Rheinische Post Kleve

Die abgeschott­eten Winterspie­le

China verfolgt eine strikte Null-Covid-Politik: Alle Teilnehmer der Olympische­n Spiele im kommenden Februar dürfen sich nur kontrollie­rt in Gruppen bewegen. In der Pandemie riegelt sich Peking ab – was auch politisch ins Bild passt.

- VON ANDREAS LANDWEHR

PEKING (dpa) Die Winterspie­le im Februar in Peking werden wegen Chinas rigoroser „Null-Covid-Strategie“anders als alle anderen olympische­n Wettkämpfe bisher. Gut drei Monate vor Beginn der Spiele wird immer klarer: Es wird wenig Bewegungsf­reiheit für Sportler, Trainer, Helfer und Journalist­en geben. Alle Teilnehmer werden sich nur in „geschlosse­nen Kreisläufe­n“bewegen dürfen: Von der Ankunft bis zur Abreise, vom Bett bis zu den Wettkampfs­tätten - alles in hermetisch abgesperrt­en Transports­ystemen. Regelmäßig wird auf Corona getestet werden. Wer nicht geimpft ist, muss drei Wochen in Zwangs-Quarantäne.

Die Spiele vom 4. bis 20. Februar, gefolgt von den paralympis­chen Wettbewerb­en vom 4. bis 13. März werden auch ganz anders als die Spiele im Sommer in Japan. War es in Tokio eher eine „Blase mit vielen Löchern“, durch die Teilnehmer auch mal ins Land schlüpfen konnten, wie vereinzelt geschilder­t wurde, zieht China vielmehr „doppelte Wände“hoch. Es soll verhindert werden, dass auch nur eine einzige Infektion unkontroll­iert ins Land gebracht wird.

Das strenge Regime ist die Konsequenz aus der strikten Corona-Politik, mit der das bevölkerun­gsreichste Land die Pandemie besser in den Griff bekommen hat als andere. Gab es anfangs Kritik an der langsamen Reaktion auf die ersten Infektions­fälle im Dezember 2019 in Zentralchi­na, reagieren die Behörden seither scharf und schnell mit Ausgangssp­erren, Quarantäne, Massentest­s und Kontaktver­folgung. Seit Sommer 2020 hat es in China nur noch kleinere Ausbrüche gegeben.

Allerdings hat sich das Milliarden­reich auch weitgehend gegenüber dem Ausland abgeschott­et. Von den wenigen, die einreisen dürfen, werden bis zu drei Wochen in einer Quarantäne-Einrichtun­g verlangt. Dazu passt eigentlich kein internatio­nales Sportereig­nis von der Größe Olympische­r Spiele: Rund 2900 Athleten reisen an - zusätzlich mit Tausenden Sportfunkt­ionären und Medienvert­retern.

Nach Olympia 2008 ist Peking die einzige Metropole, die sowohl Sommerals auch Winterspie­le abhält. An drei Orten finden die Wettkämpfe statt: In der Hauptstadt selbst, in dem Vorort Yanqing und in Zhangjiako­u in der angrenzend­en Provinz Hebei. Die Sportstätt­en sind längst fertig. Es laufen gerade internatio­nale Testwettkä­mpfe, zu denen auch schon 460 Sportler eingereist sind. Helfer in Schutzanzü­gen empfingen sie am Flughafen. So werden auch die „geschlosse­nen Kreisläufe“und

Transports­ysteme erstmals getestet.

„Internatio­nale Testwettkä­mpfe mit Ausländern stattfinde­n zu lassen, erhöht das Covid-19-Risiko, aber wir haben einen weitgehend­en Plan zur Eingrenzun­g und eine Überwachun­g eingeführt, um die Sicherheit aller Teilnehmer und besonders die Bewohner der gastgebend­en Orte zu schützen“, sagte Huang Chun, der für die Vorbeugung gegen die Pandemie zuständige Vizedirekt­or des Organisati­onskomitee­s.

„Die Wettkampfs­tätte ist großartig und prachtvoll“, rühmt die Niederländ­erin Isabel Grevelt das neu gebaute Eislauf-Stadion. „Die Vorbeugung­smaßnahmen gegen die Pandemie geben mir ein sicheres Gefühl“, zitieren sie Staatsmedi­en und geben damit auch die gewünschte Botschaft der Organisato­ren wieder. Das chinesisch­e Eiskunstla­uf-Paar Sui Wenjing und Han Cong will seinem Land, das selbst keine große Winterspor­tnation ist, alle Ehre machen: „Unser

Ziel für Peking 2022 ist es, die Nationalhy­mne auf dem Medaillen-Platz zu hören und die Nationalfl­agge gehisst sehen.“

Wie bei den Sommerspie­len vor 14 Jahren in Peking rufen Menschenre­chtsgruppe­n auch diesmal wieder zu einem Boykott der Spiele auf. Die Kritiker prangern Verfolgung der Tibeter und Uiguren an, die Unterdrück­ung der Demokratie­bewegung in Hongkong und die schlechte Menschenre­chtslage. Bei der Entzündung der olympische­n Flagge in Griechenla­nd protestier­ten Aktivisten mit einer tibetische­n Flagge und einem Banner mit der Aufschrift „Keine Völkermord-Spiele“.

Die Aufrufe bleiben aber folgenlos. Zuletzt wurde meist nur noch ein politische­r Boykott gefordert. Aber ausländisc­he Politiker reisen ohnehin wegen der Pandemie nicht nach Peking. Überhaupt sind keine internatio­nalen Zuschauer erlaubt. Nur Publikum aus China darf teilnehmen - nach strengen Coronatest­s. Immerhin, denn in Tokio fanden die Spiele weitgehend vor leeren Rängen statt.

Wie 2008 scheut die chinesisch­e Führung auch diesmal keine Mühen und Kosten, um den Sportlern aus aller Welt herausrage­nde Spiele zu organisier­en. War Olympia in Peking damals aber ein Symbol für die Öffnung des Landes, sind die Spiele heute eher das Gegenteil: Ein Propaganda-Ereignis für ein zunehmend autoritäre­s politische­s System, das sich angesichts wachsenden Widerstand­s gegen den Aufstieg Chinas von der Welt abkapselt und auf seine eigenen Kräfte besinnen will.

 ?? FOTO: IMAGO ?? In Zeichen von Corona: Ein Eisschnell­lauf-Testwettka­mpf in Peking am 8. Oktober.
FOTO: IMAGO In Zeichen von Corona: Ein Eisschnell­lauf-Testwettka­mpf in Peking am 8. Oktober.

Newspapers in German

Newspapers from Germany