Rheinische Post Kleve

Die Rückkehr ins Büro organisier­en

Die Homeoffice-Pflicht ist weggefalle­n. Viele Beschäftig­te werden nun regelmäßig­er im Unternehme­n sein – und müssen sich daran erst wieder gewöhnen. Anderersei­ts sind viele Betriebe für flexible Arbeitsmod­elle jetzt viel offener.

- VON AMELIE BREITENHUB­ER

Auch wenn die Corona-Zahlen derzeit weiter hoch sind: Seit dem 20. März haben Arbeitgebe­r es selbst in der Hand, über Corona-Regeln im Betrieb zu entscheide­n. Eine entspreche­nde Verordnung hat das Bundeskabi­nett beschlosse­n.

Damit endet auch die gesetzlich­e Verpflicht­ung zum Homeoffice. Es liegt künftig in den Händen der Arbeitgebe­r, ob sie ihren Beschäftig­ten Homeoffice anbieten wollen. Für Beschäftig­te kann das mitunter heißen, dass sie wieder häufiger ins Büro müssen.

Müssen wir uns nun erst wieder ans Büro gewöhnen?

„Für viele wird das eine Umstellung“, sagt Utz Niklas Walter vom Institut für Betrieblic­he Gesundheit­sberatung (IFBG) in Konstanz. Auch Jutta Rump, Direktorin am Institut für Beschäftig­ung und Employabil­ity (Ibe) in Ludwigshaf­en, geht davon aus, dass sich Beschäftig­te, die lange Zeit nicht vor Ort waren, bei der Rückkehr zunächst mehr denn je wieder den innerbetri­eblichen Strukturen anpassen müssen. „Im Homeoffice habe ich natürlich viel mehr Freiheiten“, sagt Rump. So ist die Führungsku­ltur im Homeoffice eine andere als in der Firma. Im Büro kann sich diese wieder zu mehr Beobachtun­g und Kontrolle entwickeln. Vor Ort würden Utz Niklas Walter zufolge viele Führungskr­äfte das Geschehen einfach anders bewerten als aus der Distanz.

Welche Herausford­erungen bringt die Rückkehr ins Büro?

Zum einen werden Pendeln und Wegzeiten wieder verstärkt Thema. Bei den Fahrten wird Beschäftig­ten oft erst wieder bewusst, wie viel Zeit dabei verloren geht, die sich nicht immer produktiv oder für sich selbst nutzen lässt. „Dieser Zeitverlus­t wird für viele spürbar sein“, sagt Walter. Er verweist auch auf zwischenme­nschliche Herausford­erungen:Wer lange Zeit gar nicht im Büro war, hat womöglich erst einmal mit einer gewissen Kontaktfre­mde zu kämpfen.

Jutta Rump spricht das Thema Konflikte an. Wer im Homeoffice Ärger mit Kollegen hat, kann sich eher erst mal wieder abreagiere­n. Am nächsten Tag hat sich die Situation meist entspannt. Im Büro hingegen, wo man sich jeden Tag sieht, kann sich ein Konflikt eher hochschauk­eln. „Das ist wie eine Art sich selbst verstärken­de Schleife.“

Welche Chancen bringt die Rückkehr ins Büro mit sich?

Natürlich bringt die Rückkehr ins Büro auch Positives, auf das in langen Homeoffice-Phasen verzichtet werden musste.„Ich habe den Eindruck, alle freuen sich, nun wieder zusammenzu­kommen“, sagt Jutta Rump. Utz Niklas Walter nennt auch die Arbeitspla­tzergonomi­e: „Man hat häufig bessere Bedingunge­n, was etwa Bildschirm­größe, Schreibtis­ch oder auch die Geräuschku­lisse angeht.“

Jutta Rump sieht die größte Chance darin, beim Arbeiten wieder im gleichen Raum zu sein. Das bestärkt den Teamspirit. Vor Ort lässt sich zudem flexibler zusammenar­beiten: „Ich rufe einmal durch den ganzen Raum: Können wir mal ganz kurz zusammenko­mmen? Und zack, sind wir da und stecken die Köpfe zusammen, ohne erst groß ein Meeting organisier­en zu müssen“, schildert sie es bildlich. Gerade beim Onboarding neuer Mitarbeite­r, bei der Arbeit mit Azubis oder im Zusammensp­iel mit Kunden seien das Vorteile.

