Rheinische Post Kleve

Wer hilft, wenn der Bauch schmerzt?

Gallenstei­ne und Blutungen in Magen und Darm sind weniger dringlich als eine verstopfte Arterie, aber ebenso gefährlich. Allerdings wissen viele Patienten die Schmerzen und Symptome nicht richtig einzuordne­n.

- VON VERENA KENSBOCK

KREIS KLEVE Was Dr. Kerem Bulut im St. Clemens Hospital macht, ist vielen Patienten kein Begriff: Gastroente­rologie. Der Chefarzt kümmert sich auf seiner Station um alles, was in Magen und Darm passiert. Das Problem: Viele Patienten können die Symptome eines Notfalls und dessen Gefahren nicht richtig zuordnen.

„Meist handelt es sich um Blutungen im oberen oder unteren Magen-Darmtrakt“, sagt der Chefarzt. Im schlimmste­n Fall zeigen sich die Notfälle durch Erbrechen von Blut, zum Beispiel bei Magengesch­würen. Der sogenannte Teerstuhl, also schwarzer Stuhl, deutet

„Mit jedem Moment, in dem der Gallengang nicht abfließt, wird es gefährlich­er“

Kerem Bulut Chefarzt Gastroente­rologie

darauf hin, dass zum Beispiel eine Krampfader in der Speiseröhr­e geplatzt ist. Auch bei Blut im Stuhl sollten Patienten einen Arzt aufsuchen. Begleitet werden die Symptome oft von Kreislaufp­roblemen, Blässe und körperlich­e Schwäche, bin hin zum Schock – je nach dem, wie viel Blut der Patient verloren hat. Etwa 60 Patienten mit solchen Blutungen behandelt Kerem Bulut im Jahr. „Dann müssen wir wirklich schnell reagieren“, sagt der Chefarzt.

Zu den Notfällen gehören auch Gallenstei­ne, die sich im durch den Gallengang wandern, dort stecken bleiben und dabei eine Infektion verursache­n können. Wenn Steine den Ausgang der Gallenblas­e blockieren, rufen sie meist Koliken mit krampfarti­gen Schmerzen hervor, die in den Oberbauch und sogar bis in die rechte Schulter hinauf ausstrahle­n können. „Das System versucht, den Stein herauszusc­hleusen“, sagt Bulut. „Darum ist es so schmerzhaf­t.“Auch Fieber und Schüttelfr­ost, Überlkeit und Erbrechen können auftreten, Haut und Augen sich gelb färben. „Mit jedem Moment, in dem der Gallengang nicht abfließt, wird es gefährlich­er“, sagt Bulut. Stehende Galle sei ein ebenso ernstes Problem wie eine verstopfte Arterie – allerdings habe der Patient mehr Zeit. „Nach etwa 24 Stunden kann es so zur Blutvergif­tung kommen.“

Auch wenn ein Gegenstand oder ein Stück Essen in der Lebensmitt­elröhre feststeckt, ist das ein akuter Notfall. „Das kommt häufiger bei Kindern vor“, das Kerem Bulut. „Aber auch Patienten mit einem Stück Fleisch in der Speiseröhr­e hatten wir schon hier.“

Fast jeder Patient kommt auf der Station im St. Clemens Hospital zunächst auf den Röntgentis­ch. Seit etwa zwei Jahren hat die Gastroente­rologie ihren Platz im St. Clemens Hospital gefunden, wo einst die Radiologie war. Dort wird ein Draht über ein Endoskop durch den Mund in den Gallengang eingeführt. „Dabei kommt es auf Millimeter an“, sagt der Chefarzt. „Es ist, als versuchte man, aus drei Metern Entfernung einen Draht in ein Schlüssell­och zu führen.“Gallenstei­ne werden dann mit einem kleinen Netz gegriffen und entfernt.

Bei Blutungen identifizi­eren die Ärzte zunächst die betroffene Stelle. In einigen Fällen wird dann eine Flüssigkei­t injiziert, die die Stelle wie ein Kleber verhärtet und am Bluten hindert. Besonders schwere Blutungen können auch mithilfe von Gummibände­rn gestoppt werden.

Für eine Blutung aus dem Verdauungs­trakt kann es verschiede­ne Ursachen geben, zum Beispiel Magengesch­würe, Tumore, eine Magenschle­imhautentz­ündung oder auch Schmerzmit­tel mit entzündung­shemmender Wirkung.

Auslöser für Gallenstei­ne sind bei einigen Patienten die Gene. Viel häufiger sind aber Übergewich­t und zu wenig Bewegung Schuld. Generell sind Frauen häufiger von gastroente­rologische­n Notfällen betroffen als Männer, das Risiko steigt noch mit dem Alter.

Ein Irrtum ist aber, dass Gallenstei­ne mit Cholesteri­n zusammenhä­ngen. Auch wenn mehr als 90 Prozent aller Gallenstei­ne aus diesem Naturstoff bestehen, den alle Menschen mit der Nahrung zu sich nehmen, spielt er bei der Entstehung von Gallenstei­nen eine relativ geringe Rolle. Vielmehr begünstigt eine kalorienre­iche Ernährung mit vielen Kohlenhydr­aten die Bildung der mitunter schmerzhaf­ten Steine.

 ?? RP-FOTO: EVERS ?? Chefarzt der Gastroente­rologie, Dr. Kerem Bulut, und leitende Schwester, Jutta Pullich, am Röntgenbil­d eines Patienten.
RP-FOTO: EVERS Chefarzt der Gastroente­rologie, Dr. Kerem Bulut, und leitende Schwester, Jutta Pullich, am Röntgenbil­d eines Patienten.

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