RKI verliert die Macht über den Genesenen-Status
Der Einfluss von Präsident Lothar Wieler wird gestutzt – vor allem vom Gesundheitsminister. Nicht alle finden es gut, dass Lauterbach alles an sich zieht.
DÜSSELDORF Lothar Wieler kämpft seit über zwei Jahren in erster Reihe gegen die Pandemie. Selbst an seinem 61. Geburtstag, am 8. Februar, mahnte der Chef des Robert-KochInstitutes (RKI) unlängst wieder an der Seite von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). An der Seite? Das Verhältnis des selbstbewussten Institutsleiters zu seinen Ministern ist schwierig.
Mit Jens Spahn (CDU) gab es Spannungen, mit Lauterbach vor allem, als das RKI die Gültigkeit des Genesenen-Status im Januar unerwartet von sechs auf drei Monate verkürzte. Über Nacht verloren viele Bürger ihr „G“, das sie zum Eintritt in Geschäfte, Bäder und Restaurants berechtigte. Nun haut Lauterbach auf den Tisch und entzieht dem RKI die Kompetenz für solche Festlegungen.
„Bei der vom Bundesminister der Gesundheit angestoßenen Überarbeitung der Schutzmaßnahmen-Ausnahmen-Verordnung entfällt in Hinblick auf die Festlegungen zum Geimpften- und Genesenen-Status die
Delegation auf das Paul-Ehrlich-Institut
und Robert-Koch-Institut“, heißt es im Beschlusspapiers der Ministerpräsidenten. Das bedeutet: Jetzt will das Gesundheitsministerium bestimmen, wie lange nach einer Infektion man als genesen und nach wie vielen Impfungen man als geimpft gilt. Ein weitgehender Schritt. „Über tiefgreifende Entscheidungen wie etwa den Genesenen-Status möchte ich selbst und direkt entscheiden. Sonst trage ich die politische Verantwortung für das Handeln anderer“, sagte Lauterbach der „Bild“-Zeitung.
Schon zuvor hatte das RKI klargestellt, dass die Verkürzung des Genesenen-Status nur für Ungeimpfte gilt, weil deren Schutz vor Omikron nach einer Infektion mit Alpha oder Delta rasch schwindet. Für Bürger, die vor oder nach der Infektion geimpft wurden, gilt die Verkürzung nicht. Ihr Genesenen-Zertifikat ist weiter sechs Monate gültig.
Doch diese Klarstellung reicht womöglich nicht: Das Verwaltungsgericht Hamburg gab einem Eilantrag gegen die Verkürzung der Gültigkeitsdauer statt. Die Regelung sei voraussichtlich verfassungswidrig und somit unwirksam, teilte das Gericht mit. Der Beschluss gilt nur für den Antragssteller, ähnlich hatte aber auch schon das Gericht Osnabrück geurteilt. Der Verweis des Bundes auf das RKI verstoße gegen die Publizitätspflicht, hatte der Antragsteller moniert.
In den Ländern ist man doppelt irritiert: über Wielers Vorpreschen und darüber, dass Lauterbach nun alles an sich zieht. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) kritisierte, dass Lauterbach solche Fragen mit sich allein ausmachen wolle, und forderte ein Mitbestimmungsrecht der Länder. Wieler, der Tierarzt mit dem Schwerpunkt Mikrobiologie ist, führt das Robert-Koch-Institut seit 2015.
Aus der Fachbehörde mit 1200 Mitarbeitern, die früher vielen nur wegen des Aufrufs zur Grippeimpfung bekannt war, wurde 2020 die zentrale Instanz in der Bekämpfung der Pandemie. Weihnachten 2021 hatte Wieler vor dramatischen Szenarien gewarnt, zu denen es nicht kam. Aber womöglich nur, weil die Politik mit Verschärfungen reagierte? Kanzler Olaf Scholz (SPD) jedenfalls stärkte dem RKI am Mittwoch erneut den Rücken: Er habe großes Vertrauen in das Institut, Wieler leiste „verdienstvolle Arbeit“.