Zu viel Action für den Actionfilm
Michael Bay bringt mit „Ambulance“eine einzige Verfolgungsjagd ins Kino.
Regisseur Michael Bay hat sich in Hollywood mit epischen Zerstörungsorgien einen Namen gemacht – ob als patriotisches Spektakel in „Armageddon“(1998) und „Pearl Harbor“(2001) oder al RoboterGemetzel in fünf „Transformers“Filmen. Diesem Ruf bleibt er auch in seinem neuen Film„Ambulance“treu, in dem Bay über mehr als zwei Kinostunden hinweg eine halsbrecherische Verfolgungsjagd orchestriert.
Will (Yahya Abdul-Mateen II), der als Soldat im Irak die verkorkste Außenpolitik seines Vaterlandes tapfer vertreten hat, ist in finanziellen Schwierigkeiten. Seine krebskranke Frau Amy (Moses Ingram) braucht dringend eine Operation, die von der Krankenkasse als„experimentell“eingestuft und nicht bezahlt wird. Gegen alle Vorsätze wendet er sich an seinen Bruder Danny (Jake Gyllenhaal), dessen Familie ihn nach dem Tod seiner Eltern adoptiert hat.
Genau wie derVater ist auch Danny ganz groß ins Bankräuber-Geschäft eingestiegen und zieht nun den Adoptivbruder in einen 32 Millionen Dollar schweren Coup hinein. Aber der Plan läuft spektakulär aus dem Ruder und endet in einer blutigen Massenschießerei, aus der Will und Danny mit einem Krankenwagen entkommen. Mit an Bord als Geiseln sind ein schwer verletzter Polizist und die mit allen Wassern gewaschene Notfallmedizinerin Cam (Eiza González). Und los geht es mit Blaulicht und Tatütata kreuz und quer durch Los Angeles.
Dicht auf den Fersen ist den ungleichen Gebrüdern nicht nur eine ganze Armada von Streifenwagen und Polizeihelikoptern, sondern auch ein auf Bankräuber spezialisiertes Sondereinsatzkommando, das in röhrenden Muscle-Cars die Verfolgung aufnimmt. „Wir werden nicht anhalten“kündigt Danny dem Einsatzleiter über Funk an und damit ist das Konzept des Filmes auch hinreichend beschrieben. In der Traditionslinie von „Speed“(1998) werden maximale Geschwindigkeit und Zerstörung zum Antriebsmotor des Films. Im Gegensatz zu Jan De Bonts Genre-Klassiker findet Bay in „Ambulance“keinen Erzählrhythmus, sondern lässt den Fuß mit voller Kraft auf dem Gaspedal und schießt sich ins totale Action-Delirium.
Von Anfang an setzt Bay auf überhitzte Schnitt-Orgien, permanente Perspektivwechsel und einen inflationären Einsatz der Drohnen-Technologie, mit der sich die Kamera sinnfrei an Häuserfassaden hinabstürzt und dicht über den rasenden Autos fliegt. Das alles bewegt sich sicherlich handwerklich auf hohem Niveau. Aber Bay kennt wieder einmal weder Maß noch Ziel, posiert mit technischen Möglichkeiten wie ein übertrainierter Bodybuilder und schrottet seinen millionenteuren Fuhrpark, als gäbe es kein Morgen. Auf der Strecke bleiben natürlich die Charaktere. Selbst verdiente Kräfte wie Jake Gyllenhaal oder Eiza González haben hier keine Chance, aus dem dünnen Dialogmaterial tragfähige Figuren zu entwickeln. Und so macht sich, während der Film im eigenen Adrenalinrausch badet, im Kinosessel spätestens nach einer Stunde ein Gefühl der Übersättigung breit, das sich in der zweiten Hälfte zu lautstarker Langeweile steigert.
„Ambulance“, USA 2022 – Regie: Michael Bay; mit Jake Gyllenhaal , Yahya Abdul-Mateen II , Eiza Gonzalez; 137 Minuten, FSK 16