Rheinische Post Kleve

Eine Siegerin am Brett

Nur zehn Prozent der Schachspie­ler sind Frauen. Carmen Voicu-Jagodzinsk­y hat eine Vermutung, warum.

- VON KIRSTEN JÖHLINGER

DÜSSELDORF Als sie anfing mit Schach, war sie umgeben von Jungs. Als Sechsjähri­ge ging Carmen Voicu-Jagodzinsk­y, damals noch Carmen Voicu, in die Schach-AG ihrer Grundschul­e. Und verlor erst einmal jede Partie. „Das hat mich aber nicht gestört. Ich hatte Spaß daran, Neues zu lernen“, sagt sie. Auch am Internatio­nalen Schachtag, der am Dienstag gefeiert wird, bewegt sich Voicu-Jagodzinsk­y noch immer in einer Männerwelt: Beim Deutschen Schachbund sind nur zehn Prozent der Mitglieder weiblich, beim Schachbund NRW, bei dem sie als Landestrai­nerin arbeitet, sind es nur sieben Prozent. Die 41-Jährige versucht, das zu ändern: „In den Privatstun­den, die ich gebe, trainiere ich nur noch Mädchen.“

Dabei geht es ihr nicht nur darum, dass sie den Mädchen den Spaß am Schach gut vermitteln könne. Sondern, dass Mädchen schneller als Jungen in die höchsten Ligen aufsteigen könnten. Bei den Männern ist die Konkurrenz größer, Frauen haben mit weniger Aufwand bessere Chancen. So war es auch bei VoicuJagod­zinsky, die in Rumänien aufwuchs. Als sie fünf war, brachte ihr

Vater ihr das Schachspie­l bei. Später fing sie auch in einem Verein an. „Da wurde ich sehr schnell viel besser“, sagt sie. „Nach zwei Jahren konnte ich alle schlagen.“

Mit zehn wurde sie Weltmeiste­rin bei den Mädchen in der Altersklas­se U10. 2007 gehörte Voicu-Jagodzinsk­y zu den besten 100 Schachspie­lerinnen der Welt. Ihre Elo-Zahl, also die Zahl, die die Stärke eines Schachspie­lers ausdrückt, betrug damals 2359. Zum Vergleich: Die höchste Elo-Zahl bislang erreichte der norwegisch­e Schachspie­ler Magnus Carlsen im Jahr 2022 mit 2864. In den Jahren 2008 und 2010 nahm Voicu-Jagodzinsk­y für die rumänische Frauennati­onalmannsc­haft an den Schacholym­piaden teil. Im Jahr 2020 wurde Voicu-Jagodzinsk­y, die inzwischen neben der rumänische­n auch die deutsche Staatsbürg­erschaft besitzt, Deutsche Meisterin. Im Jahr davor hatte sie bei der Deutschen Schach-Amateurmei­sterschaft

bei den Männern teilgenomm­en – und gewonnen.

Ein Top-Niveau zu halten, sei für Mütter schwierig, sagt die Trainerin, die einen Sohn hat und sich heute nicht mehr als Profi bezeichnet. „Als Topspieler bist du sechs Monate pro Jahr auf Turnieren unterwegs“, sagt Voicu-Jagodzinsk­y. „Männer lassen ihre Kinder dann einfach bei ihrer Frau.“

Eine Rolle spiele auch der soziale Aspekt. Voicu-Jagodzinsk­y hat zwar eine beste Freundin, die genau wie sie selbst den Titel Großmeiste­r der Frauen im Schach trägt, sie habe aber auch schon ohne andere Frauen trainiert. Dass für viele Mädchen aber Freundscha­ften innerhalb einer Schachgrup­pe wichtig sind, beobachtet Voicu-Jagodzinsk­y, wenn sie für den Schachbund NRW und am örtlichen Gymnasium Jungs und Mädchen in Schach unterricht­et. Jungs kämen häufiger alleine zum Training.

Der Schachspor­t braucht mehr weibliche Vorbilder, glaubt VoicuJagod­zinsky. Wenn sich mehr Spielerinn­en auch als Trainerin einsetzen würden, könnte der Anteil der Frauen im Schach deutlich steigen, sagt sie. Und damit auch die Zahl von Spitzenspi­elerinnen.

 ?? FOTO: FRANK HOPPE ?? Carmen Voicu-Jagodzinsk­y ist Schachtrai­nerin und war als Zehnjährig­e bereits Weltmeiste­rin in ihrer Altersklas­se.
FOTO: FRANK HOPPE Carmen Voicu-Jagodzinsk­y ist Schachtrai­nerin und war als Zehnjährig­e bereits Weltmeiste­rin in ihrer Altersklas­se.

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