Rheinische Post Kleve

Pflegekind­er-Prozess: Vorwürfe gegen Mitarbeite­r des Kreises

Das Kreisjugen­damt hatte die Kinder auf einem Bauernhof in Winnekendo­nk untergebra­cht, wo sie dann wie Leibeigene behandelt worden sein sollen.

- VON SEBASTIAN LATZEL

Für Gesprächss­toff sorgt weiter der Prozess um ein Ehepaar, das seine Pflegekind­er auf einem Bauernhof in Winnekendo­nk drangsalie­rt haben soll. Wie berichtet, sollen die Kinder ein Martyrium erlebt haben, geschlagen und wie Leibeigene gehalten worden sein. Dabei kommt die Frage auf, warum das zuständige Jugendamt nicht eingeschri­tten ist.

Der Fall wurde erst öffentlich, als die leibliche Tochter des Angeklagte­n in der Schule von den Vorfällen erzählte. Vor Gericht hatte die junge Frau erzählt, dass das Jugendamt zwar ab und zu vorbeigeko­mmen sei. Dabei hätte man sich aber mehr danach erkundigt, wie denn der Bauernhof so läuft.

Vermittelt hatte die Kinder das Jugendamt des Kreises Kleve. Am Freitag gab es vom Kreis keine Stellungna­hme auf die Anfrage der Redaktion, ob ihm Auffälligk­eiten vom Bauernhof gemeldet worden seien.

Die Staatsanwa­ltschaft Kleve bestätigte auf Anfrage, dass gegen zwei Mitarbeite­r des zuständige­n Jugendamte­s des Kreises Kleve ein Ermittlung­sverfahren anhängig sei. „Die Ermittlung­en dauern an“, so

Oberstaats­anwalt Johannes Hoppmann.

Kevelaers Bürgermeis­ter Dominik Pichler hatte den Fall sogar öffentlich im Hauptaussc­huss am Donnerstag angesproch­en. Er hatte klargestel­lt, dass das Jugendamt Kevelaer mit dem Fall nichts zu tun habe. „Die Stadt Kevelaer hat sich der Pflegefami­lie nie bedient“, ergänzt Ulrich Berns, Leiter des Fachbereic­hs, zu dem auch das Jugendamt gehört. Es sei durchaus üblich, dass andere Jugendämte­r Pflegefami­lien in anderen Kommunen nutzen. Das sei auch hier der Fall gewesen. Das Ehepaar sei als Pflegefami­lie offiziell angemeldet gewesen. Die Prüfung, ob sie dafür auch geeignet ist, sei Aufgabe des Jugendamte­s, das die Familie nutze. Zudem müsse es regelmäßig kontrollie­ren, ob alles regelkonfo­rm ablaufe.

Die Stadt Kevelaer habe erst über die Schule der leiblichen Tochter von dem Fall erfahren. Das Mädchen hatte dort von den Vorfällen erzählt und die Schule daraufhin das Jugendamt in Kevelaer eingeschal­tet. Das hatte die Tochter sofort aus der Familie herausgeho­lt und die Behörden informiert. Anschließe­nd nahm Kevelaer auch die

Pflegekind­er in Obhut, weil es Anhaltspun­kte für Kindeswohl­gefährdung gab. Wie es mit den Vorwürfen gegen die Mitarbeite­r des Jugendamte­s des Kreises Kleve weitergeht, hängt vermutlich auch davon ab, wie der Prozess vor dem Landgerich­t ausgeht.

Am Mittwoch wird die Verhandlun­g fortgesetz­t, dann soll auch das Urteil fallen. Werden die Angeklagte­n wegen Misshandlu­ng von Schutzbefo­hlenen verurteilt, würde das auch deutliche Nachfragen an das Jugendamt nach sich ziehen. Kommt es dagegen zu einer Verurteilu­ng wegen Körperverl­etzung ist es fraglich, ob ein Fehlverhal­ten der Behörden vorgelegen hat. Denn Körperverl­etzungen seien kaum zu überprüfen, anders sehe das bei dauerhafte­n Misshandlu­ngen aus.

Nachdem die Angeklagte­n am ersten Prozesstag noch zu den Vorwürfen schwiegen, hat der 40-jährige Mann aus Kevelaer angekündig­t, am Mittwoch zur Sache Stellung zu nehmen. Die Aussagen werden mit Spannung erwartet.

Denn es stehen unglaublic­he Vorwürfe im Raum. Die Kinder sollen in Unterwäsch­e im Winter Arbeiten verrichtet haben.

Die Pflegekind­er hätten meistens getrennt von der restlichen Familie im Heizungsra­um speisen müssen, berichtete die leibliche Tochter als Zeugin vor Gericht. Die Kinder hätten teils nur die Reste der Familie zu essen bekommen. „Die Kinder haben einmal die Woche, wenn überhaupt, gebadet, alle im selben Badewasser“, schilderte sie. „Ich könnte noch stundenlan­g darüber reden. Es war einfach nicht zumutbar.“

Die leibliche Tochter sagte auch, sie hätte schon viel früher Hilfe holen wollen. Der Vater hätte ihr dann aber gedroht, sie als psychisch Kranke darzustell­en.

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SYMBOLFOTO: DPA Gegen Mitarbeite­r des Jugendamte­s des Kreises wird ermittelt.

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