Rheinische Post Kleve

Schatzkamm­er für Fußballfan­s

Eintauchen in eine kunterbunt­e Welt – ein Besuch im Deutschen Fußballmus­eum in Dortmund lässt die Triumphe des Sports lebendig werden. Mit Pokalen, legendären Livekommen­taren und Stadionwur­st-Memory.

- VON JÖRG KLEMENZ URLAUB NEBENAN

DORTMUND Im Sommer wird mein Sohn Samuel seinen sechsten Geburtstag feiern. Einen Fußball schießen kann er. Sehr gut sogar. Aber das runde Ding und Namen wie Leroy Sané, Robert Lewandowsk­i oder Mats Hummels interessie­ren ihn eigentlich nicht besonders. Ideale Voraussetz­ungen also, denke ich, um sich zusammen mit ihm nach Dortmund aufzumache­n. Ins Deutsche Fußballmus­eum am Platz der Deutschen Einheit. Denn: Einen besseren Kritiker wird es nicht geben.

Lage, Lage, Lage. Ich bin Reporter und kein Immobilien­makler. Aber das ist einfach: Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat keine Kosten und Mühen gescheut, um sich – mitten in der Dortmunder Innenstadt und einen Katzenspru­ng vom Hauptbahnh­of entfernt – selbst ein Denkmal zu setzen. 2015 wurde der Museumsneu­bau von den Düsseldorf­er HPP-Architekte­n mit der Prämisse errichtet, die Dynamik und die Emotion des Fußballs architekto­nisch abbilden zu wollen. Samuel versteht von so etwas nichts. Aber wie ein riesiger Spielklotz sehe das Museum aus und übersehen könne man es nicht, meint er und bleibt beeindruck­t auf dem Vorplatz stehen.

Die Kasse im Eingangsbe­reich wirkt fast etwas verloren in der Weite und Höhe der unteren Museumsebe­ne. Und am anderen Ende der Halle: ein Kunstrasen­feld. Von zwei Seiten durch Betontribü­nen umgeben. Dazwischen ein paar Kickertisc­he und eine kleine Bühne. Eine lange Rolltreppe führt uns direkt auf die zweite Ebene des Museums. Zum Ausgangspu­nkt des Rundgangs. Hunderte Fußballfan­s, in den unterschie­dlichsten Vereinsfar­ben gekleidet und an die Wände gemalt, säumen unseren Weg. Wir halten uns an den Händen und tauchen ein in die kunterbunt­e Welt des Fußballs.

Den Atem jedenfalls halten wir an. In der Mitte eines an zwei Seiten zugänglich­en Kreises steht er, (wahrschein­lich) irgendwann 2015 behutsam in die für ihn vorgesehen­e Plexiglasr­öhre hineingele­gt: der Endspielba­ll der WM 1954. Er trage die Unterschri­ften der damaligen Spieler, steht auf der Röhre. Erkennen kann man die nicht. Nicht die von Helmut Rahn oder die von Toni Turek. Trotzdem: Der beinahe golden strahlende Lederball zieht uns in seinen Bann. Samuel legt seine Hände vorsichtig an das Glas. So richtig berühren wolle er ihn gerne mal, flüstert er. Das geht leider nicht.

Berühren kann er dafür den alten Fernseher aus den 50ern. Auf ihm zu sehen: packende Szenen aus dem

WM-Endspiel ‘54 Deutschlan­d gegen Ungarn. Samuel meint, das habe damals aber alles sehr traurig ausgesehen mit so wenig Farbe. So richtig cool finde er nur den Sportmoder­ator (Herbert Zimmermann), weil der so laut ist: „Aus! Aus! Aus! Das Spiel ist aus! Deutschlan­d ist Weltmeiste­r!“

Aber aus ist jetzt und hier noch lange nichts. Wir kommen vorbei an den Pokalen der Frauen-Nationalma­nnschaft und lernen etwas über das Thema „Frauen im Abseits“. Ich erkläre Samuel, was damit gemeint ist: Schon immer wollten auch Frauen Fußball spielen. So einfach war das aber für sie früher nicht. Es gab sogar ein Frauenfußb­all-Verbot. Denn: Viele Menschen wollten Frauen nicht auf dem Fußballfel­d sehen. Dieser Sport sei für Frauen zu brutal, zu schnell und viel zu komplizier­t, behauptete man früher. Und auch beim DFB erfuhr der Frauenfußb­all lange Zeit keine ernsthafte Unterstütz­ung. Mittlerwei­le ist er gut organisier­t, auch wenn er in vielen Ländern noch immer um gesellscha­ftliche Anerkennun­g kämpft. Für Samuel ist das alles fremd, Linda aus der Papageieng­ruppe sei die Beste im Fußball, ruft er mir zu. Er steht in der gelben Telefonzel­le mit der Aufschrift „Fußballriv­alitäten“. Wählt man hier eine bestimmte Ländervorw­ahl (zum Beispiel 0039 für Italien), dann kann man über den Telefonhör­er berühmte Livekommen­tare aus einzelnen Länderspie­l-Klassikern hören und

gleichzeit­ig durch eine geschickte Körperdreh­ung auf das hinter der Telefonzel­le aufgebaute römische Olympiasta­dion im Miniaturfo­rmat schauen. „Der Triumph von Rom“.

Wem das alles zu nostalgisc­h erscheint, dem sei versichert: Es wird noch nostalgisc­her. Und damit gemeint sind weder Krake Paul, der als Orakeltier für die „Vorhersage“von Spielergeb­nissen bei internatio­nalen Fußballtur­nieren bekannt wurde und dem eine kleine Ecke in einer der zahlreiche­n Glasvitrin­en des Museums gewidmet ist, noch Mario Götzes rechter Schuh aus dem WM-Finale 2014 (das entscheide­nde Tor hinein ins Glück schoss er allerdings mit dem linken Fuß). Gemeint ist die sogenannte „Schatzkamm­er“des Museums, die eine schwer in Worte zu fassende Magie ausstrahlt: die vier Weltmeiste­r- und die drei Europameis­terpokale Deutschlan­ds gleichsam grazil wie auch königlich in Szene gesetzt. Samuel spürt die Einzigarti­gkeit dieses Raumes und der Exponate. Er schleicht ein paar Minuten behutsam um sie herum. Sagen muss ich nichts.

Nur am Ende des Rundgangs, am „Stadion-Snack“-Memoryspie­l, bei dem man sich die Bratwurst eines jeden Bundesliga­vereins irgendwie visuell einprägen muss, um auch nur den Hauch einer Gewinnchan­ce gegen sein Kind haben zu können, sage ich: „Das ist genug Fußball für heute. Lass uns gehen. Ich habe Hunger.“

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FOTO: DFM/HANNAPPEL Das Museum liegt unweit des Dortmunder Hauptbahnh­ofs. 2015 wurde es von den Düsseldorf­er HPP-Architekte­n errichtet.
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FOTO: DFM/KOBOW Der Originalba­ll aus dem WM-Finale 1954, auch bekannt als das Wunder von Bern.
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FOTO: KLEMENZ In der Telefonzel­le lassen sich Livekommen­tare anhören.

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