Die EZB muss weiter Vollgas geben
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat es nicht leicht: Erst haben ihre Prognostiker die Inflation unterschätzt und als ein vorübergehendes Problem abgetan. Und nun, wo die höchsten Preissteigerungsraten seit 70 Jahren drohen, muss sie reagieren, ohne die Finanzmärkte in Panik zu versetzen. Zugleich bleibt das Grundproblem, dass sie Zinspolitik für einen heterogenen Währungsraum macht, dem kranke Volkswirtschaften wie Italien ebenso angehören wie Deutschland, das sich noch ganz gut schlägt. Klar ist: Die Währungsunion ist und bleibt eine großartige Einrichtung, von der vor allem das Exportland Deutschland profitiert. Aber sie bringt auch besondere Herausforderungen mit sich. Denen hat sich die EZB nun gestellt und den Leitzins um historisch hohe 0,75 Prozentpunkte erhöht. Das war überfällig. Die zentrale Aufgabe der Notenbanker ist es, die Inflation zu bekämpfen. Dazu müssen sie die Inflationserwartungen brechen. Nur wenn die Gewerkschaften überzeugt sind, dass der Kampf der EZB gegen den Preisauftrieb erfolgreich ist, können sie bei den Lohnrunden Maß halten. Ansonsten kommt die Preis-Lohn-Spirale in Gang, die die Inflation verfestigt. Dann gibt es nur Verlierer.
Sparer atmen auf, weil sie keine Negativzinsen mehr zahlen müssen. Doch nun wird ihr Vermögen von der Geldentwertung aufgezehrt. Die Zinserhöhung am Donnerstag kann daher nur ein zweiter Schritt sein, die nächste Zinserhöhung muss bald folgen. Noch haben die Notenbanker womöglich mit Blick auf die anstehende Parlamentswahl in Italien die Hand an der Bremse. Doch auf der nächsten EZB-Sitzung muss es heißen: Weiter mit Vollgas gegen die Inflation. Denn Inflation schadet allen, verschärft soziale Ungleichheiten und behindert das Wachstum. EZB-Präsidentin Christine Lagarde muss hochschalten und zeigen, dass sie Notenbankerin und nicht Politikerin ist.