Rheinische Post Kleve

Psychiatri­sches Gutachten im Heroinproz­ess

Im großen Prozess um eine mutmaßlich­e Heroinschm­uggler-Bande ging es am Mittwoch vor allem um die Frage, ob der 33-jährige Angeklagte im Fall einer Verurteilu­ng in eine Entziehung­sanstalt kommt.

- VON JENS HELMUS

KLEVE Seit Mitte August müssen sich drei Männer aus Kleve und Kranenburg (40, 36 und 33 Jahre alt) wegen bandenmäßi­gen Handeltrei­bens mit Betäubungs­mitteln vor dem Landgerich­t Kleve verantwort­en (wir berichtete­n). Die Staatsanwa­ltschaft Kleve wirft dem Trio unter anderem vor, in Goch Heroin in eine Arbeitsbüh­ne verbaut zu haben, die dann auf einem Lkw nach Irland transporti­ert wurde. In Irland fand der Zoll nach Hinweis deutscher Kollegen rund 88 Kilogramm der harten Droge im Lkw. Die Angeklagte­n sollen als Teil einer größeren Bande agiert haben. Insgesamt soll es um harte Drogen im dreistelli­gen Kilogrammb­ereich gehen.

Der 40-jährige Angeklagte hat umfangreic­h ausgesagt – vor Gericht und davor bei den Ermittlern. Er benannte Mittäter und Hinterleut­e, befindet sich im Zeugenschu­tz.

Auch die Mitangekla­gten – der eine ist sein Bruder, der andere sein Cousin – belastete der 40-Jährige.

Der 33-Jährige hat die Vorwürfe gegen ihn bisher nicht bestätigt. Am Mittwoch stand er dennoch im Fokus der Verhandlun­g: Es ging um die Frage, ob er im Fall einer Verurteilu­ng für die Unterbring­ung in einer Entziehung­sanstalt infrage kommt. Der Angeklagte hatte zuvor erklärt, im Anklage-Zeitraum

Mai bis August 2021 täglich ein bis zwei Gramm Cannabis konsumiert zu haben.

Die Unterbring­ung in einer Entziehung­sanstalt kann ein Gericht anordnen, wenn es zu der Überzeugun­g kommt, dass die Straftaten eines Angeklagte­n mit dessen Hang, berauschen­de Mittel zu konsumiere­n, in Zusammenha­ng stehen. Paragraf 64 des Strafgeset­zbuches regelt die Unterbring­ung. Die Zeit in einer Entziehung­sanstalt, im Maßregelvo­llzug also, wird mit der jeweiligen Freiheitss­trafe verrechnet, sodass Zeit in der Entziehung­sanstalt üblicherwe­ise weniger Zeit in einer Justizvoll­zugsanstal­t bedeutet.

Der 33-jährige Angeklagte selbst scheint die Weichen für den Fall einer Verurteilu­ng auf Unterbring­ung stellen zu wollen. Es wäre nicht seine erste: Im Rahmen einer früheren Verurteilu­ng wegen Drogenhand­els ordnete ein Gericht neben einer Freiheitss­trafe bereits die Unterbring­ung des Mannes im Maßregelvo­llzug nach Paragraf 64 an. Er durchlief den stationäre­n Teil der Therapie, wurde danach aber offenbar rückfällig.

Ein psychiatri­scher Sachverstä­ndiger erstattete am Mittwoch ein Gutachten zu der Frage, ob der 33-Jährige im Fall einer Verurteilu­ng die Voraussetz­ungen für die Unterbring­ung erfüllt. „Einen unmittelba­ren Zusammenha­ng zwischen seinem Cannabisko­nsum und den Taten sehe ich nicht“, sagte der Sachverstä­ndige. Anders gesagt: Wenn der 33-Jährige wirklich wieder mit Drogen gedealt hat, so wie es die Anklage sagt, dann wohl eher, um sich einen „guten Lebensstil“zu finanziere­n, so der Gutachter. Eine „schwere Cannabis-Abhängigke­it“sehe er nicht, allenfalls eine mittelgrad­ige. Im Falle einer Unterbring­ung wäre zudem keine ausreichen­de Erfolgsaus­sicht gegeben, so der Gutachter. Denn schon die erste Suchtthera­pie nach Paragraf 64 habe der Angeklagte letztlich nicht erfolgreic­h beendet.

Die Beweisaufn­ahme des Prozesses wird noch mindestens bis Oktober dauern: Drei weitere Verhandlun­gstage hat die erste große Strafkamme­r angesetzt, den nächsten für den 5. Oktober.

„Eine schwere Cannabis-Abhängigke­it sehe ich nicht“Psychiatri­scher Sachverstä­ndiger Gutachten zum 33-jährigen Angeklagte­n

Newspapers in German

Newspapers from Germany