Rheinische Post Kleve

Es gibt kein Recht auf Hitzefrei

- VON JULIA RATHCKE

Hitzefrei – das klingt nach Jubelschre­ien in Klassenzim­mern, das riecht nach Freiheit und Schwimmbad­pommes. Kaum ein Wort löst schon in Gedanken daran eine so gute Stimmung aus, und die Linksparte­i bringt das nun sogar für Erwachsene ins Spiel: Anlässlich der derzeit extremen Temperatur­en, fordert die Partei ein „Recht auf Hitzefrei“oder verkürzte Arbeitszei­ten bei vollem Lohnausgle­ich. „Wir brauchen Klimaanpas­sungen im Arbeitsrec­ht“, so Parteichef­in Janine Wissler – und hat damit nicht ganz Unrecht.

Es ist ein berechtigt­es Anliegen, die Auswirkung­en der Hitze auf die Menschen in ihrem Alltag zum Thema zu machen – konkret für ihre Arbeitsbed­ingungen. Nirgends wird im Schnitt mehr Zeit verbracht als am Arbeitspla­tz, längst nicht jeder hat derzeit Urlaub, kann sich kurzfristi­g freinehmen oder seine Arbeit hitzebedin­gt umplanen. Es gibt Ratschläge wie lüften, Sonne meiden, sich locker kleiden, viel trinken. Und es gibt eindeutige, arbeitsrec­htliche Vorschrift­en – nach denen es kein Recht auf Hitzefrei gibt.

Wann die zumutbare Temperatur überschrit­ten ist, legt die Bundesanst­alt für Arbeitssch­utz und -medizin fest: Ist es am Arbeitspla­tz wärmer als 26 Grad, sollte der Arbeitgebe­r gegensteue­rn, bei über 30 Grad muss er das sogar tun. Erst ab 35 Grad ist Schluss. Das gilt aber nicht in Betrieben, wo spezielle klimatisch­e Bedingunge­n erforderli­ch sind, etwa in Stahlwerke­n, Backstuben oder Gärtnereie­n. Die Arbeitswel­t ist zu vielfältig, die Rechtslage zu komplex, als dass eine fixe Gesetzesän­derung Abhilfe schaffen könnte. Zumal Millionen Menschen kein Homeoffice machen können. Die Forderung nach Hitzefrei also ist naiv und befeuert Unzufriede­nheit. Die Corona- und die Energiekri­se haben der Bereitscha­ft zu Homeoffice Vorschub geleistet. Ebenso muss der Klimawande­l Anlass sein, Arbeitsbed­ingungen zu überdenken.

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