Selenskyj entlässt Geheimdienstler
Nach Vorwürfen des Verrats greift der ukrainische Präsident weiter durch.
KIEW/MOSKAU (dpa) Nach dem Vorwurf von Verrat im ukrainischen Geheimdienst greift Präsident Wolodymyr Selenskyj weiter durch und ersetzt ranghohe Mitarbeiter. Laut einem am Dienstag veröffentlichten Dekret wurde Wolodymyr Horbenko als Vizechef des Geheimdienstes SBU entlassen. Zudem wurden in den vier Gebieten Sumy, Dnipropetrowsk, Poltawa und den Transkarpaten die Regionalchefs ausgetauscht. Außerdem entließ Selenskyj den SBU-Chef des Gebiets Schytomyr.
Für den seit Ende Mai vakanten SBU-Posten im ostukrainischen Charkiw ernannte Selenskyj einen neuen Regionalchef. Der 44-jährige Präsident hat Überprüfungen in Geheimdienst und Staatsanwaltschaft angekündigt. Auslöser sei eine hohe Zahl von Überläufern
und Kollaborateuren mit der russischen Besatzungsmacht nach Moskaus Einmarsch vor knapp fünf Monaten, hieß es. Laut Medienberichten stellt sich die Frage, ob bei der schnellen Eroberung der südukrainischen Gebietshauptstadt Cherson durch die Russen Verrat im Spiel war. Allein beim Geheimdienst SBU arbeiten mehr als 30.000 Menschen. Am Sonntag hatte Selenskyj seinen Jugendfreund Iwan Bakanow als SBU-Chef gefeuert. Das Parlament in Kiew bestätigte am Dienstag dessen Entlassung genauso wie die der Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa. Es sind die ersten großen Personalwechsel, die Selenskyj während des Krieges vornimmt.
Am 146. Tag des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine schlug mittags eine Rakete in der ostukrainischen Stadt Kramatorsk ein, wie örtliche Behörden berichteten. „Es gibt Opfer“, schrieb Bürgermeister Oleksandr Hontscharenko auf Telegram. Die Rede war zunächst von mindestens einem Toten. Wie Kramatorsk wurde nach ukrainischen Angaben am Dienstag auch die Stadt Slowjansk beschossen, deren Eroberung als eins der nächsten Ziele der russischen Armee gilt.
Ungeachtet der laufenden Kämpfe tauschten die Ukraine und Russland am Dienstag ein weiteres Mal getötete Soldaten aus. „Die Ukraine hat 45 ihrer Verteidiger zurückgeholt“, teilte das zuständige Ministerium in Kiew mit. Der Austausch sei nach den Normen der Genfer Konvention erfolgt. Die staatliche russische Nachrichtenagentur Ria Nowosti meldete, es sei die gleiche Zahl toter russischer Soldaten zurückgebracht worden.