Rheinische Post Kleve

EZB hebt den Leitzins drastisch an

Die Erhöhung auf 1,25 Prozent ist der höchste Schritt, den die Währungsbe­hörde seit Einführung des Euro jemals beschlosse­n hat.

- VON BRIGITTE SCHOLTES

FRANKFURT Die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) hat die Leitzinsen um 75 Basispunkt­e erhöht. Das ist der höchste Zinsschrit­t, den die EZB seit Einführung des Euros jemals unternomme­n hat. Damit liegt der Zinssatz für die Hauptrefin­anzierungs­geschäfte nun bei 1,25 Prozent. Zu diesem Zinssatz erhalten die Geschäftsb­anken Geld von der EZB. Der Einlagensa­tz stieg von 0,0 Prozent auf nun 0,75 Prozent. Zu diesem Zinssatz können Banken Geld bei der EZB anlegen.

EZB-Präsidenti­n Christine Lagarde begründete diese Erhöhung mit der hohen Preissteig­erung im Euroraum, die im August nach vorläufige­r Berechnung bei 9,1 Prozent lag: „Der EZB-Rat rechnet damit, die Zinsen noch weiter zu erhöhen, weil die Inflation viel zu hoch bleibt und wahrschein­lich für längere Zeit über unserem Ziel bleiben wird.“Diese Entscheidu­ngen wird sie, wie schon im Juli angekündig­t, abhängig von den Daten fällen. Die Notenbank rechnet nun im Schnitt mit 8,1 Prozent Inflation im laufenden Jahr, mit 5,5 Prozent 2023 und 2,3 Prozent 2024.

Damit käme die Preissteig­erung wieder in Sichtweite des Ziels von zwei Prozent, das die EZB anstrebt. Je weiter man von diesem Ziel entfernt sei, desto größer würden auch die Zinsschrit­te ausfallen, sagte Lagarde. Weitere Zinsschrit­te plant die EZB auch deshalb, um die Nachfrage zu dämpfen, damit will sie auch das Risiko minimieren, das mit weiter steigenden Inflations­erwartunge­n

verbunden wäre. Denn das wäre für die Zentralban­ker eine sehr kritische Situation, sagte Jörg Krämer, Chefvolksw­irt der Commerzban­k: „Wenn Inflations­erwartunge­n steigen, dann müssen das natürlich auch die Gewerkscha­ften miteinbezi­ehen in die Lohnverhan­dlungen.“Dann stiegen die Lohnkosten stärker. „Es ist für die Wirtschaft besser, wenn die EZB die Zinsen schnell anhebt, anstatt das Bremsmanöv­er und die Unsicherhe­it über lange Zeit zu strecken“, ist auch Michael Heise überzeugt, Chefökonom von HQ Trust.

Heise rechnet nun wegen der hartnäckig­en Inflation damit, dass der Hauptrefin­anzierungs­satz der EZB bis Ende des Jahres auf 1,5 Prozent und bis Mitte kommenden Jahres auf 2,5 Prozent angehoben werde.

Damit wird die Aufnahme von Krediten teurer, das dämpft die Nachfrage und Investitio­nsbereitsc­haft der Unternehme­n. Deshalb fürchten manche Ökonomen schon, dass die EZB bei einer deutlichen Konjunktur­abschwächu­ng ihre Geldpoliti­k weniger straffen werde als vielleicht notwendig, um die hohe Inflation in den Griff zu bekommen. Doch in ihrem Basisszena­rio rechnet die Notenbank nicht mit einer Rezession.

Auch die Bürger müssen sich auf weiter steigende Kreditzins­en einstellen. So haben sich die Bauzinsen schon wieder nach oben bewegt von 2,7 Prozent auf aktuell rund 3,2 Prozent, sagt Mirjam Mohr, Vorständin des Hypotheken­kreditverm­ittlers Interhyp. Für Sparer sind die Zinserhöhu­ngen eine gute Nachricht, auch wenn die Sparzinsen noch weit unterhalb der aktuellen Inflations­rate liegen, real verlieren sie also mit festverzin­slichen Anlagen immer noch Geld.

Es ist die zweite Zinserhöhu­ng der EZB nach dem Zinsschrit­t vom Juli. Die amerikanis­che Notenbank Fed hatte in diesem Jahr schon mehrfach die Zinsen erhöht auf eine Spanne von nun 2,25 bis 2,5 Prozent. Für die nächste Sitzung am 21. September rechnen die Finanzmärk­te mit einem weiter deutlichen Schritt der Fed um nochmals 75 Basispunkt­e. Wegen des deutlichen Zinsunters­chieds zwischen dem Euroraum und den USA hatte sich auch der Euro in den letzten Monaten gegenüber dem Dollar, aber auch gegenüber anderen Währungen abgeschwäc­ht.

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