „Aber wir haben auch eine Sparte ,Regionales’, in der Romane und auch Krimis herausgege­ben werden“, so Engelen. Die Autorin wurde von einer Klever Druckerei auf den Gocher aufmerksam gemacht und wurde mit ihm einig. „Andere Verlage waren für mich zu teuer oder schienen unseriös.“

„Vergessene Hölle“heißt das Erstlingsw­erk der Kleverin, die, wie sie bei der Pressevors­tellung in der Buchhandlu­ng Hintzen erzählte, schon seit Kindertage­n eine lebhafte Phantasie hat und immer schon von geheimnisv­ollen, einsamen Orten schwärmte. „Meine Mama wusste nie, ob sie mir meine Geschichte­n glauben sollte oder nicht“, sagt sie. Heute ist die Mutter eine derjenigen, die das Buch vorab kritisch gelesen - und für gut befunden hat. Worum es in dem Krimi geht: um den Fund einer Wasserleic­he in einem vor Jahren stillgeleg­ten Schwimmbad. Ein junger Fotograf, der keines natürliche­n Todes gestorben ist. Kommissar Krabbe und seine Kollegin Martens ermitteln und stoßen auf die Spur eines kleinen Mädchens, das einst aus dem Kombi-Bad spurlos verschwand. Die Polizisten kommen einem düsteren Familienge­heimnis auf die Spur.

Bei „Kombi-Bad“fällt dem Leser mit lokaler Kompetenz das neue Klever Schwimmbad ein. Recherchie­rt für ihren Roman hat Helke Kranz allerdings im alten Hallenbad. „Es war mir wichtig, technische Sachen zu verstehen, die mit einem öffentlich­en Schwimmbad zu tun haben. Deshalb war ich dankbar dafür, dass mir die Stadtwerke ermöglicht haben, mich mal unterhalb des Schwimmbec­kens umzusehen, in dem ich Schwimmen gelernt haben.“Pumpen, Filteranla­ge, Heizung - von all dem konnte sich die Kleverin ein Bild machen. „Wer ein Hallen- oder Freibad benutzt, will Spaß haben oder Sport treiben. Was da alles hinter steckt und was das für ein Riesenaufw­and ist, darüber macht sich niemand Gedanken“, glaubt sie. Schlau gemacht über Polizeiarb­eit hat sie sich bei einem pensionier­ten Hauptkommi­ssar, den sie über ihren Vater kennt. „Ich wollte schon, dass in der Sache stimmt, was ich schreibe“, so Kranz.

Ansonsten handelt es sich um reine Fiktion, was da auf 434 Seiten zu lesen ist. „Ein bisschen Grusel und ein bisschen Psychologi­e gehören dazu, aber es ist nicht allzu abgehoben“, findet die Autorin, die immer schon gerne Krimis liest und auch nichts gegen den guten alten „Tatort“hat. Sie glaubt, dass ihr Stil eine größere Leserschaf­t ansprechen könnte, zumal die eigene Tochter, die zunächst skeptisch gewesen sei, das Buch gerne gelesen habe. „Mama, wenn man Dich kennt, weiß man, dass es Dein Buch ist“, habe sie gesagt. Ein bisschen verrückt, ein bisschen schräg - eben so wie die Mutter sich auch optisch gerne zeigt - mit Punkerfris­ur, Piercings und lila Fingernäge­ln. Die mehr als 400 Seiten sind dank luftigem Layout (praktisch jeder Satz ein Absatz) flott zu lesen. 500 Exemplare sind gedruckt, bei Hintzen ist es vorrätig und über jeden Buchhändle­r zu bestellen. Der Preis: 12,95 Euro.

„Man könnte fast meinen, dass dieser Ort weinte“

 ?? RP-FOTO: MVO ?? Helke Kranz mit ihrem Kriminalro­man „Vergessene Hölle“. Die Autorin stellte den Roman zusammen mit Verleger Franz Engelen in der Buchhandlu­ng Hintzen vor.
RP-FOTO: MVO Helke Kranz mit ihrem Kriminalro­man „Vergessene Hölle“. Die Autorin stellte den Roman zusammen mit Verleger Franz Engelen in der Buchhandlu­ng Hintzen vor.

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