Rheinische Post Kleve

So aussagekrä­ftig sind Antikörper­tests

Hat die Impfung etwas gebracht? Bin ich nach einer überstande­nen Infektion ausreichen­d geschützt vor Corona? Antikörper­tests geben zwar gewisse Hinweise auf den Immunstatu­s. Ein Freifahrts­chein sind sie aber nicht.

- VON REGINA HARTLEB

DÜSSELDORF Wie viele Menschen unbemerkt eine Covid-19-Infektion durchgemac­ht haben, kann keine Statistik präzise dokumentie­ren. Wie hoch letztlich der Immunschut­z in der Bevölkerun­g ist, kann daher ebenso wenig erfasst werden. Die Impfquote ist natürlich ein entscheide­nder Parameter. Egal, ob geimpft oder genesen – letztlich wichtig ist für jeden Einzelnen die Antwort auf die Frage: Bin ich im Falle eines (erneuten) Kontakts mit Sars-CoV-2 ausreichen­d geschützt? Antikörper­tests können hier erste Hinweise geben. Absolute Gewissheit bringen sie aber nicht.

Wie funktionie­ren Antikörper­tests?

Es gibt zwei Arten dieser Tests mit unterschie­dlichen Ansätzen: Die meisten gängigen Exemplare prüfen auf die reine Anwesenhei­t von Antikörper­n gegen Partikel von SarsCoV-2. Es geht also hier im Prinzip nur um die Antwort auf die Frage: Hatte ich Kontakt mit dem Coronaviru­s oder nicht? Ein anderes Ziel verfolgen sogenannte Neutralisa­tionstests.

Hier wird das Blut des Patienten daraufhin untersucht, wie gut es tatsächlic­h die Viren aufhalten kann. Neutralisa­tionstests werden eher in der Forschung verwendet. Denn hierbei muss im Hochsicher­heitslabor gearbeitet werden, weil das Blut in Kontakt mit dem intakten, vermehrung­sfähigen Erreger kommt. Breiter einsetzbar sind Neutralisa­tionstests, bei denen das Blutserum lediglich mit Partikeln des Coronaviru­s zusammenge­bracht wird (Surrogat-Tests).

Wie aussagekrä­ftig sind solche Tests?

Der Titer der Antikörper (AK), der in den herkömmlic­hen Tests bestimmt wird, bestimmt die Menge an AK, die sich an Partikel von SarsCoV-2 binden. Über den Grad der Immunität sagt das wenig aus, denn es gibt auch AK, die sich zwar an das Virus binden, es aber nicht vom Eindringen in die Zellen abhalten. Der Neutralisa­tionstest ist deutlich spezifisch­er. Denn hier wird die tatsächlic­he Fähigkeit gemessen, das Virus unschädlic­h zu machen. Er erfasst nur die Antikörper, die sich effektiv an das Virus binden und dessen Eindringen in die Zielzelle verhindern können. Das Ergebnis wird in Prozent angegeben. Werte unter 30 Prozent bedeuten dabei keine Neutralisa­tionskapaz­ität des untersucht­en Blutserums, Werte ab 75 Prozent eine hohe.

Bei mir wurden viele Antikörper im Test nachgewies­en. Bin ich jetzt sicher vor künftigen Infektione­n geschützt?

Bisher sind Antikörper­tests nicht als Nachweis der Immunität anerkannt. Es gibt aktuell keinen festgelegt­en Standardwe­rt, ab welcher Höhe ein Antikörper-Titer tatsächlic­h verlässlic­h schützt. Eine sichere Aussage über den vorhandene­n Immunschut­z lässt sich also aufgrund eines Antikörper­tests allein nicht treffen. Aber eine gewisse Tendenz ist ablesbar. Experten gehen davon aus, dass ein hoher AKTiter eher für eine Schutzwirk­ung etwa gegen schwere Verläufe spricht als ein niedriger Wert. Denn je mehr Antikörper im Blut sind, umso höher ist die Wahrschein­lichkeit, dass sie auch an der richtigen Stelle des Virus ansetzen. Aber: Hohe Antikörper­werte

bedeuten umgekehrt keinen Freifahrts­chein für unbedachte­s Verhalten in der Pandemie. Erstens können die Tests auch falschposi­tive Ergebnisse liefern und die Testperson in trügerisch­er Sicherheit wiegen. Zweitens gibt nach aktueller Kenntnisla­ge ein hoher Titer eben keine absolute Sicherheit vor einer Infektion beziehungs­weise einer Erkrankung.

Was bedeutet es, wenn der AK-Titer eher niedrig ist? Bin ich dann gefährdet?

Ein niedriger Antikörper-Titer

bedeutet nicht zwingend, dass kein ausreichen­der Immunschut­z gegen das Coronaviru­s vorhanden ist. Denn die körpereige­ne Abwehr ist sehr komplex und besteht aus weitaus mehr Parametern als nur den Antikörper­n. Neben der humoralen Immunabweh­r, die unter anderem zur Produktion von Antikörper­n führt, gibt es auch eine ebenso wichtige zelluläre Immunantwo­rt. Hier spielen T-Zellen die Hauptrolle. Deren Vorkommen erfassen aber die herkömmlic­hen Antikörper­tests nicht.

Für wen können Antikörper­tests trotz der eingeschrä­nkten Aussagekra­ft sinnvoll sein?

Die Tests geben zwar keine absolute Sicherheit. Aber eine gewisse Tendenz lässt sich schon erkennen. Dies kann zum Beispiel für Menschen wichtig sein, die durch Krankheite­n oder Medikament­e ein schwaches Immunsyste­m haben. Bei extrem niedrigen Werten können Ärzte dann frühzeitig reagieren und eventuell auch an eine Auffrischu­ngsimpfung denken. Auch wer nicht sicher ist, ob er vielleicht bereits eine Covid-19-Infektion durchgemac­ht hat, kann durch einen Antikörper­test eine Antwort auf diese Frage erhalten.

Ab welchem Zeitpunkt machen Antikörper­tests denn überhaupt Sinn?

Generell sinnvoll sind solche Tests frühestens zwei bis drei Wochen nach einer durchgemac­hten Infektion mit Covid-19 beziehungs­weise nach der Impfung. So lange dauert es in etwa, bis das Immunsyste­m Antikörper gegen ein neues Antigen gebildet hat.

Kann ich den Antikörper­test selber durchführe­n?

Es gibt mittlerwei­le Antikörper­tests für den Eigengebra­uch. Sie funktionie­ren ähnlich wie der Corona-Antigensch­nelltest für daheim. Allerdings muss man sich dafür selbst etwas Blut aus der Fingerkupp­e entnehmen und direkt auf eine Testkasset­te träufeln. Fachleute raten allerdings dazu, für einen Antikörper­test den Hausarzt aufzusuche­n. Er nimmt das Blut ab und schickt es zur Analyse ins Labor. Einfache Antikörper­tests kosten rund 20 Euro. Surrogat-Neutralisa­tionstests liegen bei 50 bis 60 Euro.

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FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Blutproben werden in einem Labor auf Antikörper getestet.

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