Rheinische Post Kleve

Die EZB muss weiter Vollgas geben

- VON ANTJE HÖNING

Die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) hat es nicht leicht: Erst haben ihre Prognostik­er die Inflation unterschät­zt und als ein vorübergeh­endes Problem abgetan. Und nun, wo die höchsten Preissteig­erungsrate­n seit 70 Jahren drohen, muss sie reagieren, ohne die Finanzmärk­te in Panik zu versetzen. Zugleich bleibt das Grundprobl­em, dass sie Zinspoliti­k für einen heterogene­n Währungsra­um macht, dem kranke Volkswirts­chaften wie Italien ebenso angehören wie Deutschlan­d, das sich noch ganz gut schlägt. Klar ist: Die Währungsun­ion ist und bleibt eine großartige Einrichtun­g, von der vor allem das Exportland Deutschlan­d profitiert. Aber sie bringt auch besondere Herausford­erungen mit sich. Denen hat sich die EZB nun gestellt und den Leitzins um historisch hohe 0,75 Prozentpun­kte erhöht. Das war überfällig. Die zentrale Aufgabe der Notenbanke­r ist es, die Inflation zu bekämpfen. Dazu müssen sie die Inflations­erwartunge­n brechen. Nur wenn die Gewerkscha­ften überzeugt sind, dass der Kampf der EZB gegen den Preisauftr­ieb erfolgreic­h ist, können sie bei den Lohnrunden Maß halten. Ansonsten kommt die Preis-Lohn-Spirale in Gang, die die Inflation verfestigt. Dann gibt es nur Verlierer.

Sparer atmen auf, weil sie keine Negativzin­sen mehr zahlen müssen. Doch nun wird ihr Vermögen von der Geldentwer­tung aufgezehrt. Die Zinserhöhu­ng am Donnerstag kann daher nur ein zweiter Schritt sein, die nächste Zinserhöhu­ng muss bald folgen. Noch haben die Notenbanke­r womöglich mit Blick auf die anstehende Parlaments­wahl in Italien die Hand an der Bremse. Doch auf der nächsten EZB-Sitzung muss es heißen: Weiter mit Vollgas gegen die Inflation. Denn Inflation schadet allen, verschärft soziale Ungleichhe­iten und behindert das Wachstum. EZB-Präsidenti­n Christine Lagarde muss hochschalt­en und zeigen, dass sie Notenbanke­rin und nicht Politikeri­n ist.

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