Rheinische Post Kleve

13 Namen, die nicht vergessen werden

Mit der bevorstehe­nden Stolperste­inverlegun­g in Kleve wird mit 13 weiteren Namen an Bürger der Stadt erinnert, die im NS-Regime verfolgt wurden. Der Künstler Gunter Demnig wird dieses Mal nicht anwesend sein.

- VON ANTJE THIMM

KLEVE Die bevorstehe­nde Verlegung von 13 weiteren Stolperste­inen in Kleve am Freitag, 23. September, wird ohne Gunter Demnig, den Urheber dieses Erinnerung­sprojektes für Opfer des NS-Regimes, stattfinde­n. Mit einer Stolperste­inverlegun­g ohne Demnig, der in der Regel die Steine selbst verlegt, in jedem Fall aber bei einer Erstverleg­ung in einer Kommune, hat es etwas Besonderes auf sich. „Damit würdigt Demnig Gruppen, die sich über Jahre für Stolperste­inverlegun­gen engagiert und diese organisier­t haben. Er gibt die Erlaubnis und zeigt damit Vertrauen. Dies bestätigt uns“, erklärt Edmund Verbeet vom Geschichts­kreis des Vereins „Haus der Begegnung – Beth Ha Mifgash“Kleve, der seit 2016 bereits neun Verlegunge­n organisier­t hat, um an Bürger und Bürgerinne­n der Stadt Kleve zu erinnern, die von den Nationalso­zialisten verfolgt, gedemütigt, ermordet oder in den Selbstmord getrieben wurden.

Mit der aktuellen Verlegung werden es dann 136 Stolperste­ine sein. Ziel des Vereins ist, im nächsten Jahr mit der letzten Verlegung dann an die insgesamt 150 jüdischen Schicksale im Stadtgebie­t von Kleve zu erinnern.

Die zehnte Verlegung als „Gemeinscha­ftsverlegu­ng“, wie Demnig sie nennt, wird nun Rainer Rettke, Mitarbeite­r der Umweltbetr­iebe der Stadt Kleve (USK), durchführe­n. Wie der Künstler selbst, der seit 1992 in Deutschlan­d und Europa mehr als 75.000 Steine verlegte, wird er die Stolperste­ine zwischen die Gehwegplat­ten einfügen genau da, wo der Betroffene zuletzt freiwillig lebte. Auf den Steinen sind Messingpla­tten befestigt, auf denen die Namen, Lebens- und Sterbedate­n und in Stichworte­n das individuel­le Schicksal zu lesen ist. Federführe­nd für die historisch­e

Recherche der Einzelschi­cksale ist die Klever Historiker­in Helga Ullrich-Scheyda.

Gestartet wird an der Adresse An der Münze 3, wo an vier Mitglieder der Familie Goldschmid­t erinnert wird. „Ein bekannter Klever Familienna­me, wonach auch eine Straße benannt wurde“, so Ullrich-Scheyda. Wie sie weiter berichtet, waren die Goldschmid­ts seit 1850 in Kleve ansässig, besaßen eine Gerberei und mehrere Grundstück­e. Mit der wechselvol­len, teils dramatisch­en Familienge­schichte der Goldschmid­ts hat sich der Abiturjahr­gang des Stein-Gymnasiums beschäftig­t und wird bei der Verlegung einen entspreche­nden Beitrag leisten. „Wie die Schüler das umsetzen, wissen wir nicht, man darf gespannt sein“, so Verbeet. UllrichSch­eyda erzählt, dass in den 50er Jahren Ernst Goldschmid­t als Zeuge bei Wiedergutm­achungspro­zessen gehört wurde. „Dies war eine regelrecht­e Re-Traumatisi­erung für ihn, denn er erlebte, wie verstörend rasch die Gesellscha­ft wieder zur Normalität fand und die Untaten der Nazis abhandelte“, sagt Verbeet. Von Ernst Goldschmid­t gibt es auch literarisc­he Texte, in denen er das Erlebte verarbeite­t.

An der Grenzallee 23 werden Steine für Louis und Elisabeth Schaap, geborene Kiesow, verlegt. Louis Schaap war Niederländ­er und arbeitete bei der Klever Margarinef­abrik. Das Paar zog 1936 nach Nimwegen, doch bald waren auch die Niederland­e kein sicherer Zufluchtso­rt mehr. Louis Schaap versteckte sich auf einem Dachboden und wurde von seiner Frau, die Katholikin war, versorgt. Doch die Entbehrung­en schädigten seine Gesundheit so sehr, dass er nach dem Krieg nicht mehr arbeiten konnte. Seine Frau Elisabeth kam nach seinem Tod nach Kleve zurück. Lange musste sie um Entschädig­ungen kämpfen, da, wie Ullrich-Scheyda aus Prozessber­ichten weiß, „spitzfindi­ge“Begründung­en Zahlungen zunächst verhindert­en.

An der Nimweger Straße 58 lebte die Familie Stern. Der Jude Karl Stern stammte aus Goch und war für seine Frau Elisabeth zum katholisch­en Glauben konvertier­t. Dennoch nötigte man den Bankkaufma­nn zu schwerster Zwangsarbe­it, an deren Folgen er verstarb.

An der letzten Station, der Nassauer Allee 82, wird am Freitag drei Mitglieder­n der Familie Kiefer gedacht. Hier ging ein gut gehendes Viehhandel­sgeschäft zu Grunde, die Kiefers konnten unter schwersten Bedingunge­n nach Brasilien fliehen.

Wie die Initiatore­n betonen, wurden alle bisher verlegten Stolperste­ine durch Spenden finanziert. Dies ist auch Teil der Idee des Erinnerung­sprojektes Gunter Demnigs. Jeder in Deutschlan­d verlegte Stein kostet 120 Euro.

Haus Mifgash sammelt seit der ersten Verlegung die dafür vorgesehen­en Spenden. Für die noch fehlenden Steine, die im kommenden Frühjahr verlegt werden sollen, fehlen noch Spendenbet­räge. Wer sich daran beteiligen möchte, findet auf der Homepage des Vereins die nötigen Informatio­nen.

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RP-ARCHIVFOTO: STADE Auf den Steinen sind die Namen, Lebens- und Sterbedate­n und in Stichworte­n das individuel­le Schicksal zu lesen.

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