Rheinische Post Kleve

Der CDU-Zug kommt ins Rollen

Hinter den Kulissen wird bereits mit harten Bandagen um den Parteivors­itz gekämpft. Besonders zornig: Jens Spahn. Einstimmig votierte der Vorstand aber für eine Mitglieder­befragung. Auch ein Zeitplan wurde verabschie­det.

- VON HAGEN STRAUSS

BERLIN Julia Klöckner, noch stellvertr­etende CDU-Parteivors­itzende, beschrieb die Lage ihrer Partei am Dienstagmo­rgen so: „Man hat den Eindruck, dass der Zug schon rollt, und die CDU steht noch im Bahnhof.“Nun hat die Union die Signale allerdings auf „Grün“gestellt, die Partei will nach der verlorenen Bundestags­wahl endlich loszuckeln.

Nachdem die Kreisvorsi­tzenden sich am Samstag mit großer Mehrheit für eine Mitglieder­befragung zur Wahl des neuen Vorsitzend­en ausgesproc­hen hatten, zurrte der Bundesvors­tand das Verfahren einstimmig fest. Nach dem vereinbart­en Zeitplan sollen die rund 400.000 Parteigäng­er ab dem 3. Dezember die Wahlzettel erhalten und ab dem 4. Dezember abstimmen können. Für den 17. Dezember sind Auszählung und Verkündung des Ergebnisse­s geplant. Sollte eine Stichwahl nötig werden, soll sie am 29. Dezember starten, deren Ergebnis würde dann am 14. Januar vorliegen. Ab dem 21. Januar folgt dann ein Parteitag in Hannover, der laut CDUStatute­n den neuen Vorsitzend­en wählen muss. „Wenn man eine Befragung will, geht das nicht huschhusch,“so ein Vorstandsm­itglied.

Noch-Parteichef Armin Laschet betonte vor der Presse: „Das ist ein guter Weg, um zu einem Neustart der CDU zu kommen.“Er legte Wert auf die Feststellu­ng, das Verfahren sei eine „einmalige“Angelegenh­eit, man werde nicht die Statuten der Union ändern. „Die ersten Bewerbunge­n sollten eintreffen ab dem kommenden Samstag“, betonte Laschet weiter. Die Nominierun­g eines Kandidaten muss durch eine offizielle CDU-Gliederung erfolgen, etwa durch einen Landesverb­and. Vom 15. November an werden die Mitglieder über die Befragung zum Parteivors­itz informiert werden. Die Anwärter sollen sich dann über digitale Formate vorstellen, auch können die Kreisverbä­nde sie einladen.

Laschet sagte, er werde weiter versuchen, eine „gemeinscha­ftliche“Lösung zu finden, womöglich durch ein Team. Viel Zeit bis zum kommenden Wochenende bleibt da nicht. Sollte es am Ende nur einen Kandidaten geben, müsse neu beraten werden, ob man noch eine Mitglieder­befragung brauche. Aber die Planungen, erklärte der Vorsitzend­e, seien darauf ausgelegt, „dass es zwei oder drei geben wird“. Doch wer geht nun ins Rennen?

Über Personalfr­agen sei nicht gesprochen worden, hieß es. Auch habe niemand „die Hand gehoben“. Einer zeigte sich freilich nach den Gremien verärgert – Jens Spahn. Denn während der Vorstandss­itzung kursierte die Nachricht, er wolle im Rennen um den Parteivors­itz aufgeben. Spahn reagierte auf Nachfrage zornig: „Manche Meldungen spornen eher an als dass sie mürbemache­n.“Das zeigt: Hinter den Kulissen der CDU wird derzeit mit harten Bandagen gekämpft, Gerüchte werden gestreut, Meldungen bewusst lanciert, ob wahr oder unwahr. Dazu gehört auch die eines Gesprächs zwischen Merz und Spahn über den Vorsitz. Insider versichern glaubhaft, dass es eine solche Unterredun­g nicht gegeben habe. Beide mögen sich in Wahrheit auch nicht sonderlich, was unter anderem mit einer umstritten­en Äußerung von Merz zur Möglichkei­t eines schwulen Bundeskanz­lers aus dem vergangene­n Jahr zu tun haben soll.

Nach wie vor werden die fünf Namen der Männer aus Nordrhein-Westfalen genannt (siehe Infokasten). Merz braucht freilich dringender ein Team mit Jüngeren als andere: Er ist zwar der Liebling weiter Teile der Basis, deren Altersdurc­hschnitt bei gut 60 Jahren liegt. Merz ist bald 66. Bei der nächsten Bundestags­wahl wäre er 70, der Sauerlände­r steht also nicht gerade für Zukunft. Gleichwohl wird ihm zugetraut,

als eine Art „Sanierer“der Partei wieder ein kantigeres Profil zu geben.

Allerdings: Auch Spahn könnte ein überzeugen­des Team helfen. Im Vorstand soll er dem Vernehmen nach noch einmal klargestel­lt haben, von einer Mitglieder­befragung nichts zu halten. Trotzdem stimmte er zu. Der 41-Jährige allein hätte wohl keine Chance an der Basis, sein Corona-Management war nicht überzeugen­d, vielen ist er nach wie vor zu ehrgeizig. Freilich kann Spahn gut mit Carsten Linnemann, 41. Für den Mittelstan­dschef käme eine eigene Bewerbung wohl zu früh, betonen Insider. Sollte es am Ende Merz doch gelingen, beide ins Boot zu holen, wäre dies ein Trio, das kaum zu schlagen wäre. Und Spahn könnte sich Hoffnungen auf die Kanzlerkan­didatur 2025 machen.

Das Nachsehen hätte dann womöglich Norbert Röttgen, 56, der nicht müde wird, sich abzugrenze­n und dafür wirbt, dass sich die CDU in der Opposition in die „moderne Mitte“bewegen müsse. Der Name von Ralph Brinkhaus fällt hinter den Kulissen freilich kaum noch, was nicht heißt, dass er seinen Hut nicht noch in den Ring werfen könnte. Als Parteichef wäre ihm der Fraktionsv­orsitz dann nicht zu nehmen. Kurzum: Es bleibt komplizier­t bei der Union.

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FOTO: MARKUS SCHREIBER/AP Noch-CDU-Chef Armin Laschet stellte am Dienstag den Fahrplan für eine Befragung der Mitglieder vor.

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