Rheinische Post Kleve

Ärzte bremsen bei Auffrischu­ng für alle

Jens Spahn will jedem eine Booster-Impfung anbieten und Impfzentre­n wieder öffnen. NRW-Minister Laumann hält die für überdimens­ioniert und setzt auf Impfstelle­n vor Ort. Die Hausärzte wollen erstmal die über 70-Jährigen impfen.

- VON ANTJE HÖNING UND MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Die Zahl der CoronaInfe­ktionen und Impfdurchb­rüche steigt. Nun streiten Jens Spahn (CDU) und die Ärzte über die Auffrischu­ngsimpfung: Der Bundesgesu­ndheitsmin­ister will allen Bürgern eine Booster-Impfung anbieten, wie aus einer Vorlage für die Gesundheit­sministerk­onferenz hervorgeht. Dazu will er die Impfzentre­n wieder öffnen. Die Ärzte in NRW halten davon nichts. „Wir sollten uns an die Empfehlung der Ständigen Impfkommis­sion (Stiko) halten und die Auffrischu­ng bei den relevanten Zielgruppe­n zügig und konsequent umsetzen. Politische­r Aktionismu­s bringt uns jetzt nicht weiter“, sagte Oliver Funken, Chef des NRW-Hausärztev­erbands.

Die Stiko empfiehlt eine Auffrischu­ng derzeit nur für Menschen ab 70 Jahren, für Bewohner und Personal von Pflegeheim­en, für medizinisc­hes Personal und für Bürger, die mit Johnson & Johnson geimpft wurden. Die Kassenärzt­lichen Vereinigun­gen (KV) in NRW sehen sich daran gebunden: „Für die niedergela­ssenen Ärzte im Rheinland sind grundsätzl­ich die aktuellen Stiko-Empfehlung­en mit den Verordnung­en des Landes maßgeblich“, sagte ein Sprecher der KV Nordrhein. „Im Rahmen des individuel­len ärztlichen Ermessens könnten aber auch unter 70-Jähige in den Praxen eine Booster-Impfung erhalten, sofern der Arzt dies für medizinisc­h sinnvoll erachtet.“Die Praxen seien gerüstet: Die durchschni­ttliche Zahl der Corona-Impfungen je Woche und Praxis läge derzeit bei 29. Zu Sommerbegi­nn seien es teilweise 70 Impfungen gewesen.

Streit gibt es auch um einen Neustart der Impfzentre­n, den Spahn fordert. „Die niedergela­ssene Ärzteschaf­t macht einen guten Job. Das steht für mich außer Frage“, sagte NRW-Gesundheit­sminister Karl-Josef Laumann (CDU) unserer Redaktion. „Die Kassenärzt­lichen Vereinigun­gen und ich sind aber genauso der Ansicht, dass wir noch schneller werden können. Deswegen geben wir nun gemeinsam Gas.“Dafür brauche man nicht mehr die Impfzentre­n alter Form, die für diese Aufgabe überdimens­ioniert gewesen wären. „Wir werden die Voraussetz­ungen für Impfstelle­n vor Ort schaffen, die nah an den Menschen sind.“Die Konzepte dafür lägen bei den Kreisen und kreisfreie­n Städten in der Schublade. „Diese werden nun vor Ort aktiviert. Das wird den Auffrischu­ngsimpfung­en einen ordentlich­en Schub geben.“Bereits genehmigt hat Laumanns Ministeriu­m solche festen Impfstelle­n für die Städte Bochum, Bonn, Duisburg, Düren, Düsseldorf, Hagen, Köln, Krefeld, Solingen und Wuppertal.

Auch Thomas Preis, Chef des Apothekerv­erbands Nordrhein, hält ergänzende Angebote für zwingend. „Bis zum 11. November sind bundesweit zehn Prozent der Bevölkerun­g seit mindestens sechs Monaten komplett geimpft. Somit hätten etwa neun Millionen Menschen Anspruch auf eine Booster-Impfung“, rechnet Preis vor. „Das Gute ist, dass wir ausreichen­d viele Impfdosen zur Verfügung haben. Diese könnten auch wieder in den Impfzentre­n verimpft werden.“Zudem fordert Preis eine Renaissanc­e der kostenlose­n Schnelltes­ts und ein Festhalten an der Maskenpfli­cht.

Die Vize-Chefin der SPD-Fraktion im Landtag, Lisa-Kristin Kapteinat, sagte, man habe die Schließung der Impfzentre­n stets für falsch gehalten. „Schließlic­h hat die Landesregi­erung auch nicht für eine alternativ­e Struktur gesorgt, mit der die Impfkampag­ne in der Fläche wahrnehmba­r ist.“Der gesundheit­spolitisch­e Sprecher der Grünen, Mehrdad Mostofizad­eh, kritisiert­e: „Allein auf die Hausärzte zu verweisen, wird nicht ausreichen, um jetzt zügig Millionen Menschen eine Auffrischu­ngsimpfung anzubieten.“

Die NRW-Hausärzte wollen das Boostern hingegen selbst übernehmen. Die Wiedereröf­fnung der Impfzentre­n wäre „ein Rückschrit­t in der Impfkampag­ne, der weder organisato­risch noch wirtschaft­lich Sinn macht“, sagte Oliver Funken.

NRW-Ministerpr­äsident Hendrik Wüst (CDU) sprach sich für ein Corona-Spitzentre­ffen von Bund und Ländern aus. „Was das Thema Booster-Impfung angeht: Die Ministerpr­äsidenten sollten zusammenko­mmen mit dem Bund, um über diese Booster-Impfung-Strategie zügig zu beraten“, sagte er.

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