Russland verstärkt Propaganda in Osteuropa
Mit Trollen, gefälschten Konten und bezahlten Multiplikatoren verstärkt Russland seinen Informationskrieg in den ehemaligen Staaten des Warschauer Pakts. Kern der Desinformationskampagnen ist meist antiwestliche Propaganda.
WASHINGTON (ap) Während in der Ukraine Bomben fallen, verstärkt Russland seinen Informationskrieg in Osteuropa: Mit gefälschten Konten und Propaganda schürt Moskau Ängste vor Flüchtlingen und steigenden Treibstoffpreisen. Zudem bezeichnet es den Westen als unzuverlässigen Verbündeten.
In Bulgarien bezahlte der Kreml Journalisten, politischen Analysten und anderen einflussreichen Personen 2000 Euro im Monat, damit sie prorussische Inhalte ins Netz stellen, wie ein hoher bulgarischer Beamter vor Kurzem enthüllte. Experten haben auch ausgeklügelte Netzwerke gefälschter Konten, Bots und Trolle aufgedeckt, die für zunehmende Desinformation und Propaganda im Land sorgen.
Auch in anderen Ländern der Region versucht Russland mit ähnlichen Mitteln, die Schuld für die Invasion in der Ukraine, die folgende Flüchtlingskrise und steigende Preise
für Nahrungsmittel und Treibstoff von sich zu schieben.
Für die russische Führung seien ausgedehnte Propaganda- und Desinformationskampagnen eine äußerst kosteneffiziente Alternative zu traditionellen Mitteln des Krieges oder der Diplomatie, sagt Graham Brookie vom Digital Forensic Research Lab der Denkfabrik Atlantic Council, das seit Jahren russische Desinformation untersucht.
„Diese Reaktionen anzufachen, ist ein Leichtes für russische Informationskampagnen“, sagt Brookie. „Ihre
staatlichen Medien können das Publikum besser analysieren als die meisten Medienunternehmen weltweit.“Erfolgreich seien diese Narrative vor allem in Ländern, in denen der nationale Diskurs kontrovers geführt werde oder es stärker polarisierte Medienmärkte gebe.
Bulgarien galt lange als wichtiger Verbündeter Russlands, obwohl das Land mit seinen sieben Millionen Einwohnern sich in den vergangenen Jahrzehnten nach Westen orientiert hat, 2004 der Nato beigetreten ist und 2007 der Europäischen
Union. Als Bulgarien, Polen und andere ehemalige WarschauerPakt-Staaten sich auf die Seite ihrer Nato-Verbündeten stellten und die Ukraine unterstützten, reagierte Russland mit einer Welle der Desinformation und Propaganda, die sich die öffentliche Debatte über Globalisierung und Verwestlichung zunutze machen wollte.
Im Falle Polens geschah dies in Form von antiwestlicher Propaganda und Verschwörungstheorien. Eine solche wurde von einer mit Russland kooperierenden Hackergruppe
verbreitet und behauptete, polnische Banden hätten es auf die Organe ukrainischer Flüchtlinge abgesehen. Ziel war offensichtlich, die Ukraine und Polen zu entzweien.
Russlands Propaganda-Angriff fällt teilweise auf fruchtbaren Boden. Nicht nur in Osteuropa, aber auch dort sind viele Menschen frustriert und unzufrieden wegen der hohen Preise für Treibstoff und Lebensmittel.
Bulgarien befindet sich in einer besonders prekären Lage: Der prowestliche Regierungschef Kiril
Petkow verlor im Juni ein Misstrauensvotum. Die Sorgen über die wirtschaftliche Lage und die Treibstoffpreise verstärkten sich noch, als Russland im Frühjahr die Erdgaslieferungen nach Bulgarien unterbrach. Die Unruhe veranlasste Präsident Rumen Radew zu der Aussage, sein Land stehe vor einer „politischen, wirtschaftlichen und sozialen Krise“. Auch die Beziehungen der Regierung zu Moskau sind kompliziert. Bulgarien wies vor Kurzem wegen Spionageverdachts 70 russische Diplomaten aus, worauf der Kreml mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen drohte.
In derselben Woche veröffentlichte die russische Botschaft in Sofia einen Spendenaufruf, in dem bulgarische Bürger aufgefordert werden, für die Unterstützung der russischen Armee und ihren Einmarsch in der Ukraine Geld zu geben. Sofia reagierte verärgert auf den Versuch Russlands, in einem NatoLand um Spenden für seinen Krieg zu werben: „Das ist skandalös“, twitterte Boschidar Boschanow, der im Kabinett Petkows Minister für Digitalisierung war. „Es ist nicht richtig, die Plattform für die Finanzierung des Aggressors zu nutzen.“Die Botschaft verbreitete inzwischen entlarvte Verschwörungstheorien, wonach die USA in der Ukraine geheime Biolabors betrieben. Die russischen Vertretungen sind zu einem Verbreitungssweg für die Desinformationskampagnen Russlands geworden, da viele Technologieunternehmen seit Beginn des Kriegs russische Staatsmedien blockieren.