Im Kreis ist Grippe-Impfstoff Mangelware
Patienten und Apotheker schlagen Alarm, weil der Grippe-Impfstoff praktisch nicht mehr zu bekommen ist. Das bestätigt auch der Kreisapotheker. Doch das NRW-Gesundheitsministerium gibt Entwarnung.
KREIS KLEVE Seit Jahren schon lässt sich Jürgen Stegemann aus Hamminkeln im Spätherbst gegen Grippe impfen. Und obwohl er schon Anfang November in der Apotheke den sogenannten viervalenten Totimpfstoff bestellt hatte, bekam er jetzt das Rezept von seinem Apotheker zurück. Und zwar mit dem Hinweis, dass in ganz Deutschland kein Grippe-Impfstoff mehr verfügbar sei. „Auch mein Versuch, in verschiedenen Praxen anzurufen und nach möglichen Restbeständen zu fragen, ist fehlgeschlagen“, sagt der 71-Jährige.
Dass Thomas Preis, der Vorsitzende des Apothekerverbandes Nordrhein, kürzlich verkündet hatte, dass jeder, der geimpft werden wolle, auch geimpft werde, klingt für ihn wie ein Hohn. „Ich will geimpft werden. Aber wo bekomme ich jetzt den Impfstoff her?“Sein Versuch, beim Apothekerverband Nordrhein in Düsseldorf eine Antwort zu bekommen, ist kürzlich fehlgeschlagen.
Wie Jürgen Stegemann geht es in diesen Tagen vielen Menschen in der Region. Auch im Kreis Kleve sind Grippe-Impfmittel derzeit so gut wie nicht zu bekommen. Was aber sollen die Kunden tun, die sich noch impfen lassen wollen? Eine Frage, die sich auch Ulrich Schlotmann, der Sprecher der Apotheker im Kreis Kleve stellt. „Es gibt praktisch keinen Impfstoff mehr. Patienten brauchen viel Glück, eine Arztpraxis mit Vorräten zu finden“, sagt er.
Schuld seien seiner Meinung nach auch die Verbraucher selbst. „Wir haben in den vergangenen Jahren in Form von Kampagnen immer daran appelliert, sich frühzeitig impfen zu lassen. Das wurde aber zu wenig wahrgenommen. Deswegen sind wir manchmal auf den Impfstoffen sitzen geblieben“, sagt er. In der Folge sei eben weniger geordert worden. In diesem Jahr gebe es eine, so Schlotmann, „komische Gemengelage“: ein früher Andrang von Menschen, die sich impfen lassen wollen, und ein großer Mangel an Impfstoff.
Dass sich deutlich mehr Menschen gegen die Grippe impfen lassen wollen als sonst, ist auch der Eindruck von Thomas Preis. Auf Anfrage unserer Redaktion erklärt der Vorsitzende des Apothekerverbandes Nordrhein, dass allerdings in diesem Jahr deutlich mehr Impfstoffe produziert und ausgeliefert wurden als im vergangenen Jahr. „Es ist richtig, dass die meisten Apotheken keinen Impfstoff mehr haben. Es sei denn, dass sie Mittel schon aus dem Ausland importiert haben.“Das nämlich ist möglich, seit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn jüngst einen „Versorgungsengpass“ausgerufen hat. Damit, erklärt Thomas Preis, gebe es nun die Möglichkeit, dass das Land NRW die Einfuhr von Impfstoffen aus dem Ausland erlaube. Unabhängig davon ist Thomas Preis überzeugt, dass viele Arztpraxen für Angehörige von Risikogruppen (zum Beispiel Senioren) noch Impfstoffe vorrätig haben.
Obwohl es offenbar in ganz Europa keine Impfstoffe mehr gibt, sollen sie importiert werden dürfen? Wie ist das zu verstehen? Eine Nachfrage beim NRW-Gesundheitsministerium brachte jetzt Klarheit. Es sei so, teilte Ministeriums-Sprecher Axel Birkenkämper mit, dass aufgrund des Versorgungsmangels „Impfstoffe, die normalerweise nicht zum Verkehr im Geltungsbereiches des Arzneimittelgesetzes zugelassen sind, befristet in Deutschland in Verkehr gebracht werden dürfen. Diese dann verkehrsfähigen Arzneimittel können von nordrhein-westfälischen Apotheken bezogen und an Ärzte weitergegeben werden.“Weiterhin teilt Birkenkämper mit, dass bald die Firma Kohlpharma aus dem Saarland einst nach Schweden exportierten
Grippe-Impfstoff nun wieder einführt. „Wer sich also impfen lassen will, der sollte sich an seinen Apotheker wenden“, empfiehlt Birkenkämper.
Nun wird es also Aufgabe von Ulrich Schlotmann und seinen Kollegen in der Region sein, Kontakt mit Kohlpharma beziehungsweise der Firma Mylan Healthcare (Hannover) aufzunehmen, die ebenfalls Grippe-Impfstoff importieren und an Apotheken in Nordrhein-Westfalen ausliefern soll.
Thomas Preis, von unserer Redaktion über die Antwort des Gesundheitsministeriums in Kenntnis gesetzt, erklärte, dass sich „das doch alles gut anhört. Ich kann nur sagen, dass Arztpraxen und Apotheker gemeinsam an einer Lösung arbeiten und dass wir bislang nur von einigen Einzelfällen gehört haben, wo es schwierig geworden ist.“Die Situation, dass Interessenten nicht sofort den gewünschten Grippe-Impfstoff bekommen, „haben wir normalerweise im Februar oder März. Aber in diesem Jahr ist einfach die Impfbereitschaft in der Bevölkerung größer.“