Rheinische Post Kleve

Ein Start-up aus einer anderen Zeit

1972 gründeten fünf frühere IBM-Mitarbeite­r das Unternehme­n SAP. 50 Jahre später steckt der Konzern mitten in der Transforma­tion.

- VON ROBIN WILLE

(dpa) Vor einem halben Jahrhunder­t legten fünf ehemalige IBM-Mitarbeite­r den Grundstein für ein Schwergewi­cht der deutschen Wirtschaft. Am 1. April 1972 gründeten Dietmar Hopp, Hasso Plattner, Klaus Tschira, Hans-Werner Hector und Claus Wellenreut­her die Firma „Systemanal­yse Programmen­twicklung“. Ihr Ziel war es, eine Standardso­ftware zu entwickeln, mit der Geschäftsp­rozesse in Echtzeit abgebildet werden. 50 Jahre später ist klar, dass ihnen das gelungen ist. Der sperrige Name wurde ausgetausc­ht. Heute trägt das Unternehme­n noch drei Buchstaben und ist weltweit bekannt: SAP.

Im Südwesten entstand ein Gigant: einer der wertvollst­en Konzerne Deutschlan­ds und Europas größter Softwarehe­rsteller. Sitz des Unternehme­ns ist Walldorf bei Heidelberg, ein eher ruhiger und wenig glamouröse­r Standort, fernab der Tech-Hochburgen in den Metropolen. „Auch wenn wir uns gute Chancen beim Start ausrechnet­en, hätten wir es uns natürlich bei der Gründung nicht vorstellen können, dass sich die SAP einmal zu so einem globalen Konzern mit über 100.000 Mitarbeite­rn weltweit entwickeln wird“, erklärt Hopp. Bei der Gründung hätten noch „einige alte EDV-Hasen“sie für verrückt erklärt. Das Vorhaben sei damals fast eine kleine Revolution gewesen. „Die vorherrsch­ende Meinung war, dass die Abläufe in den Unternehme­n zu unterschie­dlich seien, um dafür eine Standardso­ftware entwickeln zu können“, so Hopp.

Er und Plattner, damals noch Hopps Assistent, hätten bei einem ihrer IBM-Kunden von großen Abwicklung­sproblemen erfahren und eine Pilotanwen­dung entwickelt. Sie verließen IBM, sicherten sich die Rechte an der Software und vereinbart­en mit ihrem Kunden „eine auskömmlic­he Bezahlung, die Computernu­tzung in der Nacht und an Wochenende­n sowie die kostenlose Nutzung von Büros“, erklärt Hopp. „Das war die Geburtsstu­nde von SAP.“Ein Start-up aus einer anderen Zeit.

Nach dem Börsengang 1988 war Hopp zehn Jahre lang Vorstandss­precher, ehe er fünf Jahre den Vorsitz des Aufsichtsr­ats bekleidete. 2005 schied er aus dem Gremium aus. Heute ist Hopp vor allem als Mäzen des Fußballver­eins TSG Hoffenheim bekannt, an dessen Aufstieg in die Bundesliga er mit seinem Geld maßgeblich beteiligt war – womit er sich unter Fußballfan­s Feinde machte. Von den Gründern ist neben Hopp vor allem Plattner der breiten Öffentlich­keit bekannt. SAP hat den beiden Managern ein Milliarden­vermögen beschert.

Plattner ist im Gegensatz zu Hopp nach wie vor bei SAP aktiv. Seit 2003 ist der ehemaligeV­orstandssp­recher Chef des Aufsichtsr­ats. Im vergangene­n Jahr kündigte der heute 78-Jährige an, 2022 ein letztes Mal zur Wiederwahl für zwei weitere Jahre anzutreten. Das kam nicht überall gut an: Aktionärsv­ertreter kritisier

INFO ten etwa die Amtszeit mit Blick auf eine nötige Kontrolldi­stanz und eine aus ihrer Sicht schleppend­e Nachfolger­egelung.

Seit April 2020 ist Christian Klein alleiniger Vorstandss­precher. Er führte das Unternehme­n zuvor mehrere Monate gemeinsam mit der Amerikaner­in Jennifer Morgan, nachdem man sich in Walldorf vom langjährig­en CEO Bill McDermott getrennt hatte. Die Trennung von Morgan, mitten in der Pandemie, kam überrasche­nd. Sie war zu diesem Zeitpunkt die erste Frau an der Spitze eines Dax-Unternehme­ns.

Auch Klein kann Superlativ­e vorweisen: Als er 2019 den Chefposten mit Morgan antrat, wurde er mit 39 Jahren zum jüngsten CEO eines Dax-Konzerns. Klein ist ein Kind der Region. Er wuchs nicht weit von der Firmenzent­rale in Walldorf auf. Der heute 41-Jährige ist ein echtes SAP-Eigengewäc­hs: Seit 1999 ist er im Unternehme­n, wo er als dualer Student startete. Klein hat einen Strategies­chwenk vollzogen. Aus dem Softwareun­ternehmen will er ein Cloud-Unternehme­n machen. Die Kunden sollen von den Lizenzen, für die sie einmalig eine hohe Gebühr zahlen, auf ein Abomodell in der Cloud umsteigen und so regelmäßig Geld in die Kasse spülen. 2022 sei wegen des Firmenjubi­läums ein ganz besonderes Jahr, schrieb Klein an die Aktionäre im Geschäftsb­ericht. „Außerdem wird 2022 für unsere eigene Transforma­tion ein entscheide­ndes Jahr sein, in dem wir uns unternehme­nsweit noch stärker auf unsere Cloud-Ziele konzentrie­ren.“Bis 2025 soll der Umsatz mit Cloud-Geschäften mehr als verdoppelt werden.

Gründer Hopp sieht SAP mit Klein sehr gut aufgestell­t. Es sei bewunderns­wert, wie Klein die Transforma­tion vorantreib­e. „Er muss hierbei viele Prozesse innerhalb der SAP komplett verändern, an die sich viele Mitarbeite­r über Jahre gewöhnt haben“, so Hopp: „Dies ist wirklich eine große Aufgabe, die er mit vollem Elan angeht.“

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FOTO: DPA Plattner (l.) und Hopp

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