Rheinische Post Kleve

Orientieru­ng und Unabhängig­keit für Blinde und Sehbehinde­rte

Die OrCam MyEye, eine intelligen­te, tragbare Sehhilfe, unterstütz­t blinde und sehbehinde­rte Menschen in ihrem Alltag und gibt ihnen einen großen Teil ihrer Selbststän­digkeit und Selbstbest­immung zurück.

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Klein ist sie, die OrCam MyEye, nur etwa so groß wie ein Daumen, und außerdem sehr leicht, denn sie wiegt lediglich 22,5 Gramm. Die kabellose Minikamera mit integriert­em Lautsprech­er wird mittels Magneten am Brillenbüg­el befestigt und liest ihren Nutzern gedruckte oder digitale Texte von jeder Oberfläche vor, zudem erkennt sie nicht nur Produkte anhand ihrer Barcodes, sondern auch Geldschein­e und Gesichter, und das nahezu in Echtzeit.

Somit ist sie das ideale Hilfsmitte­l für blinde und sehbehinde­rte Menschen – rund 1,2 Millionen sind allein in Deutschlan­d betroffen –, die endlich wieder allein einkaufen und sich die tägliche Zeitung, das Lieblingsb­uch oder die Speisekart­e im Restaurant vorlesen lassen können, um nur einige der zahlreiche­n Möglichkei­ten zu nennen. Eine Internetve­rbindung wird übrigens außer für Softwareup­dates nicht benötigt.

Gegründet wurde das Unternehme­n im Jahr 2010 in Israel gemeinsam von CTO Prof. Amnon Shashua und CEO Ziv Aviram, die beide übrigens auch Mitbegründ­er von Mobileye sind, dem führenden Unternehme­n für moderne Fahrerassi­stenzsyste­me in Autos. „Dass die OrCam MyEye überhaupt entwickelt wurde, ist der

Tante von Amnon Shashua zu verdanken“, erzählt Business Developmen­t Manager Felix Moddemann. Sie ist stark sehbehinde­rt und wünschte sich deshalb von ihrem Neffen, einem Pionier in der Forschung und Entwicklun­g von künstliche­r Intelligen­z, ein Produkt, das ihr zu mehr Selbststän­digkeit verhelfen könnte. Fünf bis sechs Jahre nach der Unternehme­nsgründung kam dann die erste OrCam MyEye auf den

Markt – und wurde seither stetig weiterentw­ickelt.

Zu den wichtigste­n Funktionen der heutigen Version 2.0 gehört neben der Erkennung von Etiketten, Farben oder auch Straßennam­en die Gesichtser­kennung. „Bis zu 150 verschiede­ne Gesichter mit den dazugehöre­nden Namen können eingespeic­hert werden, die Personen werden aus einer Entfernung von bis zu sieben Metern erkannt“, erläutert Maximilian Hülsmann. Dies sei insbesonde­re für Menschen von großer Bedeutung, die noch über eine Restsehfäh­igkeit verfügten und denen man ihre Behinderun­g nicht ansehe, so der Area Sales Manager West Germany bei OrCam Technologi­es weiter, gelte man doch schnell als arrogant, wenn Nachbarn oder Bekannte auf der Straße nicht mehr erkannt und gegrüßt würden. Und damit die Funktionen so diskret wie möglich genutzt werden können, ist das Hören über Bluetooth-Kopfhörer und bei Bedarf auch über die meisten Hörgeräte möglich.

Aufgrund des demografis­chen Wandels werden Augenerkra­nkungen wie beispielsw­eise Makula-Degenerati­on oder Grüner Star (Glaukom) in der Bevölkerun­g weiter zunehmen, sodass Hilfsmitte­l wie die OrCam MyEye immer wichtiger werden. Schon heute nutzen sie Tausende betroffene­r Menschen weltweit, mehr als die Hälfte von ihnen sind älter als 60 Jahre – ein guter Grund für die Entwickler, die Bedienung so einfach wie möglich zu gestalten, etwa per Sprachbefe­hl oder Fingerzeig. So kann die OrCam MyEye beispielsw­eise Texte, Produkte, Barcodes und Banknoten erkennen, indem die Nutzer einfach mit dem Finger darauf zeigen. Erkennt die Kamera die Fingerspit­ze,

weiß sie, dass sie etwas vorlesen oder erkennen soll. „Mit der Funktion, die wir ‚intelligen­tes Lesen‘ nennen, kann sie sogar Texte nach relevanten Informatio­nen durchsuche­n, etwa bei einer Rechnung gezielt nach dem Betrag suchen und nur diesen vorlesen“, erläutert Felix Moddemann.

Der Vertrieb erfolgt entweder über zertifizie­rte Optiker oder über Hilfsmitte­lhändler, die das Gerät auf Wunsch bei interessie­rten Betroffene­n zu Hause vorstellen. Die OrCam MyEye ist übrigens ein zugelassen­es Hilfsmitte­l der gesetzlich­en Krankenkas­sen, sodass eine Übernahme der Kosten möglich ist.

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 ?? ?? Endlich wieder selbststän­dig und unabhängig am Leben teilhaben: Mit der Sehhilfe OrCam MyEye können sehbehinde­rte Menschen zum Beispiel Texte besser lesen.
Endlich wieder selbststän­dig und unabhängig am Leben teilhaben: Mit der Sehhilfe OrCam MyEye können sehbehinde­rte Menschen zum Beispiel Texte besser lesen.
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Die OrCam MyEye erkennt Texte, indem die Nutzer einfach mit dem Finger darauf zeigen.

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