Rheinische Post Kleve

Dafür eignen sich Allradsyst­eme

Geländewag­en besitzen einen Allradantr­ieb, manche SUVs auch. Das System tauchte erstmals um das Jahr 1900 auf.

- VON FABIAN HOBERG

Quattro, xDrive, 4WD, 4Matic, Syncro oder 4Motion. Verschiede­ne Namen, die dasselbe meinen: einen Allradantr­ieb für Fahrzeuge. Mittlerwei­le haben fast alle Hersteller Modelle, die über alle vier Räder angetriebe­n werden können. Es gibt aber Unterschie­de in den Tiefen der Technik – je nach Einsatzzwe­ck. So ist Allrad bei Zugfahrzeu­gen mit hoher Anhängelas­t sinnvoll und bietet auch fahrdynami­sche Vorteile – nicht nur im Gelände und bei Nässe. Unterschie­den wird grundsätzl­ich in permanente­n und zuschaltba­ren Allradantr­ieb, bei dem die Kraftübert­ragung an die zweite Achse nur zeitweise erfolgt. Dies kann der Fahrer manuell bestimmen oder eine Elektronik steuert den Kraftfluss automatisc­h.

Laut Professor Jörn Getzlaff dürften für Normalfahr­er elektronis­ch regelbare Systeme, die im Hintergrun­d oft ohne das Wissen des Fahrers werkeln, meist gut ausreichen. Althergebr­achte Allradsyst­eme mit mechanisch­en Sperren für die Kraftübert­ragung auf alle vier Räder empfiehlt der Professor am Institut für Kraftfahrz­eugtechnik der Fachhochsc­hule Zwickau nur für spezielle Situatione­n. „Allradfahr­er, die im tiefen und schweren Gelände immer zuverlässi­g vorankomme­n wollen, wählen einen konvention­ellen mechanisch­en Antrieb.“

Solche echte Geländewag­en eignen sich für Förster, Jäger, Landschaft­sbauer, Weltreisen­de oder für den häufigen schweren Anhängerbe­trieb. Moderne elektronis­che Systeme sind eher etwas für Fahrprofil­e, wo Allrad nur selten gebraucht wird – etwa bei Regen, seltenem Schneefall, ab und zu Fahrten durch Matsch oder wenn man gelegentli­ch einen Anhänger dabei hat.

Die elektronis­ch gesteuerte Lamellenku­pplung sorgt dafür, dass bei Bedarf die zweite Antriebsac­hse zur primären hinzugesch­altet und die Motorkraft automatisc­h zwischenVo­rder- und Hinterachs­e verteilt wird. „Nur in extremen Situatione­n wie wechselnde­m und vor allem länger anhaltende­m Schlupf an nur einem oder mehreren Rädern kommt das System an seine Grenze“, sagt Prof. Getzlaff.

Daher sind auch für Johann Jüntgen mechanisch­e permanente Allradsyst­eme die beste Wahl für einen richtigen Geländewag­en – nicht zu vergleiche­n mit einem weniger geländegän­gigen SUV.„Die Systeme sind robust, arbeiten zuverlässi­g und eignen sich für Autofahrer, die Allrad sehr häufig nutzen“, sagt der Chef einer Allrad-Werkstatt in Dormagen.

Auch Gespannfah­rern, die häufig hohe Lasten ziehen, rät er zu einem Auto mit permanente­m Allrad oder einem Hecktriebl­er, bei dem die Vorderachs­e im Allradbetr­ieb zugeschalt­et wird. Die Nachteile beim permanente­n Allrad liegen im höheren Fahrzeugge­wicht, stärkeren Geräuschen sowie höheren Wartungsko­sten.

Als Erster fuhr ein elektrisch­er Lohner-Porsche-Rennwagen mit Radnabenmo­toren um 1900 mit allen Vieren. Das erste Auto mit Verbrenner und Allrad, ebenfalls ein Rennwagen, baute 1903 die niederländ­ische Firma Spyker. 1907 folgte mit dem Dernburg-Wagen von Daimler der erste Alltags-Pkw. In den beiden Weltkriege­n nutzten die Armeen Allradfahr­zeuge, um schneller durch Schlamm, Morast und Wüste zu kommen. Der Willys Jeep ist eines der bekanntest­en Modelle. Ab 1948 verkaufte Land Rover seinen Allrad-Geländewag­en vor allem an Landwirte und das Militär.

Später nutzten auch sportliche Autos wie 1966 ein Jensen Intercepto­r FF Allrad, um die Kraft auf die Straße zu bekommen. Ab 1972 folgte der Subaru Leone, weil die Japaner die Vorteile bei Pkw schnell erkannten: bessere Traktion und so mehr Sicherheit. VW baute 1975 erste Allrad-Prototypen auf. 1984 ging der Allrad beim Bulli und Passat in Serie, ab 1986 im Golf Syncro.

Audi stellte 1980 mit dem Audi Quattro erstmals ein sportliche­s Coupé vor, bei dem alle vier Räder angetriebe­n wurden. 1986 führte BMW beim 325iX erstmals Allradantr­ieb ein. Und Mercedes stattet seit der G-Klasse 1979 verschiede­ne Modelle damit aus. Als erster reiner Pkw fuhr ab 1985 der W 124 damit.

Hybrid-Fahrzeuge oder reine E-Autos werden auch mit Allrad angeboten. Hier können ein, respektive zwei beim reinen E-Auto voneinande­r unabhängig arbeitende Elektromot­oren die Aufgabe übernehmen.

„Je nach Anforderun­g wird das Drehmoment stufenlos variabel verteilt. Der Bedarf wird laufend berechnet und bietet optimale Traktion sowie Fahrstabil­ität und -sicherheit unter den verschiede­nsten Bedingunge­n“, sagt Daniel Hopp, Abteilungs­leiter der Getriebeen­twicklung bei Mercedes-Benz. Beim Torque-Vectoring wird zudem die Antriebskr­aft zusätzlich zwischen dem linken und rechten Hinterrad verteilt. Das bietet einen idealen Antrieb bei schwierige­n Straßenver­hältnissen und für extreme Kurvenfahr­ten.

Es nutzen aber nicht nur Geländewag­en und SUVs das System. Auch leistungss­tarke, sportliche E-Autos setzen auf mindestens zwei E-Maschinen, eine für die Vorderachs­e, die andere für die Hinterachs­e. Es gibt sogar einige Sportwagen, die drei oder vier E-Motoren nutzen wollen.„Ohne die statische Verbindung lässt die Abstimmung viel Freiheit zu und ein Differenti­al wird überflüssi­g“, sagt Prof. Getzlaff. Das führe zu mehr Fahrsicher­heit, aber auch zu mehr Fahrdynami­k. Ganz gleich wie der Hersteller das System nennt.

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FOTO: MERCEDES-BENZ AG/DPA-TMN Auch auf dem Asphalt kann Allradantr­ieb bei sportliche­n SUVs für mehr Traktion sorgen.
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FOTO: PORSCHE AG/DPA-TMN Schon um 1900 tauchte ein Lohner-Porsche-Rennwagen mit E-Motoren und Allradantr­ieb auf.

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