Deutschland wird zum Bremsklotz
Der Anfang des Brüsseler Gipfelmarathons erscheint an dessen Ende wie ein Symbol: Die Staats- und Regierungschefs treffen in der Nato-Zentrale zum Eröffnungsgipfel ein, einer lässt auf sich warten – der deutsche Kanzler Olaf Scholz. Er fehlt auch beim Gruppenfoto und bei der (verspäteten) Gipfeleröffnung. Zwar eilt er danach schnell zu seinem Platz, aber bei den Inhalten bleibt es dabei: Deutschland ist vom Motor Europas zu dessen Bremser geworden.
Zwar betonte Scholz, Deutschland werde „sein volles Gewicht als führende Wirtschaftsnation einsetzen“. Doch zugleich beklagte Estlands Regierungschefin Kaja Kallas, dass ihr Land mit 1,3 Millionen Einwohnern derzeit mehr für die Ukraine tue als „Länder mit 80 Millionen Einwohnern“. Bei der Lieferung von Abwehrwaffen hatten die Ukrainer und die Nato-Partner deutlich mehr von den Deutschen erwartet. Das gilt auch für das Kohle-, Öl- und Gas-Embargo, ohne das täglich viele Hundert Millionen Euro in das kriegführende Russland gepumpt werden. Während die östlichen Länder der Europäischen Union dringend dazu raten, steht das Thema aus deutscher Sicht„nicht auf der Tagesordnung“.
Natürlich erinnert sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dann sofort an die Reaktion von Scholz auf seinen eindringlichenVideoappell im Bundestag – nichts. Obwohl er ihn direkt angesprochen hatte. Das Bild komplettiert sich durch die Positionierung Deutschlands unter die Bedenkenträger bei dem Vorhaben, ein großes Zeichen zu setzen: der Ukraine den Status eines EU-Beitrittskandidaten zu geben. Das kostet keinen Cent und sagt nichts darüber, in wie vielen Jahren die Bedingungen für den Start von Beitrittsgesprächen gegeben sind. Es sagt als Gesamtbild aber sehr viel darüber, welch verheerendes Image sich Deutschland gerade in Europa erarbeitet.