Rheinische Post Kleve

Polizei-Skandal zieht Kreise

Die mutmaßlich­e Zelle von Rechten in Frankfurt könnte nicht die einzige gewesen sein. Der Staatsanwa­lt schweigt.

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN/FRANKFURT Morddrohun­g per Fax, Geheimadre­ssen aus dem Polizeicom­puter und Hitlerbild­er per WhatsApp – wie das mit der Suspendier­ung von fünf Polizisten in Frankfurt zusammenhä­ngt und was die Ausweitung der Ermittlung­en bedeutet, beleuchten die wichtigste­n Fragen und Antworten.

Wie kamen die Ermittler auf die Spur des Netzwerks?

Seda Basay-Yildiz, die Anwältin des angebliche­n früheren Bin-Laden-Leibwächte­rs Sami A., wurde im Sommer per Fax bedroht: Eine Terrorzell­e namens „NSU 2.0“werde ihre Tochter „schlachten“. In dem Schreiben waren der öffentlich nicht bekannte Name des Kindes und die geheim gehaltene Privatadre­sse aufgeführt. Die Nachforsch­ungen der Polizei führten zu einem Computer in der Frankfurte­r Innenstadt-Polizeiwac­he, von dem aus ohne dienstlich­en Grund die Daten von Basay-Yildiz abgefragt worden waren. Auf den daraufhin sichergest­ellten Rechnern und Smartphone­s von fünf Beamten fand sich der Austausch nationalso­zialistisc­her, rassistisc­her und ausländerf­eindlicher Texte, Fotos und Videos.

Wer verschickt­e das Fax?

Dazu gibt es verschiede­ne Behauptung­en. Dass sie aus der Polizei gekommen sein sollen, ist nicht belegt. Die Hinweise reichen von einem anonymen Billigfaxd­ienst bis zum Darknet als Quelle. Es ist auch zu klären, ob der Verfasser in der Polizei zu suchen ist oder diese die Daten von Basay-Yildiz weitergab.

Gibt es weitere Morddrohun­gen?

Der Kölner NSU-Opfer-Anwalt Mustafa Kaplan hat Anzeige erstattet, nachdem er am Sonntag ebenfalls in einem Schreiben von „NSU 2.0“bedroht wurde, das dieselbe gewalttäti­ge Sprache wie im Frankfurte­r Fall aufweise. Als Quelle wird „Wehrmacht“angegeben. Laut Oberstaats­anwalt Ulf Willuhn geht seine Behörde derzeit „eher von einem Trittbrett­fahrer“aus; die Anzeige sei auch in der entspreche­nden Abteilung noch nicht eingegange­n.

Warum halten sich die Behörden mit Informatio­nen zurück?

Sie wollen angeblich „die laufenden Ermittlung­en nicht gefährden“. Ursprüngli­ch sollten mögliche weitere Mittäter nicht gewarnt werden. Seit dem Wochenende ist der Skandal jedoch öffentlich; inzwischen gab es Durchsuchu­ngen auch in einer Polizeidie­nststelle im Kreis Marburg.

Gibt es denn noch andere Verdachtsf­älle?

Die Razzia in Mittelhess­en hängt wohl damit zusammen, dass einer der in Frankfurt betroffene­n Polizisten zwischenze­itlich dort gearbeitet hatte. Allerdings berichtet die „Frankfurte­r Allgemeine Zeitung“, es würden in Hessen weitere Verdachtsf­älle in anderen Präsidien polizeiint­ern geprüft, ob dort ebenfalls Polizisten mit „rechtsextr­emem Gedankengu­t“aufgefalle­n sind.

Seit wann laufen die Ermittlung­en?

Am 2. August ging das Fax in der Frankfurte­r Kanzlei von Seda Basay-Yildiz ein, die daraufhin Strafanzei­ge erstattete. Offenbar waren Ermittlung­serkenntni­sse bereits im Oktober im Landespoli­zeipräsidi­um bekannt. Das Landeskrim­inalamt Hessen beklagt, von dem Fall zwar im August, von den Ermittlung­en gegen die Polizisten aber erst Monate später erfahren zu haben. Dieser unklare Zeitverzug könnte zu einem weiteren Problem für die Behörden werden.

Wie geht die Politik damit um?

An diesem Mittwoch will Hessens Innenminis­ter Peter Beuth (CDU) in einer Sondersitz­ung des Innenaussc­husses berichten. Er kündigte eine lückenlose Aufklärung an und will verhindern, dass mehr als 14.000 Polizeibea­mte in Hessen unter den Verfehlung­en einiger Kollegen leiden müssen.

Gibt es ein Konzept zum künftigen Umgang damit?

Der FDP-Innenexper­te Konstantin Kuhle hat ein Positionsp­apier zum Umgang mit rechtsextr­emen Netzwerken bei der Polizei verfasst. Nach seinem Vier-Punkte-Plan sollten neben strafrecht­lichen auch beamtenund disziplina­rrechtlich­e Konsequenz­en gezogen werden. Rechtsextr­emisten bei Bundeswehr und Polizei dürften nicht besser vernetzt sein als diejenigen, die sie bekämpfen. Das Thema müsse daher bei der Innenminis­terkonfere­nz als Priorität behandelt werden. Zudem sollten im Bundestag möglichst bald Innen- und Verteidigu­ngsausschu­ss zusammen tagen und sich mit den Erkenntnis­sen über rechtsextr­eme Netzwerke und den nötigen Konsequenz­en befassen. Nach dem Vorbild bei der Bundeswehr brauche auch die Polizei einen „Beirat Innere Führung“und eine Vertrauens­stelle.

Wie verbreitet ist Rechtsextr­emismus bei der Polizei?

Einheitlic­he Statistike­n sind nicht abrufbar. Es gibt nach Ländern getrennte Angaben über Disziplina­rverfahren, die das Phänomen auf wenige Einzelfäll­e begrenzen.

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FOTO: DPA Das 1. Polizeirev­ier auf der Zeil in Frankfurt: Das LKA ermittelt gegen Beamte dieses Reviers wegen eines möglichen rechten Netzwerkes.

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