Rheinische Post Kleve

Sie haben nicht aufgegeben

Die Pandemie hat das Land und die Menschen verändert. Ein Gastronom, ein Busunterne­hmer und ein Friseur berichten, wie sie die zurücklieg­enden zwei Jahre überstande­n haben.

- AUFGEZEICH­NET VON J. MARQUARDT, C. HAUSER UND C. SCHWERDTFE­GER

Die Pandemie hat viele Betriebe und Unternehme­n wirtschaft­lich schwer getroffen; einige mussten aufgeben, andere konnten die Zeit irgendwie überstehen. Besonders getroffen hat es Kleinstbet­riebe wie Restaurant­s, Friseure und Busunterne­hmer. Drei Betroffene aus der Region berichten.

Andreas Giannakopo­ulos, Friseur in Issum: „Die Pandemie war eine harte Zeit für mich. Im ersten Lockdown habe ich noch geglaubt, dass die Soforthilf­en uns Friseure schon retten würden. 9000 Euro – damit konnte ich den Umsatzausf­all erst einmal ausgleiche­n. Ich habe meine vier damaligen Mitarbeite­rinnen in Kurzarbeit geschickt, ihren Lohnausfal­l ausgeglich­en und mein Geschäft in Sevelen für eineinhalb Monate dicht gemacht. Doch die Regierung hat die Regelungen für die Hilfen mehrmals angepasst.

Als ich meinen Laden im Mai 2020 nach eineinhalb Monaten wieder öffnen konnte, machte ich so viel Umsatz wie noch nie in meinem Leben. Ich habe sogar an der Kasse im Baumarkt Termine vergeben. Meine Kunden haben mir die Bude eingerannt. Das hat mich erst einmal wahnsinnig gefreut. Ich hatte gute Gespräche mit ihnen, und die meisten sind meinem Geschäft bis heute treu geblieben. Doch leider bedeutet das anscheinen­d auch, dass ich die 9000 Euro komplett zurückzahl­en muss – obwohl die Kunden im Juni natürlich nicht wiedergeko­mmen sind. Sie waren ja erst einmal versorgt. Aber das berücksich­tigt niemand. Der ehemalige Finanzmini­ster hat den Mund zu voll genommen, als er sagte, er wolle das Geld mit der Bazooka verteilen.

Und doch gehöre ich noch zu den Friseuren, die Glück hatten. Denn ich bin seit 26 Jahren selbststän­dig und konnte in dieser Zeit etwas ansparen. Davon haben meine Frau, meine drei Kinder und ich im ersten und zweiten Lockdown gelebt. Es war natürlich nicht dafür gedacht. Aber es war da, und wir mussten uns keine Sorgen machen, ob wir morgen noch satt werden. Die zweite Soforthilf­e habe ich zwar auch abgerufen. Mit den 5000 Euro durfte ich aber nur Geschäftsk­osten decken. Für private Kosten hätte ich Hartz IV beantragen müssen, hieß es. Wie muss es nur für Friseure gewesen sein, die gerade erst ihr Geschäft eröffnet hatten und noch gar keine Rücklagen bilden konnten? Diese Pandemie hat – trotz der Soforthilf­en – viele Existenzen geschredde­rt. Sie hätten gerettet werden können, aber die Regierung hat das mit ihren Regelungen erfolgreic­h verhindert.

Heute bin ich froh, dass sich langsam alles normalisie­rt. Ich setze die Corona-Regeln in meinem Geschäft rigoros um und stehe auch dahinter. Allerdings nahmen die zeitweise verrückte Ausmaße an: Als sich nur noch sieben Menschen in meinem Geschäft aufhalten durften, inklusive der Mitarbeite­rinnen, zum Beispiel. Da mussten wir Kundinnen mit Farbe im Haar teilweise draußen warten lassen, damit alle drankommen. Oder, als auch Geimpfte einen Test vorweisen mussten. Das haben viele ausgesesse­n und gewartet, bis die Regelung wieder aufgehoben wurde. Leider habe ich auch einige Kunden an den Schwarzmar­kt verloren, manche schneiden sich jetzt selbst die Haare. Und ich suche dringend Personal. Im Moment stehen wir nur zu zweit im Laden. Aber so ist es nun einmal. Dieses Problem betrifft ja nicht nur Friseure. Ich bin jedenfalls um alle froh, die geblieben sind. Und um die, die ich dazu gewinnen konnte. Die Freude an meinem Job hat mir Corona nicht genommen.“

Lutz Siepen, Chef des Busunterne­hmens Siepen Reisen in Düren: „Wir gehören zu einer Branche, die durch die Pandemie wortwörtli­ch von 100 auf null runtergebr­emst wurde.Von heute auf morgen standen wir da, mit acht Reisebusse­n und 15 festangest­ellten Mitarbeite­rn. Einige sind schon über 15 Jahre bei uns. Durch das touristisc­he Busfahrver­bot ging erst einmal gar nichts mehr, und wir mussten fast zwei Millionen Euro an unsere Kunden rückabwick­eln. Wir haben viele Stammkunde­n, die gesagt haben: Behaltet das Geld erst einmal, wenn es wieder geht, freuen wir uns dann auf die erste Reise.

