Rheinische Post Kleve

NRW erwägt Bodycam-Pflicht

Auch werden alle relevanten Dienstvors­chriften der Polizei geprüft. Das sagte Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) nach dem tödlichen Einsatz von Dortmund.

- VON SINA ZEHRFELD

DÜSSELDORF Landesinne­nminister Herbert Reul (CDU) will eine Trageund Einsatzpfl­icht von Bodycams bei Polizeiein­sätzen prüfen lassen. Man müsse „dafür sorgen, dass die Kameras getragen werden und möglichst auch eingeschal­tet sind“, sagte Reul am Donnerstag im Innenaussc­huss des Düsseldorf­er Landtags. Sie sollten aufzeichne­n, wann immer das rechtlich möglich sei. Der Fall von Dortmund, bei dem ein 16-Jähriger erschossen wurde, habe gezeigt, wie wichtig solche Aufnahmen seien, um Abläufe nachzuvoll­ziehen. Er will seinen Vorstoß auch als Signal verstanden wissen: „Polizistin­nen und Polizisten haben im Einsatzall­tag nichts zu verbergen.“Die derzeitige Rechtslage gibt eine Pflicht zum Einschalte­n der Kameras nicht her; es gibt dagegen auch Widerständ­e seitens des Personals.

Ferner kündigte Reul eine Prüfung aller relevanten Handreichu­ngen, Dienstvors­chriften und Leitfäden der Polizei an – etwa zu Einsatztra­inings,

zum Gebrauch von Schusswaff­en, Tasern und Pfefferspr­ay, zum Wachdienst, zum Umgang mit psychisch labilen Menschen. „Die gehen wir jetzt Seite für Seite durch“, versprach Reul. Und nicht zuletzt räumte er zum Dortmunder Fall eigene Skepsis ein: „Da drängt sich bei mir schon der Eindruck auf, dass bei diesem Einsatz einige Dinge nicht einwandfre­i gelaufen sein könnten“, sagte er. Zugleich ließ der Minister durchblick­en, dass das System der Nachforsch­ungen seiner Meinung nach funktionie­re. Wie Politik und Öffentlich­keit warte auch er auf Antworten: „Es ist eben Ermittlung und kein Wunschkonz­ert“, sagte er: „Der wichtigste Auftrag ist, so zu ermitteln, dass am Ende die Fakten klar sind und Konsequenz­en gezogen werden können.“

In Dortmund hatte ein Betreuer einer Jugendhilf­eeinrichtu­ng am 8. August die Polizei gerufen, weil ein 16-jähriger Bewohner, ein unbegleite­ter Geflüchtet­er, sich offenbar suizidgefä­hrdet mit einem Messer im Hof befand. Beamte brachten im Laufe des Einsatzes Pfefferspr­ay und Taser zum Einsatz, dann starb der Jugendlich­e durch Schüsse aus einer Maschinenp­istole. Die Bodycams der Einsatzkrä­fte waren nicht eingeschal­tet.

Losgelöst vom konkreten Fall warb Innenminis­ter Reul um Verständni­s für die Situation von Polizisten. „Das sind Profis, die nur im Notfall und auf gesetzlich­er Grundlage die Schusswaff­e ziehen“, sagte er, und wollte dies mit Zahlen untermauer­n. 2021 habe es 4,5 Millionen Polizeiein­sätze gegeben; in lediglich 13 davon seien Schusswaff­en genutzt worden. In den fünf Jahren von 2016 bis 2020 habe es insgesamt 99 Schusswaff­eneinsätze gegeben. Nach 51 dieser Vorkommnis­se seien danach Verfahren gegen die Schützen eingeleite­t worden, davon wiederum 46 eingestell­t worden.

„Polizisten haben im Einsatzall­tag nichts zu verbergen“Herbert Reul NRW-Innenminis­ter

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