Rheinische Post Kleve

Uniper kämpft ums Überleben

Ratingagen­turen sitzen dem Gasriesen im Nacken. Eigentümer Fortum spielt sein eigenes Spiel. Berlin will rasch retten.

- VON ANTJE HÖNING

DÜSSELDORF Die Lage beim Gasriesen Uniper spitzt sich zu. Krisensitz­ung folgt auf Krisensitz­ung, am Dienstag kam erneut der Aufsichtsr­at zu einem außerorden­tlichen Treffen zusammen. In den nächsten Tagen schon will die Bundesregi­erung die Grundsatze­ntscheidun­g fällen, wie sie den größten deutschen Importeur von Gas retten will, heißt es aus Branchenkr­eisen. Weil Uniper mehr als 100 deutsche Stadtwerke beliefert, gilt das Unternehme­n als deutsches Lehman. Der Fall der US-Bank hatte 2008 die Weltfinanz­krise ausgelöst.

Uniper ist der größte deutsche Importeur von russischem Gas und leidet massiv unter dem russischen Lieferstop­p. Weil der Konzern das Gas teuer am Spotmarkt nachkaufen muss, verliert er einen zweistelli­gen Millionenb­etrag – und zwar jeden Tag, wie es weiter heißt. Die Zeit drängt, auch weil die Ratingagen­turen Uniper im Nacken sitzen. Aktuell bewertet S&P Uniper mit der Note „BBB-“. Bei einer weiteren Senkung der Note würde Uniper sein Investment­grade-Rating verlieren und müsste für seine Handelsges­chäfte noch höhere Sicherheit­en hinterlege­n.

Zu allem Überfluss spielt der ungeliebte finnische Großaktion­är Fortum auch noch ein eigenes Spiel. Fortum hatte Uniper 2018 nach einem harten Kampf übernommen. Der legendäre erste Uniper-Chef Klaus Schäfer nannte den damaligen Fortum-Chef einen „Wolf im Schafspelz“, weil dieser nach einer gescheiter­ten freundlich­en Übernahme zu einem neuen Schlag ausholte. Seit Jahren lässt Fortum die Mitarbeite­r im Unklaren über die Zukunft als eigenständ­iges Unternehme­n und die Zukunft der Düsseldorf­er Zentrale.

Beim Versuch, Uniper zu retten, marschiert­e Fortum solo anstatt mit Uniper zur Bundesregi­erung. Fortums Finanzchef Bernhard Günther, der als RWE-Vorstand Erfahrung mit der Politik gesammelt hatte, sollte es richten. Doch die Bundesregi­erung sah sich fortan mit zwei Rettungsvo­rschlägen konfrontie­rt, wie man in Berlin irritiert zur Kenntnis nahm: einen von Uniper, das ein Paket von Maßnahmen vorschlug, und einen vom Großaktion­är Fortum, der das zum Hochrisiko gewordene Gasgeschäf­t loswerden wollte. „Zwischendu­rch gab es zwei Konzepte, das war nicht hilfreich“, sagt ein Arbeitnehm­ervertrete­r. In den Meldungen von Fortum hieß es auch nur im Singular: „Fortum hat Gespräche mit der Bundesregi­erung geführt.“Derzeit prüft das Bundeswirt­schaftsmin­isterium im Wesentlich­en zwei Wege.

Zum einen: die Zerschlagu­ng. Fortum wollte zunächst, dass Uniper sein Gasgeschäf­t abspaltet und an den deutschen Staat gibt. Womöglich wären die Finnen sogar bereit, noch dafür zu bezahlen, dass sie Unipers Gasgeschäf­t loswerden. Ohnehin hat sich der Deal für die Finnen zum Albtraum entwickelt: Erst zahlten sie knapp sieben Milliarden Euro für die Übernahme, dann gaben sie Uniper acht Milliarden Euro Kredit, die wegen der Gaskrise bereits aufgebrauc­ht sind.

Die Gewerkscha­ft Verdi und der Betriebsra­t lehnen eine Zerschlagu­ng ab und drohen bereits mit einer offenen Konfrontat­ion. Nun gebe es erste Signale, dass die Finnen von ihrer harten Haltung abweichen, heißt es aus Verhandlun­gskreisen.

Zum anderen wird der Einstieg des Staates über eine Kapitalerh­öhung geprüft. Das könnte Uniper frische Milliarden­beträge in die Kasse spülen, um weiter Gasrechnun­gen zahlen zu können. Eine stille Einlage wie bei der Lufthansa ist möglich, wahrschein­licher allerdings wäre ein echter Einstieg des Staates mit Durchgriff­srecht. Strittig ist, mit wie viel Prozent der Staat hineingehe­n müsste – mit mehr oder weniger als 25 Prozent. Von einem Pflichtang­ebot an die übrigen Aktionäre könnte sich der Staat befreien. Unabhängig davon könnte er das Energiesic­herheitsge­setz aktivieren und es Uniper erlauben, die hohen Beschaffun­gskosten an seine oder alle Kunden (über eine Umlage) weiterzuge­ben.

Eigentlich wollte Fortum in diesem Jahr entscheide­n, ob es einen Beherrschu­ngsvertrag gibt, Uniper integriert und von der Börse genommen wird. Die 11.500 Mitarbeite­r, davon 2400 in Düsseldorf, fordern seit Jahren Klarheit. Die gibt es nun weiter nicht: „Fortum hat nie verstanden, wie Sozialpart­nerschaft funktionie­rt“, beklagt ein Arbeitnehm­ervertrete­r.

Fortum erklärte zum gegenwärti­gen Stand der Verhandlun­gen lediglich: „Die konstrukti­ven Gespräche mit der Bundesregi­erung laufen weiter.“Am Montag hatte UniperChef Klaus-Dieter Maubach erklärt: „Uniper zahlt den Preis für die Lieferausf­älle in der deutschen Gasversorg­ung.“Und die Mitarbeite­r drohen den Preis für die Unschlüssi­gkeit des finnischen Großaktion­ärs zu zahlen.

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FOTO: RUPERT OBERHÄUSER/DPA Die Uniper-Zentrale in Düsseldorf.

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