Pflegekinder-Prozess: Vorwürfe gegen Mitarbeiter des Kreises
Das Kreisjugendamt hatte die Kinder auf einem Bauernhof in Winnekendonk untergebracht, wo sie dann wie Leibeigene behandelt worden sein sollen.
Für Gesprächsstoff sorgt weiter der Prozess um ein Ehepaar, das seine Pflegekinder auf einem Bauernhof in Winnekendonk drangsaliert haben soll. Wie berichtet, sollen die Kinder ein Martyrium erlebt haben, geschlagen und wie Leibeigene gehalten worden sein. Dabei kommt die Frage auf, warum das zuständige Jugendamt nicht eingeschritten ist.
Der Fall wurde erst öffentlich, als die leibliche Tochter des Angeklagten in der Schule von den Vorfällen erzählte. Vor Gericht hatte die junge Frau erzählt, dass das Jugendamt zwar ab und zu vorbeigekommen sei. Dabei hätte man sich aber mehr danach erkundigt, wie denn der Bauernhof so läuft.
Vermittelt hatte die Kinder das Jugendamt des Kreises Kleve. Am Freitag gab es vom Kreis keine Stellungnahme auf die Anfrage der Redaktion, ob ihm Auffälligkeiten vom Bauernhof gemeldet worden seien.
Die Staatsanwaltschaft Kleve bestätigte auf Anfrage, dass gegen zwei Mitarbeiter des zuständigen Jugendamtes des Kreises Kleve ein Ermittlungsverfahren anhängig sei. „Die Ermittlungen dauern an“, so
Oberstaatsanwalt Johannes Hoppmann.
Kevelaers Bürgermeister Dominik Pichler hatte den Fall sogar öffentlich im Hauptausschuss am Donnerstag angesprochen. Er hatte klargestellt, dass das Jugendamt Kevelaer mit dem Fall nichts zu tun habe. „Die Stadt Kevelaer hat sich der Pflegefamilie nie bedient“, ergänzt Ulrich Berns, Leiter des Fachbereichs, zu dem auch das Jugendamt gehört. Es sei durchaus üblich, dass andere Jugendämter Pflegefamilien in anderen Kommunen nutzen. Das sei auch hier der Fall gewesen. Das Ehepaar sei als Pflegefamilie offiziell angemeldet gewesen. Die Prüfung, ob sie dafür auch geeignet ist, sei Aufgabe des Jugendamtes, das die Familie nutze. Zudem müsse es regelmäßig kontrollieren, ob alles regelkonform ablaufe.
Die Stadt Kevelaer habe erst über die Schule der leiblichen Tochter von dem Fall erfahren. Das Mädchen hatte dort von den Vorfällen erzählt und die Schule daraufhin das Jugendamt in Kevelaer eingeschaltet. Das hatte die Tochter sofort aus der Familie herausgeholt und die Behörden informiert. Anschließend nahm Kevelaer auch die
Pflegekinder in Obhut, weil es Anhaltspunkte für Kindeswohlgefährdung gab. Wie es mit den Vorwürfen gegen die Mitarbeiter des Jugendamtes des Kreises Kleve weitergeht, hängt vermutlich auch davon ab, wie der Prozess vor dem Landgericht ausgeht.
Am Mittwoch wird die Verhandlung fortgesetzt, dann soll auch das Urteil fallen. Werden die Angeklagten wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen verurteilt, würde das auch deutliche Nachfragen an das Jugendamt nach sich ziehen. Kommt es dagegen zu einer Verurteilung wegen Körperverletzung ist es fraglich, ob ein Fehlverhalten der Behörden vorgelegen hat. Denn Körperverletzungen seien kaum zu überprüfen, anders sehe das bei dauerhaften Misshandlungen aus.
Nachdem die Angeklagten am ersten Prozesstag noch zu den Vorwürfen schwiegen, hat der 40-jährige Mann aus Kevelaer angekündigt, am Mittwoch zur Sache Stellung zu nehmen. Die Aussagen werden mit Spannung erwartet.
Denn es stehen unglaubliche Vorwürfe im Raum. Die Kinder sollen in Unterwäsche im Winter Arbeiten verrichtet haben.
Die Pflegekinder hätten meistens getrennt von der restlichen Familie im Heizungsraum speisen müssen, berichtete die leibliche Tochter als Zeugin vor Gericht. Die Kinder hätten teils nur die Reste der Familie zu essen bekommen. „Die Kinder haben einmal die Woche, wenn überhaupt, gebadet, alle im selben Badewasser“, schilderte sie. „Ich könnte noch stundenlang darüber reden. Es war einfach nicht zumutbar.“
Die leibliche Tochter sagte auch, sie hätte schon viel früher Hilfe holen wollen. Der Vater hätte ihr dann aber gedroht, sie als psychisch Kranke darzustellen.