Massengräber in Mariupol
Immer mehr ukrainische Städte sind von russischen Truppen eingeschlossen.
Die Beobachter des UN-Menschenrechtsteams in der Ukraine erhalten immer mehr Hinweise auf Massengräber in der eingekesselten Stadt Mariupol. In einem Grab sollen 200 Leichen liegen, sagt die Leiterin der Beobachtergruppe, Matilda Bogner. Einige Beweise fänden sich in Satelliten-Aufnahmen. Mehr als 1035 Zivilisten seien bislang ums Leben gekommen. Ihr Team untersuche mutmaßlich willkürliche Angriffe von beiden Seiten. So sollen Zivilisten gegen ihren Willen aus der Stadt nach Russland gebracht worden sein und russische Soldaten Zivilisten, die in Autos Mariupol verließen, getötet haben. Auch auf ukrainischer Seite gebe es Berichte über wahllosen Beschuss von Separatistengebieten. In zwei Fällen sollen Menschen wegen angeblich prorussischer Haltung getötet worden sein. Diese Berichte würden noch geprüft.
Die Kämpfe in der Ukraine halten unvermindert an. Russische Truppen haben die Stadt Tschernihiw im Norden der Ukraine einkesselt. Das teilte der GouverneurWiatscheslaw Tschaus mit. Die Stadt werde mit Artillerie und von Kampfflugzeugen beschossen. Die Kleinstadt Slawutytsch nördlich von Kiew ist ebenfalls nach Angaben der lokalen Behörden von russischen Truppen eingekesselt. Dort leben Arbeiter, die an der Instandhaltung des stillgelegten Atomkraftwerks Tschernobyl beteiligt sind.
Beim Beschuss einer Klinik in der ostukrainischen Stadt Charkiw sind nach Angaben der Polizei vier Menschen getötet worden. Am Morgen sei die Klinik von Raketen getroffen worden. Sie habe als Zentrum für humanitäre Hilfe gedient, eine militärische Einrichtung gebe es nicht in der Nähe, teilte die Polizei in den sozialen Medien mit.
Russische Truppen haben zudem nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau mit einem Raketenangriff ein großes Tanklager außerhalb der ukrainischen Hauptstadt Kiew zerstört. Zwei weitere Raketen trafen eine Einrichtung des ukrainischen Militärs am Rand der Metropole Dnipro. Es seien schwere Schäden entstanden, teilte der Gouverneur der Region, Walentyn Resnytschenko mit. Rettungskräfte suchten in den Trümmern nach Überlebenden. Dnipro ist die viertgrößte Stadt des Landes.
Auch die Hauptstadt Kiew bleibt umkämpft. Die ukrainischen Truppen haben nach britischen Angaben Städte und Verteidigungsstellungen bis zu 35 Kilometer östlich von Kiew zurückerobert. Dazu beigetragen habe, dass die russischen Truppen sich zurückfallen ließen, weil ihre Nachschublinien überdehnt seien, teilte das britische Verteidigungsministerium mit.
Aus Deutschland sind am Freitag weitereWaffen für den Kampf gegen die russischen Angreifer eingetroffen: 1500 Luftabwehrraketen vom Typ „Strela“und 100 Maschinengewehre MG3. Hinzu kommen 8 Millionen Schuss Munition für Handfeuerwaffen.
Erstmals seit Anfang März hat der russische Generalstab am Freitag Zahlen seiner getöteten Soldaten genannt. Demnach seien in der Ukraine bislang 1351 Russen getötet und 3825 verletzt worden. Experten gehen allerdings von Tausenden toten russischen Soldaten aus.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow sieht Russland einem „totalen Krieg“durch den Westen ausgesetzt. Das Ziel sei es, „die russische Wirtschaft und Russland als Ganzes zu zerstören, brechen, vernichten, strangulieren“.
Die Bereitschaft, den Opfern des Kriegs zu helfen, ist unterdessen in Deutschland ungebrochen hoch. Bisher sind 631 Millionen Euro für die Menschen in und aus der Ukraine gespendet worden, so das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen. Angesichts der weiter hohen Spendenbereitschaft sei zu erwarten, dass die Hilfen für die Ukraine zum höchsten Spendenaufkommen führen werden, das seit dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland für eine einzelne Katastrophe gemessen worden sei.