Rheinische Post Kleve

Streit um Atomkraftw­erke spitzt sich zu

Der Betreiber des Meilers Isar 2 geht in der Debatte um die drei verblieben­en AKW auf Konfrontat­ionskurs zu Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck. Der reagiert mit einer saftigen Replik.

- VON JANA WOLF

BERLIN Kaum ein Thema in der aktuellen Energiekri­se ist emotional so aufgeladen wie der Weiterbetr­ieb der Atomkraftw­erke. Opposition gegen Regierung, ein Koalitions­partner gegen den anderen – die Konfliktli­nien laufen kreuz und quer. Nun hat ein Brandbrief des Betreibers des Kraftwerks Isar 2 in Bayern an das Bundeswirt­schaftsmin­isterium (BMWK) die Debatte weiter angeheizt. Darin warnt Preussenel­ektra, eine Tochter des Energiekon­zerns Eon in Essen, vor einem Reservebet­rieb der Anlage. Der Betreiber verweigert sich damit den Plänen von Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne), der eine solche AKW-Reserve für den Notfall vorsieht. Kurz nach Bekanntwer­den des Briefes wies Robert Habeck die Kritik zurück, zeigte sich „verwundert“.

Der auf vergangene­n Dienstag datierte Brief von Preussen-Elektra-Chef Guido Knopp war an den BMWK-Staatssekr­etär Patrick Graichen adressiert. Darin heißt es: „Zwei der drei laufenden Anlagen zum Jahreswech­sel in die Kaltreserv­e zu schicken, um sie bei Bedarf hochzufahr­en, ist technisch nicht machbar und daher ungeeignet, um den Versorgung­sbeitrag der Anlagen abzusicher­n.“Am Montag dieser Woche hatte Habeck seine Pläne für eine „Einsatzres­erve“vorgestell­t. Demnach sollen zwei der drei noch laufenden Meiler – Isar 2 in Bayern und das von EnBW betriebene Kraftwerk Neckarwest­heim in Baden-Württember­g – für den Notfall bereitgeha­lten werden.

Bislang war vorgesehen, dass alle drei noch laufenden Atomkraftw­erke Ende des Jahres vom Netz gehen. Hintergrun­d dieser Planänderu­ng ist der jüngste Stresstest der deutschen Stromnetze, den die Übertragun­gsnetzbetr­eiber durchgefüh­rt hatten. Sie kamen zu dem Schluss, dass die Meiler im Ernstfall einen Beitrag zur Versorgung­ssicherhei­t leisten können.

In seinem Brandbrief schreibt Preussenel­ektra-Chef Knopp, man habe das Ministeriu­m bereits am 25. August davon unterricht­et, dass im Streckbetr­ieb „ein flexibles Anheben oder Drosseln der Leistung nicht mehr möglich ist“. Das gelte umso mehr, wenn die Anlage komplett herunterge­fahren werden solle, wie Habecks Plan es vorsehe. „Dann nämlich ist mit den eingeschrä­nkten Möglichkei­ten eines solchen Reaktorker­ns ein Wiederanfa­hren im fortgeschr­ittenen Streckbetr­ieb nicht und schon gar nicht kurzfristi­g innerhalb einer Woche machbar“, heißt es weiter in dem Schreiben.

Anders als Preussenel­ektra hält sich der Neckarwest­heim-Betreiber EnBW (Karlsruhe) mit öffentlich­er Kritik zurück. „Wir sind aktuell im Austausch mit dem Bundeswirt­schaftsmin­isterium zur Klärung der konkreten Details und unserer Fragen“, zitiert der „Spiegel“eine Konzernspr­echerin. Erst danach, heißt es weiter, könne man die technische und organisato­rische Machbarkei­t bewerten.

Wirtschaft­sminister Habeck wies in seiner Replik auf den Brandbrief von Preussenel­ektra gleich mehrere Annahmen des Betreibers zurück.

Zum einen gehe es „bei der Einsatzres­erve nicht darum, die Atomkraftw­erke hoch- und runterzufa­hren“, stellte Habeck fest. Ausgehend von der Versorgung­ssituation und entlang der Stresstest­szenarien solle einmal entschiede­n werden, „ob man die Kraftwerke braucht oder nicht“.

Zweitens wirft Habeck dem Betreiber Widersprüc­he in dessen Argumentat­ion vor. Preussenel­ektra habe an dem besagten 25. August in einem Brief geschriebe­n, für einen Streckbetr­ieb des Kraftwerks brauche

es einen kurzfristi­gen Betriebsst­illstand. „Genau das ginge aber – so sagen sie es heute – nicht bei einer Einsatzres­erve. Das ist technisch nicht ohne Weiteres nachzuvoll­ziehen, deswegen werden wir diese Gespräche jetzt noch mal führen, was denn eigentlich gilt“, sagte der Minister.

Habecks dritter Einwand bezieht sich auf die Revision, also die jährliche Sicherheit­süberprüfu­ng des Kraftwerks. Auch hier gingen der Betreiber und das Ministeriu­m offenbar von unterschie­dlichen Annahmen aus. Habeck kündigte an, dass es weitere Diskussion­en mit den Betreibern geben werde – „hoffentlic­h auch ohne die Öffentlich­keit“, so der Minister.

Unterdesse­n geht der politische Streit unverminde­rt weiter. So warf die Chefin der Mittelstan­dsund Wirtschaft­sunion, Gitta Connemann (CDU), dem Bundeswirt­schaftsmin­ister vor, Realität und Notwendigk­eiten zu ignorieren. „Energie-Experten mahnen seit Monaten, das Potenzial der AKW zu nutzen. Aktuell warnen die Netzbetrei­ber nach dem Stresstest davor, nicht alle Möglichkei­ten, namentlich Kernenergi­e, zur Stromerzeu­gung einzusetze­n“, sagte Connemann unserer Redaktion. Habeck schlage den Expertenra­t in den Wind. Die CDU-Politikeri­n plädiert für den Streckbetr­ieb aller drei aktiven Kernkraftw­erke und das Hochfahren der drei stillgeleg­ten deutschen Atomkraftw­erke.

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