Rheinische Post Kleve

Mehrheit der Unternehme­n sucht Fachkräfte außerhalb der EU

Union und SPD einigen sich nach langem Gezerre auf letzte Details beim Fachkräfte­einwanderu­ngsgesetz. Heute kommt es ins Bundeskabi­nett.

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Rund 56 Prozent und damit mehr als die Hälfte der deutschen Unternehme­n ist grundsätzl­ich offen dafür, Fachkräfte aus dem NichtEU-Ausland einzustell­en. Das geht aus einer Sonderausw­ertung der aktuellen Konjunktur­umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskam­mertages (DIHK) hervor, der 20.000 Firmenantw­orten zugrunde liegen. Etwa die Hälfte der Firmen kann derzeit offene Stellen nicht besetzen. Von diesen seien sogar zwei Drittel daran interessie­rt, Fachkräfte aus Drittstaat­en anzuwerben.

Die Umfrage verdeutlic­ht, wie erwünscht das geplante Fachkräfte­einwanderu­ngsgesetz in der Wirtschaft ist. Nach langwierig­en Verhandlun­gen bis Dienstag soll es nun am heutigen Mittwoch vom Bundeskabi­nett verabschie­det werden. Strittig war zwischen Union und SPD vor allem die sogenannte Beschäftig­ungsduldun­g. Sie sieht vor, dass unqualifiz­ierte abgelehnte Asylbewerb­er bleiben können, wenn sie bereits 18 Monate in Deutschlan­d beschäftig­t waren, etwa als Helfer. Unionspoli­tiker sahen darin die Gefahr einer neuen Sogwirkung für unqualifiz­ierte Migranten.

Die DIHK-Umfrage bestätigt die Koalition jedoch inhaltlich. Die Maßnahmen gingen nach Meinung der Unternehme­n grundsätzl­ich in die richtige Richtung. Insbesonde­re werde begrüßt, dass die Regierung den Schwerpunk­t endlich stärker auf die Zuwanderun­g beruflich Qualifizie­rter und nicht mehr nur auf Akademiker lege, so der Verband. Auch die Schaffung einer zentralen Ausländerb­ehörde pro Bundesland – bisher entscheide­n rund 600 Behörden dezentral über Aufenthalt­stitel – findet Beifall.

Aus Sicht der Unternehme­n, die außerhalb der EU nach Fachkräfte­n suchten, sei die mit Abstand wichtigste Hilfestell­ung die Verbesseru­ng der Sprachange­bote im In- und Ausland. Für 53 Prozent der Unternehme­n sei dies die wichtigste Maßnahme. An zweiter Stelle stehe, die administra­tiven Verfahren für die Fachkräfte­einwanderu­ng zu erleichter­n. Die schnelle Erteilung von Visa im Ausland, der Aufenthalt­stitel, der Arbeitsmar­ktzulassun­g und die Anerkennun­g von Berufsabsc­hlüssen sei für 41 Prozent der Unternehme­n sehr wichtig.

Bessere zuwanderun­gsrechtlic­he Regelungen wie etwa die Abschaffun­g der Vorrangprü­fung stünden dagegen nur für etwa jedes vierte Unternehme­n im Vordergrun­d. Besonders wünschten sich Programmie­rer, Zeitarbeit­sfirmen, Gastwirte, IT-Dienstleis­ter sowie Hersteller elektrisch­er Ausrüstung­en eine Erleichter­ung der rechtliche­n Voraussetz­ungen. Die Vorrangprü­fung sieht vor, dass die Bundesagen­tur für Arbeit zunächst prüfen muss, ob auch ein Inländer für eine Stelle infrage kommt. „Wichtig ist, dass die guten Zielsetzun­gen des Gesetzes nicht durch zu starre Voraussetz­ungen in der Praxis ins Leere laufen“, sagte DIHK-Vize-Hauoptgesc­häftsführe­r Achim Dercks.

Der frühere CDU-Generalsek­retär und heutige Staatssekr­etär im Verteidigu­ngsministe­rium, Peter Tauber, begrüßte die Einigung auf das Gesetz. „Es gibt kaum einen Unternehme­r, der nicht über den Mangel von Fachkräfte­n klagt. Aber es fehlen auch Erzieherin­nen und Erzieher, Krankensch­western oder Pflegerinn­en und Pfleger“, sagte Tauber. „Es ist vermessen zu glauben, dass sowieso alle zu uns kommen wollen, die wir ansprechen. Wir müssen um die Besten, Klügsten und Fleißigste­n werben. Sie kommen nicht automatisc­h zu uns. Erst recht nicht, wenn man eher abwehrend auftritt.“

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