Zwiebelbinse bedroht Schwarzes Wasser
Bedingt durch die Trockenheit der vergangenen Jahre hat sich eine Pflanze im Naturschutzgebiet ausgebreitet. Um zu verhindern, dass aus dem Heidesee ein Moor wird, müsste er mit Baggern ausgekoffert werden.
WESEL Das Naturschutzgebiet Schwarzes Wasser im Diersfordter Wald ist zu jeder Jahreszeit – vor allem aber an Wochenenden – ein beliebtes Ausflugsziel. Vor allem, wenn sich der allein durch Regenwasser gespeiste Heidesee tatsächlich als dunkle Wasserfläche präsentiert. Doch ganz aktuell, so scheint es, besteht das Schwarze Wasser eigentlich nur noch aus ganz wenigen kleinen Pfützen. Kein Wunder, bei der Trockenheit. Ein Ende der niederschlagsarmen Zeit ist nicht in Sicht. Und jetzt Temperaturen von über 30 Grad. Keine guten Aussichten also für das Schwarze Wasser und die dortige Pflanzenwelt, oder?
Wilhelm Itjeshorst von der Biologischen Station in Wesel gilt als der Schwarzes-Wasser-Experte schlechthin und macht sofort klar, dass der Schein in diesem Falle trügt. „Es ist nur scheinbar so, dass der Heidesee ausgetrocknet ist. Man muss da unterscheiden.“Und dann erzählt er, dass der See in den Dürresommern 2018, 2019 und 2020 tatsächlich bis auf wenige kleine Pfützen trockengefallen sei und der schwarze Schlamm sichtbar wurde. Nun aber ist alles etwas anders. Nicht die geringe Regenmenge ist das Hauptproblem, sondern die sogenannte Zwiebelbinse. „Die neigt nämlich dazu, viele Ausläufer zu bilden, die dann zusammen an einen gewobenen Teppich erinnern“, erklärt der Diplom-Biologe. Und bedingt durch die vielen Trockenphasen in den vergangenen Jahren hat sich ein Binsenteppich praktisch über die gesamte Fläche gelegt.
Denn das Besondere an dieser Pflanzenart ist, dass sie sowohl unter Wasser als auch auf dessen Oberfläche schwimmend weiterwachsen kann. „Sie wächst, von nur ganz wenigen Ausnahmen in Randbereichen abgesehen, also in dem gesamten Wasserkörper“, sagt Itjeshorst. „Das Problem ist, dass wir jetzt auch Torfmoose in der Seemitte finden und Anklänge einer Moorentwicklung gegeben sind. So eine Entwicklung hat es hier noch nie gegeben.“
Im Klartext: Wenn nicht in absehbarer Zeit etwas gegen die Zwiebelbinse getan wird, wird es das
Schwarze Wasser in der bekannten Form irgendwann nicht mehr geben. Weil es im Diersfordter Wald bereits Moore gibt, möchte die Biologische Station dafür sorgen, dass der Heidesee dauerhaft als offenes Gewässer erhalten bleibt, das Lebensraum für bedrohte beziehungsweise verschwundene Pflanzen sein kann. Doch was kann oder muss jetzt konkret getan werden?
„Eigentlich hätte man schon vor Jahren etwas tun müssen. Es gibt im Schwarzen Wasser mittlerweile eine durchschnittlich gut 20 Zentimeter dicke Schicht mit saurem Schlamm. Der müsste beseitigt werden, ebenso alle Zwiebelbinsen. Doch das kostet natürlich Geld.“Itjeshorst geht davon aus, dass das Auskoffern des Areals mehrere Hunderttausend Euro kosten wird.
In einem ersten Schritt will die Bio-Station 2023 Gespräche mit dem Regionalverband Ruhr als Eigentümer des Naturschutzgebietes führen. Ebenfalls eingebunden in die Gespräche wird der Kreis Wesel als Untere Naturschutzbehörde. „Wir
müssen dann gemeinsam schauen, was wir wollen. Weil es sich um ein FFH-Gebiet von europäischer Bedeutung handelt, in das schon in der Vergangenheit EU-Gelder geflossen sind, können Förderanträge gestellt werden, um die Verjüngung des Heidesees zu finanzieren.“Denn aktuell sei das Schwarze Wasser eher ein „altes Gewässer“. Man könne aber durch das Auskoffern aus dem Heidesee ein „junges Gewässer“mit reinem Sandboden machen, in dem so seltene und genügsame Pflanzen wie das Froschkraut wachsen, das in den letzten Jahren komplett verschwunden ist.
In NRW mittlerweile ausgestorben ist die Wasserlobelie. Als Ursache wird die Versauerung der Gewässer angenommen. Die letzte Wasserlobelie, die unter Wasser in klaren Seen wächst, wurde am Schwarzen Wasser vor rund 100 Jahren gesichtet – in der früheren Badebucht. „Das Schwarze Wasser war einmal so berühmt, dass es 1906 in einem Standardwerk der mitteleuropäischen Botanik erwähnt wurde.
Und zwar als Standort für die besagte Wasserlobelie, die sandige und klare Gewässer ohne Schlamm benötigt.“
Würde der Wunsch von Itjeshorst in Erfüllung gehen, dem Heidesee die dringend nötige Verjüngungskur
zu ermöglichen, hätten die konkurrenzschwachen und genügsamen Pflanzen die Möglichkeit, sich im Schwarzen Wasser wieder anzusiedeln. Dass eine solche Maßnahme öffentlichkeitswirksam verkauft werden muss, ist Wilhlem Itjeshorst klar. „Wenn dann nämlich mal große Bagger hier anrücken, könnte es vor allem Proteste in den sozialen Medien geben“, befürchtet er. Denn immer, wenn am Schwarzen Wasser etwas passiert, sorgt das gleich für Aufregung. Zuletzt bei einer Aktion, bei der einzelne Nadelbäume von einer Fläche entfernt wurden, die zur Heidelandschaft werden soll und die nötig ist, damit der Wind ungestört über den Heidesee wehen kann.
Mit Bestimmtheit kann Itjeshorst nicht sagen, ob nach intensiven Regenfällen im Herbst oder Winter der Heidesee wieder so aussieht, wie man ihn aus der Vergangenheit kennt. „Vielleicht sind die Zweibelbinsen dann nicht mehr zu sehen oder aber sie schwimmen auf dem Wasser. Das müssen wir einfach abwarten.“