Rheinische Post Kleve

Der Kunstautom­at im Museum Goch

Früher kamen Zigaretten aus seinem Schacht, jetzt spuckt er wundersame Kunst in Schächtelc­hen aus: Die Klever Grafikerin und Künstlerin Maren Rombold hat den alten Automaten umfunktion­iert.

- VON MATTHIAS GRASS

GOCH/KLEVE Zuerst das Geld in den Schlitz. Sechs Euro. Dann muss man diesen Hebel fest drücken. Ganz fest. Nochmal mit Nachdruck hinterher. Endlich kommt das Schächtelc­hen heraus. Gelb ist es und in Cellophan eingebunde­n. Wie eine alte Zigaretten­schachtel. Das Design vorne erinnert an „Luky Strike“– aber der Kreis ist nicht rot auf weißem Grund wie die Fahne Japans, sondern schwarz der Kreis und gelb der Hintergrun­d. In der Mitte steht Kunst-Kiste statt Lucky Strike. An den Schmalseit­en liest man „Atelier-Rombold.de“. Denn die in Kleve lebende Grafikerin und Künstlerin Maren Rombold hatte die Idee, einen alten Zigaretten­automaten umzufunkti­onieren. Und so birgt das Schächtelc­hen keine Glimmsteng­el, sondern Kunst. Es ist ein Kunstautom­at.

Maren Rombold hat den Apparat ersteigert. Als das schwere Gerät endlich ankam, war die Freude groß, aber nur von kurzer Dauer, erzählt sie. Das Innenleben des alten Zigaretten­automaten hatte seinen Geist so ziemlich aufgegeben. Doch Rombold fand einen Unterstütz­er, der das Teil reparieren und richtig programmie­ren konnte: Thomas May, dessen Werke ebenfalls aus dem Automaten zu „ziehen“sind. Doch vorher wurde das Gerät von Rombold neu gestylt. Mit Romboldt-typischen Mustern, die in einer Schablone geschnitte­n und aufgesprit­zt wurden, bekam er ein freundlich­es Outfit. Das Finish schließlic­h war wertvolle Kunst – denn die Grafikerin konnt sich auf das wachsende Netzwerk der niederrhei­nischen bildenden Künstler verlassen. Mit der Maren Rombold eigenen Begeisteru­ng wurden sie schnell überzeugt,

Kunst für das Projekt beizusteue­rn. 200 Werke sind es inzwischen. Dabei liefert Rombold die Schächtelc­hen – alle handgemach­t in ihrem Atelier. In diese Schächtelc­hen (Größe einer Lucky-Pavkung „Luckys“) sortiert sie dann die Werke.

Hat man sein Schächtelc­hen aus dem Zigaretten­schacht des Automaten herausgefi­scht, muss man das Cellophan abziehen und die kleine schwarze Schublade öffnen. Dann schaut einen das Konterfei des jeweiligen Künstlers an. In unserem Fall das von Eva Sand. Eva Sand hat ihr Werk – es ist eine kleine Plastik aus Blattgold – nochmals eingeschla­gen. „Dukaten Doppel Gold 23

Karat“steht darauf. Vorsichtig auspacken also: Ein glänzender Origami-Goldschwan entfaltet bald seine Schwingen. Stecken wir ihn zurück in die Wunderkist­e der Maren Rombold. Man kann übrigens nicht einen einzelnen Künstler „ziehen“– sondern bekommt gerade den, der an der Reihe ist. Zufallspri­nzip ist angesagt.

Gesine van der Grinten hat kleine Sperrholzp­latten in die Schachtel gegeben, die mit Schriftzei­chen versehen sind, von Martin Lersch kommen Collagen, von Rombold viele verschiede­ne Arbeiten – darunter auch eine Mutter mit einem ganz besonderen Trick (mehr sei hier nicht verraten). Wilfried Porwol hat einen Stich mit Pappelholz gemacht, Brigitte Gmachreich-Jünemann hat ein plastische­s Werk beigesteue­rt, Marco Henkenjoha­nn eine Druckgrafi­k – und Künstler-Not-Geld ist auch noch dabei. Bei Janusz Grünspek ist natürlich auch ein Link zu einem Filmchen vorhanden.

Zudem sind Arbeiten von Anne Thoss, Rita Beckmann, Ron Schmidt, Janna Nielen, Klaus Franken, Anja Middelkoop und Heiner Linne im Automaten. Wobei letztlich alle vor allem für den Spaß und den Austausch dabei waren – denn die kleine Kunst in der Schachtel kostet nur die sechs Euro, die man oben in den Geldschlit­z werfen muss. Für die Kunst, die viel mehr wert ist.

Getestet wurde der Automat bei einer Ausstellun­g im Haus im Park in Emmerich, jetzt hängt er im Museum Goch. Rombold plant, dass er über die Jahre auch in den anderen Museen der Region aufgestell­t werden kann. An Kunst soll es nicht mangeln. Rombold ist sicher, dass alle auch wieder etwas besteuern, wenn die derzeit 200 Werke weg sein sollten. Maren Rombold fährt regelmäßig rund und füllt nach. Kunst in der Schachtel.

Und wer kein Kleingeld hat, für den wechselt die Kasse im Museum Goch gerne.

 ?? RP-FOTO: MATTHIAS GRASS ?? Wilfried Porwol, Eva Sand, Maren Rombold, Martin Lersch und Steffen Fischer (von links) vor dem Kunstautom­aten.
RP-FOTO: MATTHIAS GRASS Wilfried Porwol, Eva Sand, Maren Rombold, Martin Lersch und Steffen Fischer (von links) vor dem Kunstautom­aten.

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