Goldene Langlauf-Sensation
Nach Silber in der Staffel gibt es die nächste überraschende Medaille für die deutschen Athletinnen. Und das, obwohl es am Tag des Rennens noch eine kurzfristige Umstellung gab. Der Bundestrainer ist überwältigt.
(dpa) Katharina Hennig schrie ihre Teamkollegin förmlich über die Ziellinie im Langlauf-Stadion in Zhangjiakou. Dann blickte sie fast ungläubig auf die Ergebnisanzeige, um anschließend mit wenigen Schritten auf Victoria Carl zuzulaufen und mit ihr das Sensations-Gold im Teamsprint der Olympischen Winterspiele in China zu feiern.
In einem grandiosen Schlusssprint sicherte die 26 Jahre alte Carl dem deutschen Langlauf-Team am Mittwoch den ersten Triumph seit dem Olympiasieg 2010 in Vancouver ebenfalls im Teamsprint durch Evi Sachenbacher-Stehle und Claudia Nystad. Wie in China landeten auch damals die Paare aus Schweden und Russland auf dem Silberund Bronze-Rang.
Auch lange nach dem Coup herrschte im deutschen Team Ungläubigkeit. „Ich bin voller Adrenalin. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich laufe herum wie Falschgeld“, sagte Carl. „Gefühlt sind wir im falschen Film. Wir können es noch gar nicht richtig fassen, was wir gemacht haben“, berichtete auch Katharina Hennig.
Bundestrainer Peter Schlickenrieder, der seinen 52. Geburtstag feierte, kämpfte im ARD-Interview mit den Tränen. „Das ist ein brutaler Traum. Ich muss mich ein bissel zusammenreißen. Wahrscheinlich realisiert man das erst in zehn oder 20 Jahren“, meinte der einstige Weltklasse-Läufer. „Ich glaube, ich könnte den ganzen Tag heulen.“
Für Hennig und Carl war es bereits jeweils das zweite Edelmetall bei den Spielen und der ganz große Triumph. Am vergangenen Samstag hatten sie gemeinsam mit Katherine Sauerbrey und Sofie Krehl Silber mit der Staffel gewonnen.
Für den Team-Sprint war eigentlich Sauerbrey vorgesehen. Sie fühle sich nicht hundertprozentig fit und habe sich aufgrund der hohen Belastungen in den vergangenen Tagen entschieden, auf den Wettkampf zu verzichten, teilte der Deutsche Skiverband wenige Stunden
vor dem Wettkampf mit. Die Ersatzfrau erwies sich als Glücksfall. Bei strahlendem Sonnenschein und Temperaturen von um die minus zehn Grad konnten die beiden Deutschen im Finale von Beginn an das Tempo der Spitzenduos mitgehen. Beim letzten Wechsel führte Hennig knapp vor Finnland und den USA, als sie auf Carl übergab. Und die Schlussläuferin besiegte die klaren Favoritinnen.
„Ich habe vorher noch zur Katha gesagt: Auf der Zielgeraden zerstöre ich sie“, erzählte Carl. „Ich wusste, dass ich schieben kann, dass das meine Stärke ist. Gesagt, getan.“Auch Schlickenrieder konnte vor allem ihre Vorstellung kaum fassen. „Wenn wir ins Finale kommen, ist das schon super“, habe er nach der Umstellung vorher gesagt. „Und dann macht die Vicky etwas, was sie noch nie gemacht hat.“
Sie habe schon in der Staffel taktisch ein Superrennen geliefert. Und jetzt zeige sie schon wieder „ein exzellentes Ding, was ihr keiner zugetraut hätte“, meinte der Coach. „Jetzt sagt man: Chapeau, wo kommt das her?“
Carl trug entscheidend zu den beiden großen und unerwarteten Medaillenerfolgen der deutschen Loipen-Asse bei diesen Winterspielen bei. 2018 in Pyeongchang waren die Langläuferinnen und Langläufer ohne Medaille geblieben, 2014 in Sotschi hatte es Bronze für die Frauen-Staffel mit Nicole Fessel, Stefanie Böhler, Claudia Nystad und Denise Herrmann gegeben.
Die Männer hatten im Teamsprint dagegen Pech. Albert Kuchler und Janosch Brugger schieden im Halbfinale aus. Brugger verlor auf der letzten Runde einen Ski und hatte keine Chance mehr, in den Kampf um das Finale einzugreifen. „Mir fehlen so ein bisschen die Worte. Das ist das zweite Mal, dass so was passiert“, sagte der 24-Jährige. Schon bei der WM in Oberstdorf 2021 war ihm das Missgeschick passiert.