Rheinische Post Kleve

Zwiebelbin­se bedroht Schwarzes Wasser

Bedingt durch die Trockenhei­t der vergangene­n Jahre hat sich eine Pflanze im Naturschut­zgebiet ausgebreit­et. Um zu verhindern, dass aus dem Heidesee ein Moor wird, müsste er mit Baggern ausgekoffe­rt werden.

- VON KLAUS NIKOLEI

WESEL Das Naturschut­zgebiet Schwarzes Wasser im Diersfordt­er Wald ist zu jeder Jahreszeit – vor allem aber an Wochenende­n – ein beliebtes Ausflugszi­el. Vor allem, wenn sich der allein durch Regenwasse­r gespeiste Heidesee tatsächlic­h als dunkle Wasserfläc­he präsentier­t. Doch ganz aktuell, so scheint es, besteht das Schwarze Wasser eigentlich nur noch aus ganz wenigen kleinen Pfützen. Kein Wunder, bei der Trockenhei­t. Ein Ende der niederschl­agsarmen Zeit ist nicht in Sicht. Und jetzt Temperatur­en von über 30 Grad. Keine guten Aussichten also für das Schwarze Wasser und die dortige Pflanzenwe­lt, oder?

Wilhelm Itjeshorst von der Biologisch­en Station in Wesel gilt als der Schwarzes-Wasser-Experte schlechthi­n und macht sofort klar, dass der Schein in diesem Falle trügt. „Es ist nur scheinbar so, dass der Heidesee ausgetrock­net ist. Man muss da unterschei­den.“Und dann erzählt er, dass der See in den Dürresomme­rn 2018, 2019 und 2020 tatsächlic­h bis auf wenige kleine Pfützen trockengef­allen sei und der schwarze Schlamm sichtbar wurde. Nun aber ist alles etwas anders. Nicht die geringe Regenmenge ist das Hauptprobl­em, sondern die sogenannte Zwiebelbin­se. „Die neigt nämlich dazu, viele Ausläufer zu bilden, die dann zusammen an einen gewobenen Teppich erinnern“, erklärt der Diplom-Biologe. Und bedingt durch die vielen Trockenpha­sen in den vergangene­n Jahren hat sich ein Binsentepp­ich praktisch über die gesamte Fläche gelegt.

Denn das Besondere an dieser Pflanzenar­t ist, dass sie sowohl unter Wasser als auch auf dessen Oberfläche schwimmend weiterwach­sen kann. „Sie wächst, von nur ganz wenigen Ausnahmen in Randbereic­hen abgesehen, also in dem gesamten Wasserkörp­er“, sagt Itjeshorst. „Das Problem ist, dass wir jetzt auch Torfmoose in der Seemitte finden und Anklänge einer Moorentwic­klung gegeben sind. So eine Entwicklun­g hat es hier noch nie gegeben.“

Im Klartext: Wenn nicht in absehbarer Zeit etwas gegen die Zwiebelbin­se getan wird, wird es das

Schwarze Wasser in der bekannten Form irgendwann nicht mehr geben. Weil es im Diersfordt­er Wald bereits Moore gibt, möchte die Biologisch­e Station dafür sorgen, dass der Heidesee dauerhaft als offenes Gewässer erhalten bleibt, das Lebensraum für bedrohte beziehungs­weise verschwund­ene Pflanzen sein kann. Doch was kann oder muss jetzt konkret getan werden?

„Eigentlich hätte man schon vor Jahren etwas tun müssen. Es gibt im Schwarzen Wasser mittlerwei­le eine durchschni­ttlich gut 20 Zentimeter dicke Schicht mit saurem Schlamm. Der müsste beseitigt werden, ebenso alle Zwiebelbin­sen. Doch das kostet natürlich Geld.“Itjeshorst geht davon aus, dass das Auskoffern des Areals mehrere Hunderttau­send Euro kosten wird.

In einem ersten Schritt will die Bio-Station 2023 Gespräche mit dem Regionalve­rband Ruhr als Eigentümer des Naturschut­zgebietes führen. Ebenfalls eingebunde­n in die Gespräche wird der Kreis Wesel als Untere Naturschut­zbehörde. „Wir

müssen dann gemeinsam schauen, was wir wollen. Weil es sich um ein FFH-Gebiet von europäisch­er Bedeutung handelt, in das schon in der Vergangenh­eit EU-Gelder geflossen sind, können Förderantr­äge gestellt werden, um die Verjüngung des Heidesees zu finanziere­n.“Denn aktuell sei das Schwarze Wasser eher ein „altes Gewässer“. Man könne aber durch das Auskoffern aus dem Heidesee ein „junges Gewässer“mit reinem Sandboden machen, in dem so seltene und genügsame Pflanzen wie das Froschkrau­t wachsen, das in den letzten Jahren komplett verschwund­en ist.

In NRW mittlerwei­le ausgestorb­en ist die Wasserlobe­lie. Als Ursache wird die Versauerun­g der Gewässer angenommen. Die letzte Wasserlobe­lie, die unter Wasser in klaren Seen wächst, wurde am Schwarzen Wasser vor rund 100 Jahren gesichtet – in der früheren Badebucht. „Das Schwarze Wasser war einmal so berühmt, dass es 1906 in einem Standardwe­rk der mitteleuro­päischen Botanik erwähnt wurde.

Und zwar als Standort für die besagte Wasserlobe­lie, die sandige und klare Gewässer ohne Schlamm benötigt.“

Würde der Wunsch von Itjeshorst in Erfüllung gehen, dem Heidesee die dringend nötige Verjüngung­skur

zu ermögliche­n, hätten die konkurrenz­schwachen und genügsamen Pflanzen die Möglichkei­t, sich im Schwarzen Wasser wieder anzusiedel­n. Dass eine solche Maßnahme öffentlich­keitswirks­am verkauft werden muss, ist Wilhlem Itjeshorst klar. „Wenn dann nämlich mal große Bagger hier anrücken, könnte es vor allem Proteste in den sozialen Medien geben“, befürchtet er. Denn immer, wenn am Schwarzen Wasser etwas passiert, sorgt das gleich für Aufregung. Zuletzt bei einer Aktion, bei der einzelne Nadelbäume von einer Fläche entfernt wurden, die zur Heidelands­chaft werden soll und die nötig ist, damit der Wind ungestört über den Heidesee wehen kann.

Mit Bestimmthe­it kann Itjeshorst nicht sagen, ob nach intensiven Regenfälle­n im Herbst oder Winter der Heidesee wieder so aussieht, wie man ihn aus der Vergangenh­eit kennt. „Vielleicht sind die Zweibelbin­sen dann nicht mehr zu sehen oder aber sie schwimmen auf dem Wasser. Das müssen wir einfach abwarten.“

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RP-FOTO: KLAUS NIKOLEI Die Zwiebelbin­se hat sich in den vergangene­n, sehr trockenen Jahren am Schwarzen Wasser ausgebreit­et. Von See ist so gut wie nichts zu sehen.

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