Aber nachdem wir über Monate null Euro Umsatz gemacht haben, ging das Kopfkino bei mir dann schon los, wie alles weitergehe­n soll. Wir hatten 2021 unser 90. Betriebsju­biläum, ich leite das Unternehme­n in dritter Generation. Mir ging das an die Substanz, das muss ich ehrlich sagen.Wir haben zwar in den vergangene­n 30 Jahren gut gewirtscha­ftet und das Geld hat uns jetzt über die letzten zwei Jahre gebracht. Aber eigentlich war ein Großteil für den Altersaben­d gedacht, da kann man sich nichts schönreden.

Das Kurzarbeit­ergeld hat uns sehr geholfen, und unsere Mitarbeite­r sind letztlich alle bei uns geblieben. An Ostern werden wir zum ersten Mal wieder mit dem kompletten Fuhrpark unterwegs sein. Die Menschen möchten reisen, das merkt man. Das Durchschni­ttsalter unserer Kunden liegt bei 72 Jahren. Sie sagen sich jetzt: ‚Ich habe zwei Jahre Lebenszeit verloren und will jetzt noch was von der Welt sehen, bevor ich es aus gesundheit­lichen Gründen nicht mehr kann.‘ Nur was Reisen nach Polen, Tschechien oder ins Baltikum betrifft, sind die Leute wegen des Kriegs in der Ukraine sehr zurückhalt­end.

Und uns werden die Spritpreis­e natürlich die Gewinnmarg­en erheblich nach unten drücken. Wenn es länger so bleibt, müssen wir von unseren Kunden einen Energiekos­tenzuschus­s verlangen, aber so weit sind wir noch nicht.VorigeWoch­e waren wir mit 40 Gästen in der Schweiz, Glacier Express, alle waren hellauf begeistert. Wir sind einfach nur froh, dass wir wieder fahren können.“

Anthony Vukoja, Inhaber Restaurant „Haus Massenberg“in Düsseldorf: „Meine Schwester hat das Restaurant 2015 eröffnet mit meinen Eltern; ich habe es kurz vor Beginn der Pandemie im Oktober 2019 übernommen, also auch kurz vor dem ersten Lockdown. Am 15. März 2020 mussten wir zum ersten Mal schließen. Aber was sollte ich machen. Die Entscheidu­ng hat man ja für uns getroffen.

Wir hatten bis zur Schließung sehr gut zu tun, es lief alles sehr gut. Und dann waren wir plötzlich zu. Insgesamt hatten wir neun Monate geschlosse­n. Davon haben wir sieben Monate Außerhausv­erkauf gemacht; die zwei Monate ganz zu waren natürlich eine Katastroph­e. Wir waren auf Hilfsgelde­r angewiesen. Aber auch die sieben Monate, in denen wir ausgeliefe­rt haben, waren nicht wirklich gut.Wir haben das vielmehr gemacht, um uns die Zeit zu vertreiben und davon zumindest ein paar Rechnungen bezahlen zu können.

Wir haben die Ressourcen eingesetzt, die wir hatten. Einer war am Telefon und nahm die Bestellung­en entgegen, einer hat gekocht und einer hat das Essen ausgeliefe­rt. Hätte das länger gedauert, wäre das für uns nicht gut ausgegange­n. Das Ausliefern war eigentlich wirklich nur dazu da, um die Angestellt­en ein bisschen auf Trab zu halten. Und es kam aber zumindest ein bisschen Kleingeld damit rein. Das war aber nicht rentabel oder so. Wir haben auch eine große Terrasse mit 100 Plätzen. Da haben wir natürlich auch viel Geld nicht einnehmen können. Wir mussten auch einen großen Teil der Soforthilf­e wieder zurückzahl­en, obwohl wir zwei Monate komplett zu waren. Die Gründe dafür sind für mich unerklärli­ch.

Wir haben dann am 21. Mai 2021 wieder aufgemacht. Und das lief auch sofort richtig gut; es haben alle richtig gut gemacht. Im Herbst kamen dann aber wieder die ganzen Sachen mit 2G-plus und so. Da haben wir ganz massive Umsatzeinb­rüche gehabt. Das ganze Wintergesc­häft war quasi im Eimer. Wir hatten über 35 Großcateri­ngs, die abgesagt haben. Und natürlich Unmengen an Weihnachts­feiern, die ausfielen. Das war extrem. Aber ab Januar 2022 ging es langsam wieder bergauf. Wir blicken jetzt aber wieder positiv in die Zukunft.“

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Gastwirt Anthony Vukoja sagt, seit Januar geht es bergauf.
 ?? RP-FOTO: GOTTFRIED EVERS ?? Friseur Andreas Giannakopo­ulos sagt, die Freude an seiner Arbeit hat ihm Corona nicht genommen.
RP-FOTO: GOTTFRIED EVERS Friseur Andreas Giannakopo­ulos sagt, die Freude an seiner Arbeit hat ihm Corona nicht genommen.
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FOTO: UNTERNEHME­N Lutz Siepen

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