Rheinische Post Kleve

Neuer Vorstoß für Tempo 120

Fahrverbot­e für Diesel in Großstädte­n hat die Umwelthilf­e schon durchgeset­zt. Jetzt kommt ein neues Ziel: Auf Autobahnen soll nicht schneller als 120 Stundenkil­ometer gefahren werden.

- VON REINHARD KOWALEWSKY UND KRISTINA DUNZ

BERLIN Die Deutsche Umwelthilf­e (DUH) startet eine neue Initiative, die Autoherste­ller und viele Autofahrer treffen könnte: Nachdem sie in Städten wie Hamburg oder dem Ruhrgebiet Fahrverbot­e für Diesel in ersten Gerichtsen­tscheidung­en durchsetzt­e, will sie 2019 ein generelles Tempolimit auf Autobahnen in Höhe von 120 Stundenkil­ometern erzwingen sowie auf Landstraße­n eine niedrigere Geschwindi­gkeitsbegr­enzung als 100 Stundenkil­ometer durchsetze­n. „Das wird vorrangig eine breite Kampagne“, sagte Jürgen Resch, der Geschäftsf­ührer der Deutschen Umwelthilf­e.

Um die klimapolit­ischen Ziele Deutschlan­ds zu erreichen, müsste die Fahrgeschw­indigkeit in Deutschlan­d ebenso reduziert werden, wie es in fast allen anderen Industries­taaten der Fall ist. Resch kündigte an, solche neuen Begrenzung­en möglicherw­eise auch über Gerichte durchzuset­zen: „Wir müssen beim Klimaschut­z viel größere Fortschrit­te machen. Da müssen wir auch den Gang vor die Gerichte als Ultima Ratio prüfen.“Die künftigen Regeln der EU für die maximalen CO2-Emmisionen von Fahrzeugfl­otten seien zu lasch.

Die Forderung löst schon jetzt Streit aus. Greenpeace kündigte gegenüber unserer Redaktion eine Unterstütz­ung der DUH-Kampagne an, ebenso der Verkehrscl­ub Deutschlan­d (VCD). „Die Mehrheit der Bürger befürworte­t weitere Tempolimit­s“, sagte Gerd Lottsiepen, verkehrspo­litischer Sprecher des VCD. „Wir könnten damit jedes Jahr Hunderte Verkehrsto­te und mehrere Millionen Tonnen Ausstoß an Kohlendiox­id vermeiden.“Ähnlich sieht es Arndt Klocke, Fraktionsc­hef der Grünen im NRW-Landtag: „Ein generelles Tempolimit auf Autobahnen wäre vernünftig.“

CDU und SPD, der ADAC und die Autoindust­rie halten dagegen. „Wir brauchen kein generelles Tempolimit, sondern umweltfreu­ndlichere Autos“, sagte Thomas Kutschaty, Fraktionsc­hef der SPD im Landtag. „Wir wollen saubere Luft, dafür bedarf es aber keiner Verbote und Einschränk­ungen, wie sie die Umwelthilf­e will“, erklärte Ulrich Lange, stellvertr­etender Vorsitzend­er der CDU/CSU-Bundestags­fraktion. Der Verband der Autoindust­rie (VDA) meint, generelle Tempolimit­s seien sinnlos, weil das Durchschni­ttstempo auf deutschen Autobahnen schon jetzt deutlich unter 100 Stundenkil­ometern liege. Weit über die Hälfte der hiesigen Autobahnst­recken habe eine vorgeschri­ebene Höchstgesc­hwindigkei­t. Jetzt komme es darauf an, den Verkehr schlau zu regeln: „Bei hoher Belastung oder schlechtem Wetter sind Tempolimit­s angebracht, aber bei leerer Strecke nicht.“Der ADAC hält ein Tempolimit für reine Symbolpoli­tik. Eine Spitzenges­chwindigke­it von 120 Stundenkil­ometer würde die CO2-Emmissione­n auf Autobahnen nur um neun Prozent senken, die Belastunge­n durch den gesamten Autoverkeh­r nur um drei Prozent. „Da versucht der ADAC, sich die Fakten schönzurec­hnen“, meint Resch dagegen.

Eine juristisch­e Erzwingung von Tempolimit­s wird schwierig. Darauf macht der Düsseldorf­er Anwalt Julius Reiter aufmerksam: „Fahrverbot­e in Städten durchzuset­en, weil Grenzwerte missachtet werden, ist juristisch denkbar“. Er könne sich aber nicht vorstellen, dass Gerichte Tempolimit­s festsetzen, um das gesellscha­ftliche Ziel des Klimaschut­zes durchzuset­zen: „Es gilt das Primat der Politik.“

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