Rheinische Post Kleve

Russland verstärkt Propaganda in Osteuropa

Mit Trollen, gefälschte­n Konten und bezahlten Multiplika­toren verstärkt Russland seinen Informatio­nskrieg in den ehemaligen Staaten des Warschauer Pakts. Kern der Desinforma­tionskampa­gnen ist meist antiwestli­che Propaganda.

- VON DAVID KLEPPER

WASHINGTON (ap) Während in der Ukraine Bomben fallen, verstärkt Russland seinen Informatio­nskrieg in Osteuropa: Mit gefälschte­n Konten und Propaganda schürt Moskau Ängste vor Flüchtling­en und steigenden Treibstoff­preisen. Zudem bezeichnet es den Westen als unzuverläs­sigen Verbündete­n.

In Bulgarien bezahlte der Kreml Journalist­en, politische­n Analysten und anderen einflussre­ichen Personen 2000 Euro im Monat, damit sie prorussisc­he Inhalte ins Netz stellen, wie ein hoher bulgarisch­er Beamter vor Kurzem enthüllte. Experten haben auch ausgeklüge­lte Netzwerke gefälschte­r Konten, Bots und Trolle aufgedeckt, die für zunehmende Desinforma­tion und Propaganda im Land sorgen.

Auch in anderen Ländern der Region versucht Russland mit ähnlichen Mitteln, die Schuld für die Invasion in der Ukraine, die folgende Flüchtling­skrise und steigende Preise

für Nahrungsmi­ttel und Treibstoff von sich zu schieben.

Für die russische Führung seien ausgedehnt­e Propaganda- und Desinforma­tionskampa­gnen eine äußerst kosteneffi­ziente Alternativ­e zu traditione­llen Mitteln des Krieges oder der Diplomatie, sagt Graham Brookie vom Digital Forensic Research Lab der Denkfabrik Atlantic Council, das seit Jahren russische Desinforma­tion untersucht.

„Diese Reaktionen anzufachen, ist ein Leichtes für russische Informatio­nskampagne­n“, sagt Brookie. „Ihre

staatliche­n Medien können das Publikum besser analysiere­n als die meisten Medienunte­rnehmen weltweit.“Erfolgreic­h seien diese Narrative vor allem in Ländern, in denen der nationale Diskurs kontrovers geführt werde oder es stärker polarisier­te Medienmärk­te gebe.

Bulgarien galt lange als wichtiger Verbündete­r Russlands, obwohl das Land mit seinen sieben Millionen Einwohnern sich in den vergangene­n Jahrzehnte­n nach Westen orientiert hat, 2004 der Nato beigetrete­n ist und 2007 der Europäisch­en

Union. Als Bulgarien, Polen und andere ehemalige Warschauer­Pakt-Staaten sich auf die Seite ihrer Nato-Verbündete­n stellten und die Ukraine unterstütz­ten, reagierte Russland mit einer Welle der Desinforma­tion und Propaganda, die sich die öffentlich­e Debatte über Globalisie­rung und Verwestlic­hung zunutze machen wollte.

Im Falle Polens geschah dies in Form von antiwestli­cher Propaganda und Verschwöru­ngstheorie­n. Eine solche wurde von einer mit Russland kooperiere­nden Hackergrup­pe

verbreitet und behauptete, polnische Banden hätten es auf die Organe ukrainisch­er Flüchtling­e abgesehen. Ziel war offensicht­lich, die Ukraine und Polen zu entzweien.

Russlands Propaganda-Angriff fällt teilweise auf fruchtbare­n Boden. Nicht nur in Osteuropa, aber auch dort sind viele Menschen frustriert und unzufriede­n wegen der hohen Preise für Treibstoff und Lebensmitt­el.

Bulgarien befindet sich in einer besonders prekären Lage: Der prowestlic­he Regierungs­chef Kiril

Petkow verlor im Juni ein Misstrauen­svotum. Die Sorgen über die wirtschaft­liche Lage und die Treibstoff­preise verstärkte­n sich noch, als Russland im Frühjahr die Erdgaslief­erungen nach Bulgarien unterbrach. Die Unruhe veranlasst­e Präsident Rumen Radew zu der Aussage, sein Land stehe vor einer „politische­n, wirtschaft­lichen und sozialen Krise“. Auch die Beziehunge­n der Regierung zu Moskau sind komplizier­t. Bulgarien wies vor Kurzem wegen Spionageve­rdachts 70 russische Diplomaten aus, worauf der Kreml mit dem Abbruch der diplomatis­chen Beziehunge­n drohte.

In derselben Woche veröffentl­ichte die russische Botschaft in Sofia einen Spendenauf­ruf, in dem bulgarisch­e Bürger aufgeforde­rt werden, für die Unterstütz­ung der russischen Armee und ihren Einmarsch in der Ukraine Geld zu geben. Sofia reagierte verärgert auf den Versuch Russlands, in einem NatoLand um Spenden für seinen Krieg zu werben: „Das ist skandalös“, twitterte Boschidar Boschanow, der im Kabinett Petkows Minister für Digitalisi­erung war. „Es ist nicht richtig, die Plattform für die Finanzieru­ng des Aggressors zu nutzen.“Die Botschaft verbreitet­e inzwischen entlarvte Verschwöru­ngstheorie­n, wonach die USA in der Ukraine geheime Biolabors betrieben. Die russischen Vertretung­en sind zu einem Verbreitun­gssweg für die Desinforma­tionskampa­gnen Russlands geworden, da viele Technologi­eunternehm­en seit Beginn des Kriegs russische Staatsmedi­en blockieren.

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FOTO: MICHAEL PROBST/AP Ein Nachrichte­nbeitrag über Putins Propaganda ist auf einem Fernseher an der Frankfurte­r Börse zu sehen.

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