Wie kann der Arbeitsall­tag künftig aussehen?

Nur wenige Unternehme­n werden wieder komplett auf Präsenz setzen, glaubt Utz Niklas Walter. „Ich denke, dafür wäre dasVerstän­dnis jetzt auch nicht mehr da.“Vielerorts lassen das wohl auch die derzeitige­n Infektions­zahlen noch gar nicht zu.

Jutta Rump plädiert für einen guten Mix. So ließe sich das Beste aus zwei Welten zusammenfü­hren. In Befragunge­n zeige sich, dass ein Großteil der Beschäftig­ten etwa eine Mischung aus zwei Tagen mobiler Arbeit und drei Tagen Büro favorisier­t. Letztendli­ch sei es aber oft eine sehr individuel­le Entscheidu­ng, wie Einzelne die für sie infrage kommende Mischform organisier­en. „Wir haben jetzt zwei Jahre Erfahrung unter verschärft­en Bedingunge­n, die meisten werden wissen, was sie brauchen“, sagt Rump.

So kann es„Büromensch­en“geben, die überwiegen­d im Office arbeiten wollen, während andere nur zum freitäglic­hen Austausch vor Ort sind. Wichtig sei, dass es eine gewisse Konstante für die betrieblic­he Planung gibt. Nur so können Modelle wie Desksharin­g verlässlic­h funktionie­ren.

Wie finden Teams gute Regelungen?

Nicht in jedem Unternehme­n wird sich auf Anhieb ein perfektes Modell finden. Utz Niklas Walter empfiehlt, dass sich Arbeitgebe­r und Mitarbeite­rvertretun­g gemeinsam auf Homeoffice-Regeln verständig­en, die den Wünschen beider Seiten Rechnung tragen.

Es liege aber auch in der VerFührung­skräfantwo­rtungantwo­rtungderFü­hrungskräf­te, proaktiv auf die Mitarbeite­r zuzugehen und zu fragen: Wie geht es euch mit der Rückkehr an den Arbeitspla­tz? Wie fühlt ihr euch mit den Regelungen?

Auch Jutta Rump hält Umfragen im Unternehme­n oder den direkten Austausch für den richtigen Weg. Allerdings gehe es nicht darum, einfach alle Wünsche einzelner Mitarbeite­r zu erfüllen. Entscheide­nd sei, ein Arbeitsmod­ell zu finden, das in den betrieblic­hen Rahmen passt und für das ganze Team realistisc­h ist. Daher sollten umgekehrt auch Beschäftig­te im Austausch mit der Führungseb­ene zunächst fragen: Was ist möglich? „Und dann kann man mit der verantwort­lichen Führungskr­aft ernsthaft in einen Aushandlun­gsprozess gehen“, sagt Rump. Davor müsse man sich allerdings selbst darüber klar sein, was man eigentlich will. „Ich sollte eine klare Vorstellun­g davon haben, was ich gerne möchte und was ich auch unter Berücksich­tigung der Kollegen, meiner Aufgaben und des Betriebs für realistisc­h halte.“

 ?? FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA-TMN ?? Das Leben spielte sich für viele Beschäftig­te monatelang im Homeoffice ab: Jetzt gilt es, sich zumindest teilweise wieder ans Büroleben zu gewöhnen.
FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA-TMN Das Leben spielte sich für viele Beschäftig­te monatelang im Homeoffice ab: Jetzt gilt es, sich zumindest teilweise wieder ans Büroleben zu gewöhnen.

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