Es geht um mehr als ums Saarland
Am Sonntag findet die erste von vier Landtagswahlen in diesem Jahr statt, die erste nach der Wahl im Bund. Ein Machtwechsel scheint möglich zu sein. Und am Ende könnte sogar eine ziemlich kuriose Sitzverteilung stehen.
Die Corona-Pandemie hat es nicht gut gemeint mit den Wahlkämpfern im Saarland. Sowohl der amtierende Ministerpräsident Tobias Hans von der CDU als auch seine SPD-Herausforderin Anke Rehlinger waren im Wahlkampf an Corona erkrankt, mussten in Quarantäne und zahlreiche Termine absagen. Zunächst zog Rehlinger vor knapp drei Wochen die Reißleine – kurzerhand nahm ihr Team sie dann als lebensgroße Pappfigur mit zu Terminen. Dann infizierte sich Ministerpräsident und CDU-Spitzenkandidat Hans – und machteWahlkampf digital per Roboter: mit„Robi-Tobi“, einem Telepräsenz-Roboter, den Hans selbst steuern konnte und über den er live zugeschaltet wurde. So „rollte“er durch etliche Städte im Saarland, um mit den Leuten zu reden.
Denn es geht um viel an diesem Sonntag. Bei der ersten Abstimmung von insgesamt vier Landtagswahlen in diesem Jahr könnte sich der Machtwechsel im Bund wiederholen – und der Sieger nach langer Zeit wieder SPD heißen. Im Saarland wäre das erstmals seit fast 23 Jahren der Fall, stellt doch die CDU dort seit 1999 den Ministerpräsidenten.
Rund 800.000 Menschen sind im Saarland zur Wahl aufgerufen. Insgesamt bewerben sich 17 Parteien und Wählergruppen um die 51 Sitze im Saarbrücker Parlament. Derzeit regiert die CDU in einer Koalition mit der SPD, in der Rehlinger Wirtschaftsministerin und Vizeregierungschefin ist. Grüne und FDP sind nicht im Landesparlament vertreten.
Gibt es tatsächlich einen Machtwechsel an der Saar? In Umfragen lag die SPD zuletzt deutlich vorn, mit Werten um 40 Prozent. Die CDU landete dagegen rund zehn Punkte dahinter. Das Kuriosum: Folgt man den derzeitigen Umfragen, könnte sogar ein Zwei-ParteienParlament das Ergebnis sein. Denn laut Demoskopen liegen die Grünen und die AfD nur jeweils knapp über der Fünf
Prozent-Hürde, die FDP ziemlich genau darauf und die Linken knapp darunter. In einer Insa-Umfrage sah es für die Grünen sogar noch knapper aus.
Der Grund ist eine Krise bei etlichen kleinen Parteien an der Saar: Die Grünen etwa haben sich jahrelang selbst zerfleischt, was ihrem Ansehen schadete. Die Landesliste der Saar-Grünen blieb nach internem Gezerre um Abstimmungen von der Bundestagswahl ausgeschlossen. Die Linken wiederum sind nach dem Abgang ihrer Führungsfigur Oskar Lafontaine entscheidend geschwächt. Beides hilft der SPD.
Deren Umfragestärke liegt allerdings auch daran, dass die bisherige Vize-Ministerpräsidentin deutlich beliebter scheint als Landeschef Hans. 52 Prozent der Befragten wollen sie laut ForschungsgruppeWahlen als Ministerpräsidentin. Für Hans votierten danach nur 31 Prozent. Die 45 Jahre alte Rehlinger war einst eine der besten Leichtathletinnen des Saarlands. Ihr Landesrekord im Kugelstoßen von 16,03 Metern aus dem Jahr 1996 hält noch immer. „Es ist gut für einen erfolgreichenWahlkampf, dass man vorher mal Leistungssport gemacht hat“, sagte sie kürzlich. Ihre offene Art kommt bei den Menschen gut an. Der 44-jährige CDU-Ministerpräsident zeigt sich jedoch trotz des Rückstands ebenfalls optimistisch: „Das Wahlergebnis wird anders aussehen“, sagte er am Freitag. Es gebe ja auch noch sehr viele unentschlossene Menschen. „Ich halte das für offen.“Wer am besten mobilisiere, werde gewinnen. Hans sieht sich derzeit als den Buhmann für die CoronaPolitik. „Offensichtlich wird der Frust, der mit Corona verbunden ist, bei mir abgeladen.“Dabei seien die Entscheidungen stets gemeinsam getroffen worden – also auch von der SPD.
Hans selbst sorgte Anfang März mit einem Video vor einer Tankstelle für etwas Aufregung im Wahlkampf. Darin bezeichnete er den tagesaktuellen Dieselpreis von 2,12 Euro pro Liter als „irre“, warf dem Bund vor, sich an den steigenden Kosten zu bereichern, und forderte eine„Spritpreisbremse“. DasVideo ging in sozialen Netzwerken innerhalb kürzester Zeit viral. Seine Wutrede bescherte ihm zwar bundesweite Aufmerksamkeit, brachte ihm jedoch auch Kritik ein. Vor allem ein Satz sorgte für Empörung: „Das trifft jetzt nicht nur Geringverdiener – das trifft wirklich die vielen fleißigen Leute.“Sowohl Rehlinger als auch Hans dürften nach der Wahl nur wenige Koalitionsoptionen zur Verfügung stehen. Beide würden die große Koalition ohnehin gern fortsetzen. Ob Hans auch als Juniorpartner dabei wäre, ließ er jedoch bisher immer offen. Um der Landesregierung weiterhin anzugehören, könnte das für ihn aber die einzige Möglichkeit bleiben.
DieWahl im Saarland hatte schon einmal bundespolitische Bedeutung. 2017 siegte die CDU mit Annegret KrampKarrenbauer mit 40,7 Prozent vor der SPD mit 29,6 Prozent – und warf damit den „Schulz-Zug“des damaligen SPDKanzlerkandidaten aus dem Gleis. Im März 2018 übernahm Hans dann das Ministerpräsidentenamt von KrampKarrenbauer, die als CDU-Generalsekretärin nach Berlin wechselte. Er trat damit in große Fußstapfen, denn Kramp-Karrenbauer war im Land sehr beliebt. Hans‘ Popularitätswerte reichen an diese Zeiten nicht heran.
Die Bundes-CDU unter ihrem neuen Vorsitzenden Friedrich Merz sieht die Landtagswahl daher vor allem von regionalen Themen geprägt. Die Parteizentrale in Berlin unterstütze Hans „mit aller Kraft“, sagte CDU-Generalsekretär Mario Czaja jüngst. „Aber es ist eben eine Saarland-Wahl mit ganz spezifischen saarländischen Themen.“So klingt es eigentlich immer, wenn man im Bund keineVerantwortung übernehmen will. Die SPD dagegen würde einen Sieg an der Saar gerne als Bekräftigung der Ampel-Politik im Bund feiern. Nun hat der Wähler es in der Hand.
„Es ist gut, dass man vorher mal Leistungssport gemacht hat“Anke Rehlinger (SPD) Spitzenkandidatin und Ex-Kugelstoßerin