Digitalisierung soll den Menschen dienen
Die Rheinische Post lud zum Digital Ethics Summit. Bundesdigitalminister Volker Wissing (FDP) drängte auf klare Regeln zum Datenschutz, NRW-Ministerin Ina Scharrenbach (CDU) fordert eine Klarnamenpflicht.
DÜSSELDORF Nachdem die Staaten Europas parallel zur Industrialisierung ihre Sozialstaaten aufgebaut haben, müssen sie nun ein Regelwerk für die digitale Welt entwickeln. Mit dieser Forderung leitete Ina Scharrenbach (CDU), Digitalministerin von NRW, den zweiten Digital Ethics Summit der Rheinischen Post ein. Viele Referentinnen und Referenten waren auf das Rheinschiff MS Galaxie gekommen, um vor rund 150 Gästen zu beschreiben, wie Gesellschaft, Wirtschaft und Politik auf die Herausforderungen durch die Digitalisierung reagieren sollten.
Bundesdigitalminister Volker Wissing (FDP) erläuterte in seinem aus Berlin übertragenen Statement
die Digitalstrategie der neuen Bundesregierung. Jeder zweite Haushalt solle in vier Jahren einen Glasfaseranschluss haben, ganz Deutschland solle mit der Mobilfunktechnik 5G versorgt sein. „Alle Behördengänge sollen mit dem Smartphone erledigt werden können“. Es gelte mit neuen Gesetzen, digitale Geschäftsmodelle und Abläufe zu ermöglichen, aber auch den Schutz privater Daten zu gewährleisten. Man brauche ein „ausgewogenes Verhältnis“zwischen Datenschutz und Chancen für Unternehmen und Verwaltung: So sei geplant, dass 80 Prozent der Patienten eine digitale Krankenakte erhalten, Arzneimittel sollten mit digitalen Rezepten verschrieben werde. Der Volljurist und bekennende Christ sagte: „Das Leben durch künstliche Intelligenz wird besser, aber wir müssen
den digitalen Wandel verantwortungsbewusst steuern.“
Ina Scharrenbach plädierte im Gespräch mit Chefredakteur Moritz Döbler dafür, als Staat die Chancen der Digitalisierung mehr zu nutzen, aber auch harte Regeln durchzusetzen, um Straftaten oder fragwürdiges Verhalten von Menschen im Web zu bekämpfen. Die rigiden Datenschutzregeln für Behörden müssten abgebaut werden, damit diese zum Wohl der Menschen zusammenarbeiten können. Einwohnermeldeämter würden Bürgern, die ihren Namen ändern, zwar direkt vorschlagen, einen neuen Ausweis zu beantragen. Doch das sollte es auch für andere Dokumente geben. Rechenzentren des Staates sollten kooperieren. „Kommen wir dagegen zur Überzeugung, dass wir Daten nicht
nutzen dürfen, sollten wir die breite Digitalisierung lassen.“
Scharrenbach befürwortete, dass in Onlineforen nur noch Klarnamen genutzt werden dürfen, um anonyme Beleidigungen zu stoppen. Das schließe nicht aus, dass Hinweisgeber auf Missstände in ihrer Identität geschützt werden. „Deutschland muss konsequenter gegen Hasspropaganda vorgehen“. Der demokratische Staat müsse „seine Abwehrfähigkeit im Internet verteidigen“, während Russland und China versuchten, westliche Gesellschaften zu destabilisieren.
Für einen Innovationsschub dank Gründerfirmen mit Digital-Knowhow plädierte die Münchener Wirtschaftsprofessorin Isabell Welpe: „Wir in Deutschland sind kreativ und erfinderisch. Aber die Ideen bleiben oft in den Schubladen.“Von einer grünen Zukunft in den Städten sprach Landschaftsarchitekt Andreas Kipar. Digitale Tools würden bei der Stadtplanung helfen, der Autoverkehr würde durch mehr Fußgänger und Radfahrer verdrängt: „Man muss soviel Andrang schaffen, dass sich ein Porsche-Fahrer nicht wohlfühlt.“Maren Krimmer, die in Tallinn arbeitet, sprach über Europas digitalen Vorreiter Estland. 99 Prozent aller Dienstleistungen seien für Bürger digital verfügbar. „Nur heiraten und Scheidungen gehören noch nicht dazu“, sagte Krimmer. Schon ein Neugeborenes erhalte eine eigene EMail-Adresse und Kennnummer, mit der es sein Leben lang digitale Leistungen beim Start anfordern könne. Estland habe aus der Not eine Tugend gemacht und sei nun Vorreiter.