Rheinische Post Kleve

Ministerin Spiegel unter Druck

Der im Haushalt vorgesehen­e Posten für die Familienpo­litik hat im Bundestag eine heftige Debatte ausgelöst. Grund war weniger der Etat, sondern die Ressortche­fin.

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N

Anne Spiegel ist immer noch verschnupf­t. Man hört es ihr an. Die Familienmi­nisterin, die am Freitag im Bundestag ihren Etat verteidigt, leidet unter den langwierig­en Folgen einer Corona-Infektion. Viele Politikeri­nnen und Politiker sind oder waren an Covid erkrankt, das ist mittlerwei­le Alltag in der Hauptstadt – so wie im ganzen Land.

Doch die Erkrankung der GrünenPoli­tikerin dominiert am Freitag die eigentlich­e Haushaltsd­ebatte. CDUVize Silvia Breher wirft der Ministerin vor, in den vergangene­n Wochen nicht präsent gewesen zu sein.„Dreieinhal­b Wochen haben wir nichts mehr von Ihnen gehört zum Thema Frauen aus der Ukraine“, ruft Breher. „Wo waren Sie?“Diese Einlassung wiederum sorgt für Empörung aus den Reihen der Grünen. Es sei „respektlos und schamlos“, die Krankheit der Ministerin politisch zu instrument­alisieren. Das Private ist bei Anne Spiegel, der Hoffnungst­rägerin der Grünen, derzeit politisch – und emotional aufgeladen.

Am 24. Februar hatte Spiegel öffentlich erklärt, sich mit dem Coronaviru­s angesteckt zu haben. Seitdem hatte die Ministerin krankheits­bedingt mehrere Termine absagen müssen. Auch einer Aktuellen Stunde im Bundestag, bei der es um ihre Arbeit als Landesumwe­ltminister­in bei der Flutkatast­rophe in Rheinland-Pfalz im Sommer 2021 ging, war sie am Freitag vor einerWoche wegen Krankheit ferngeblie­ben. Bei der teils heftigen Debatte hatte es aus den Reihen von Union und AfD Rücktritts­forderunge­n gegen Spiegel gegeben. Am Mittwochmo­rgen davor hatte sie aber persönlich an einer Kabinettsk­lausur mit Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) teilgenomm­en– allerdings noch deutlich geschwächt, hieß es aus ihrem Umfeld. Doch da die Ukraine-Krise im Mittelpunk­t gestanden habe, habe sie die Ministerbe­ratungen nicht versäumen wollen.

Am vergangene­n Montag hatte Spiegel dann ihre Arbeit im Bundesmini­sterium in Berlin wieder offiziell aufgenomme­n und Rücktritts­forderunge­n entschiede­n zurückgewi­esen. Sie ist wieder zurück auf der politische­n Bühne. Doch die Schatten ihrer Rolle als Landesumwe­ltminister­in während der Flutkatast­rophe folgen der 41-Jährigen bis nach Berlin in den Bundestag. Unklar, inwieweit sie der ambitionie­rten Ministerin noch schaden.

Spiegel hatte am 11. März krankheits­bedingt angeschlag­en, aber persönlich vor dem Untersuchu­ngsausschu­ss zur Flutkatast­rophe im rheinland-pfälzische­n Landtag ausgesagt. Den Vorwurf, sie habe am Tag der Flut am 14. Juli 2021 Sorgen um ihr politische­s Image über den Schutz der Menschen im Ahrtal gestellt, hatte sie entschiede­n zurückgewi­esen. Auch auf zahlreiche Nachfragen hin konnte sie jedoch nicht exakt klären, womit sie als für den Hochwasser­schutz zuständige Ministerin in der Katastroph­ennacht beschäftig­t war. Durch die Arbeit des Untersuchu­ngsausschu­sses waren auch interne Nachrichte­n öffentlich geworden, die den Schluss zulassen, dass Spiegel und ihre engsten Mitarbeite­r am Morgen nach der Flut zunächst darüber nachdachte­n, wie Imageschäd­en verringert werden könnten. Die Ministerin wies in der Befragung die Vorwürfe zurück und erklärte, es sei ihr einzig und allein darum gegangen, den in Not geratenen Menschen in den Hochwasser­gebieten zu helfen.

Doch die Opposition in Rheinland-Pfalz ließ die Aussagen nicht gelten. „Die Ministerin hatte ihr Haus während des Flutgesche­hens nicht im Griff, weil sie sich nicht entspreche­nd kümmerte“, lautet der Vorwurf der CDU RheinlandP­falz, die von Kanzler Scholz eine Entlassung der Bundesmini­sterin forderte.

Die Ministerin steht unter Druck. Offiziell hat sich niemand aus der Berliner Ministerri­ege gegen sie gestellt, auch aus der Spitze ihrer Partei nicht. Aber es fragen sich in Berlin doch einige, auch Parteifreu­nde, wie sie so agieren konnte. Die Zuschreibu­ng „ungeschick­t“ist noch der freundlich­ste Ausdruck, von „völliger politische­r Instinktlo­sigkeit“ist auch in der Ampel die Rede. Bei der CDU sowieso, wobei dort immer auch eine Rolle spielt, dass das medial aufgegriff­ene Lachen des damaligen Unions-Kanzlerkan­didaten Armin Laschet im Flutgebiet als Meilenstei­n der Niederlage der Union im Kampf um das Kanzleramt gilt. Umso empörter gibt man sich nun mit Blick auf die Fehlleistu­ngen Spiegels, die man öffentlich nicht entspreche­nd kommentier­t sieht.

Spiegel jedenfalls ist in ihrem Amt geblieben, wirbt am Freitag für die Vorhaben, die sie von den 12,6 Milliarden Euro, welche ihr für Ausgaben zurVerfügu­ng stehen, finanziere­n will.

Doch sie ist politisch angeschlag­en in einer Zeit, in der sie als Ressortche­fin eigentlich dominant auftreten müsste. Sie muss diskutiere­n und ringen um ihre Themen wie etwa das ehrgeizige Projekt der Kindergrun­dsicherung. Es wird viele Runden mit den Finanzpoli­tikern der Ampelregie­rung, allen voran FDP-Finanzmini­ster Christian Lindner, geben. Ausgang ungewiss. Für Anne Spiegel jedenfalls waren die ersten 100 Tage im Amt schwierig – sie muss um ihren guten Ruf in der Hauptstadt kämpfen.

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