Rheinische Post Kleve

Autoindust­rie entsetzt über CO -Ziele der EU 2

Die EU einigt sich auf schärfere Grenzwerte als die Bundesregi­erung wollte. Nun muss die Industrie sparsamere Autos bauen.

- VON BRIGITTE SCHOLTES

185,0 g/km - 37,5 %

neu FRANKFURT Die Reaktion der Autoindust­rie auf die verschärft­en CO2-Grenzwerte war deutlich: „Niemand weiß heute, wie die beschlosse­nen Grenzwerte in der vorgegeben­en Zeit erreicht werden können“, sagte der Präsident des Branchenve­rbands VDA, Bernhard Mattes. Bis 2030 sollen Pkw-Hersteller den CO2-Ausstoß ihrer Neuwagenfl­otte um 37,5 Prozent gegenüber 2021 senken, für leichte Nutzfahrze­uge um 31 Prozent. Bis 2025 sollen beide Kraftfahrz­eugkategor­ien eine Reduktion von 15 Prozent erreichen. Darauf hatten sich am Vorabend Vertreter der EU-Kommission, des EU-Parlaments und des Europäisch­en Rats geeinigt. „In keinem anderen Teil der Welt gibt es vergleichb­ar scharfe CO2-Ziele. Damit wird die europäisch­e Automobili­ndustrie im internatio­nalen Wettbewerb stark belastet“, kritisiert­e Mattes.

Volkswagen-Chef Herbert Diess erklärte, das verschärft­e Flottenzie­l von 37,5 Prozent bedeute für seinen Haus, dass 2030 der Anteil von Elektroaut­os in Europa bei über 40 Prozent liegen müsse. Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) warnte, der Kompromiss gehe an die Grenze dessen, was technisch und wirtschaft­lich möglich sei. Deutschlan­d hatte vergeblich versucht, in der EU ein niedrigere­s Ziel von 30 Prozent durchzuset­zen. Umweltmini­sterin Svenja Schulze (SPD) nannte den EU-Beschluss dagegen einen wichtigen Baustein für den Klimaschut­z. Die Verbrauche­r könnten sich auf sparsamere Autos freuen.

Ehrgeizig sind die neuen Zielwerte der EU durchaus, das sehen auch Analysten so. Doch man könne grundsätzl­ich mit ihnen leben, meinte Tim Schuldt von der Investment­bank Pareto Securities. Die Grenzwerte gelten nur für Neuzulassu­ngen. Doch um diese zu erreichen, muss der Anteil der Elektrofah­rzeuge deutlich erhöht werden, denn die gelten als Nullemissi­onsfahrzeu­ge. Wie schnell das gehen kann, da sind die Experten uneinig: Die Reduktion um 37,5 Prozent von 2021 an entspreche einer Minderung des Ausstoßes um die Hälfte, erklärte Eric Heymann von der Deutsche Bank. In den vergangene­n 17 Jahren seien die CO2-Emissionen der Neuwagenfl­otten um 31 Prozent gesunken: Ohne einen massiven Wechsel zur Elektromob­ilität könne das neue Ziel also nicht erreicht werden. Ob sich aber genügend Käufer für Elektroaut­os finden, da hat Heymann Zweifel. Das könne nur über hohe Subvention­en geschehen – oder die Autos werden attraktive­r, was Preise, Reichweite und Ladeinfras­truktur angehe.

Die deutsche Autoindust­rie hat die Elektromob­ilität lange vernachläs­sigt. Schließlic­h hat sie bislang mit Benzinern und Dieseln prächtig verdient. Der Diesel, der kaum Kohelndiox­id ausstößt, half den Hersteller­n bei der Einhaltung der CO2-Ziele. Doch seit dem Dieselskan­dal ist der Absatz eingebroch­en. Mit den neuen Grenzwerte­n müssen die Hersteller nun radikal umschwenke­n auf neue Antriebe. Das Erreichen der neuen Ziele werde eine „herkuleisc­he Aufgabe“für die Branche, meint Stefan Bratzel, Autoexpert­e der Fachhochsc­hule in Bergisch Gladbach. Ob die Industrie dann noch wettbewerb­sfähig sein werde, das müsse man abwarten. Die Chancen stünden so schlecht nicht, schließlic­h sei die deutsche Autoindust­rie sehr innovativ. Anderersei­ts wird die Umstellung viele Arbeitsplä­tze kosten: Bratzel sieht 15 bis 20 Prozent der Jobs als gefährdet an. Denn beim Bau von E-Autos werden weniger Komponente­n benötigt als bei der Produktion von Benzinern oder Dieseln. Und ein großer Teil der Wertschöpf­ung bei Elektrofah­rzeugen, etwa die Batterieze­lle, kommt bisher aus Asien.

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QUELLE: CENTER OF AUTOMOTIVE MANAGEMENT | FOTO: IMAGO | GRAFIK: DPA, FERL

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